In Polen leiden drei Zooelefanten nach einem Trauerfall in ihrer kleinen Herde unter Stress. Nun soll versucht werden, sie mittels Verabreichung von Cannabis-Öl zu beruhigen.
Warschau. Der Zoologische Garten von Warschau ist für zwei Dinge bekannt: Zum einen für die historische Geburt des weiblichen Babyelefanten Tuzinka – sie war 1937 einer der ersten in Gefangenschaft geborenen indischen Elefanten im modernen Europa, was damals einen bemerkenswerten Zuchterfolg darstellte. Das tragische Schicksal Tuzinkas führt zum zweiten Punkt: Ihre Mutter Kasia wurde im September 1939 durch deutsche Bomben getötet, und nachdem die deutschen Faschisten Polen militärisch unterworfen und besetzt hatten, wurde die junge Elefantendame nach Berlin verschleppt, um den dortigen Tiergarten aufzuwerten: Sie hat den Zweiten Weltkrieg jedoch ebenfalls nicht überlebt und starb vermutlich als Kollateralschaden in Berlin. Ins leere Warschauer Zoogelände – die Nazis wollten dort eine Schweinefarm errichten – zogen ab 1943 andere Gäste ein, und zwar im Geheimen: Zoodirektor Jan Żabiński und seine Frau Antonina Żabińska versteckten bis 1945 in Gebäuden, Käfigen und Kellern des Zoos etwa 300 Jüdinnen und Juden sowie Widerstandskämpfer und retteten sie erfolgreich vor den deutsch-faschistischen Mördern. Sie wurden später als „Gerechte unter den Völkern“ ausgezeichnet, 2017 – zum 90. Geburtstag des Zoos – wurde die mutige und ermutigende Shoa-Episode in Hollywood verfilmt („Die Frau des Zoodirektors“).
Medizinisches Drogenexperiment gegen Elefantenstress
Heute ist der Zoologische Garten von Warschau eine verhältnismäßig moderne Einrichtung, die sich artgerechter Tierhaltung, so weit in Gefangenschaft überhaupt möglich, verschrieben hat. Den bis vor kurzem vier afrikanischen Elefanten des Tiergartens in der polnischen Hauptstadt stehen gegenwärtig 6.000 Quadratmeter Fläche zur Verfügung, inklusive zweier Outdoor- und eines Indoor-Pools. Doch nun herrscht Trauer im Elefantenhaus, denn die älteste Kuh, Erna, verstarb im März dieses Jahres. Elefanten sind höchst soziale Lebewesen, weswegen die verbliebene Gruppe (Bulle Leon sowie die Kühe Buba und Fryderyka) seither irritiert und gestresst ist, wie veterinärmedizinisch festgestellt wurde. Um den Verlust ihrer Artgenossin und Gefährtin zu überwinden, will die Warschauer Zooleitung nun zu einer interessanten Maßnahme greifen. Medizinisches Cannabis soll die verstörten Tiere beruhigen, nach dem Motto: Was ein Rüsseltier nicht umhaut, macht es stark. Der Hanf-Inhaltsstoff Cannabidiol (CBD) soll bei den Dickhäutern angstlösend wirken, meint die zuständige Tierärztin Agnieszka Czujkowska, die zwei- bis dreimal täglich zehn Tropfen CBD-Öl verschrieben hat – und dies gleich für eineinhalb bis zwei Jahre. Sollte die Behandlung bei den Elefanten Erfolg haben, so könnte der Zoologische Garten von Warschau zu neuer Berühmtheit gelangen und zur Etablierung von Arzneimitteln mit weniger unerwünschten Begleiterscheinungen beitragen, als es bei bisherigen Psychopharmaka der Fall ist.
Quelle: Der Standard