Hitzewellen, Waldbrände, Überschwemmungen – der Sommer 2021 in Europa, von der Corona-Pandemie einmal abgesehen. Der weltweite Klimawandel, den die Entwicklung des Kapitalismus mit sich gebracht hat, zeigt in ersten Ansätzen seine brutalen Auswirkung. Passend dazu erschien kürzlich der erste Teil des Sechsen Sachstandsberichts des IPCC, der sich mit naturwissenschaftlichen Aspekten des Klimasystems und seiner Veränderung auseinandersetzt.
Der sogenannte Weltklimarat – eigentlich Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) – ist eine Institution der Vereinten Nationen zur wissenschaftlichen Untersuchung des Klimawandels. Er veröffentlicht in Abständen von mehreren Jahren einen umfassenden Bericht sowie diverse Spezialberichte über den aktuellen Forschungsstand. Die Dokumente des IPCC gelten weltweit als Goldstandard in der Klimaforschung, an dem man sich im wissenschaftlichen Diskurs orientiert. Einige seiner Prognosen haben sich bereits in den letzten Jahrzehnten bestätigt.
Das neue Dokument bekräftigt ein weiteres Mal, dass der gegenwärtige Klimawandel durch die Emission von Treibhausgasen verursacht wird und skizziert Prognosen für die Folgen verschiedener Szenarien, je nachdem ob es noch gelingt, die globale Erwärmung zu beschränken. Unabhängig von diesen Szenarien wird für Europa prognostiziert, dass die Erwärmung jedenfalls über dem globalen Durchschnitt liegen wird. Hitzeereignisse werden noch weiter zunehmen. Die Gletscherschmelze wird sich fortsetzen, der Meeresspiegel wird steigen und extreme Flutereignisse werden häufiger. Niederschläge werden im Winter in Nordeuropa zunehmen und im Sommer im Mittelmeerraum abnehmen. In der Region West- und Zentraleuropa werden mit hoher Wahrscheinlichkeit sowohl Überschwemmungen als auch Dürreperioden häufiger und extremer werden.
Reichste zehn Prozent verursachen fast die Hälfte der Emissionen
Trotz allem muss man davon ausgehen, dass im IPCC nicht nur die unabweisbaren wissenschaftlichen Daten und Fakten erhoben und analysiert, sondern auch politische Interessen abgewogen und ausgetragen werden. Es handelt sich um einen zwischenstaatlichen Ausschuss, finanziert vor allem aus Geldern der Europäischen Kommission und einzelner Länder. Ein Schelm, wer denkt, dass da Kapitalinteressen und Zwischenimperialistische Widersprüche keine Rolle spielen. Weltanschauliche Neutralität gibt es auch in der Naturwissenschaft nicht. Am wenigsten dann, wenn es um Prognosen und politische Empfehlungen geht.
Ein aktueller Vorfall macht das deutlich. Die Veröffentlichung des dritten Teils des sechsten IPCC-Sachstandsberichts ist für März 2022 geplant. Dieser soll sich mit Möglichkeiten der Minderung des Klimawandels beschäftigen – eine politisch noch viel streitbarere Frage als die naturwissenschaftlichen Aspekte des eben erschienenen ersten Teils. Eine spanische Gruppe von Wissenschaftern, die sich „Scientist Rebellion“ nennen, hat einen Entwurf für den dritten Teil als Leak veröffentlicht. Aus diesem Papier geht hervor, dass die reichsten zehn Prozent der Menschheit 36 bis 45 Prozent der globalen Emissionen verursachen, also zehnmal so viel wie die ärmsten zehn Prozent. Grund der Veröffentlichung war die Befürchtung, dass diese Schlussfolgerungen bis zum offiziellen Publikationstermin von den Mühlen des IPCC noch verwässert werden könnten. Immerhin haben Regierungen das Recht, Änderungen an der „Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger“ vorzunehmen.
Quelle: IPCC / junge Welt