Panama. Sämtliche 6600 Bananenarbeiter*innen des panamaischen Ablegers des US-schweizerischen Konzerns Chiquita werden aufgrund der andauernden Streiks entlassen. Chiquita ist für die rücksichtslose Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeitenden, für die Unterstützung autoritärer Regime und die Finanzierung paramilitärischer Gruppen berüchtigt, die für Morde und Vertreibungen verantwortlich sind.
Bereitwillige Schützenhilfe erhält der Konzern von der panamaischen Regierung, welche der Arbeiter*innen- und Volksbewegung nichts als Repressionen entgegenzusetzen weiß. Dabei kann der heutige Präsident Panamas José Raúl Mulino auf verbrecherische Vorerfahrungen zurückgreifen: Er hatte bereits im Jahr 2010 als damaliger Sicherheitsminister die gewaltsame Niederschlagung der Bananenproteste in Bocas del Toro zu verantworten, bei denen zwei Menschen starben und fast 50 Menschen durch Schrotkugeln Verletzungen erlitten.
Doch die Arbeiterklasse lässt sich nicht so leicht einschüchtern, sie ist kampferprobt und hartnäckig: Bereits in den Jahren 2022 und 2023 erhob sich die panamaische Arbeiter*innen- und Volksbewegung zu größeren Protesten. Im Jahr 2022 wurde vor allem gegen die extrem hohen und weiter steigenden Lebenserhaltungskosten protestiert, im Jahr 2023 gegen den Vertrag mit einem kanadischen Bergbauunternehmen, welcher die Souveränität des Landes bedrohte und die Umwelt gefährdete. Besonderer Dorn im Auge der Herrschenden: In beiden Fällen konnten die Protestierenden zumindest Teilerfolge erzielen.
Aktueller Anlass der seit April andauernden Proteste ist vor allem das Gesetz 462, das Pensionskürzungen und eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters mit sich bringt und darüber hinaus als Tor zur Privatisierung der Sozialversicherung gilt. Aus Sicht der Gewerkschaften werden dadurch Kosten der Wirtschaftskrise auf die Arbeiterklasse abgewälzt. Sie fordern daher mittels ihrer Streiks und vielfältigen weiteren Protestmaßnahmen die Aufhebung des umstrittenen Gesetzes. Weiters kämpfen die Protestierenden gegen den Ausverkauf des Landes durch das aktuelle Sicherheitsmemorandum zwischen USA und Panama, das die Stationierung von US-Streitkräften am Panama-Kanal bedeutet. In diesem Zusammenhang sind etwa Transparente mit der Aufschrift „Nein zu einer amerikanischen Kolonie in Panama“ zu lesen.
Ereignisse überschlagen sich
Ursprünglich waren es die Lehrer*innen im öffentlichen Dienst, die am 23. April in den unbefristeten Streik traten und Demonstrationen, Mahnwachen und andere Proteste organisierten. Seither überschlagen sich die Ereignisse. Es folgen sowohl verschärfter Klassenkampf von oben mittels willkürlicher Festnahmen und anderer Repressalien als auch verschärfter Klassenkampf von unten mittels Solidarisierung weiterer Organisationen: Bald lagen 95 % aller Baustellen lahm, nachdem sich die Baugewerkschaft Suntracs dem unbefristeten Streik anschloss. Massive Eingriffe in die Universitätsautonomie erfolgten im Zuge der Repressalien, welche von der Universität von Panama aufs Schärfte kritisiert wurde. Trotz der Repressionen zeigt die soziale Bewegung eine ungewöhnliche Stärke. Auch städtische Gemeinschaften haben sich den Protesten angeschlossen. Anfang Mai schlossen sich Gesundheitskräfte den Streiks an. Die seit 28. April ebenfalls streikenden Bananenarbeiter*innen in der Grenzregion zu Costa Rica wurden von Nationalpolizei und Nationalem Grenzschutz mit Tränengas und Schrotkugeln attackiert. Die Nationale Koordination der Indigenen Völker Panamas schlossen sich den Streiks an. Streikenden Lehrer*innen wurden die Gehälter vorenthalten. In den ersten drei Wochen wurden 196 Protestierende willkürlich verhaftet, darunter drei der Spitzengewerkschafter von Suntracs, deren Generalsekretär sich angesichts konkreter Drohungen gegen seine körperliche Unversehrtheit sogar veranlasst sah, in der bolivianischen Botschaft um Asyl anzusuchen. Bewaffnete Soldaten stürmten rechtswidrig das Hauptquartier der Gewerkschaft sowie weitere Räumlichkeiten von am Protest beteiligten Organisationen. Chiquita Panama meldete Mitte Mai, dass die Streiks Verluste von mindestens 75 Millionen Dollar bedeuteten. Die Arbeitsministerin wies Unternehmen an, die Gewerkschaftsbeiträge an das Arbeitsministerium anstatt, wie gesetzlich vorgeschrieben, an die Gewerkschaft zu überweisen. Mehr als 120 Gewerkschaftsmitglieder wurden wegen Teilnahme an den Protesten strafrechtlich verfolgt. Die Polizei blockiert die Provinz Bocas del Toro, um die Einfuhr von Lebensmittel, Flüssiggas und Medikamenten zu verhindern, wodurch gegen Artikel 33 der Vierten Genfer Konvention verstoßen wird, welcher Kollektivstrafen gegen die Zivilbevölkerung verbietet. Der Ausnahmezustand für dieselbe Region wurde ausgerufen. Ende Mai wurden zwei Anführerinnen der indigenen Gemeinschaft der Arimae festgenommen, Polizeikräfte samt Hubschrauber werden im Gebiet der Indigenen stationiert, ein junger Mann wurde angeschossen und starb wenig später.
Kapital herrscht immer autoritärer
Aufgrund der massiven Repressalien richtete Suntracs die Proteste zunehmend auch auf die Verteidigung der bürgerlichen Demokratie sowie der in der Verfassung verankerten Rechte aus. Indigene Vertreter*innen bezeichneten die panamaische Regierung als „eine Diktatur. Die Regierung missbraucht ihre öffentlichen Kräfte und zwingt Politiker mit Schlägen, Tritten und Tränengas aus ihren Häusern, ohne Rücksicht auf die Anwesenheit von Minderjährigen oder schutzbedürftigen Personen“. Der Generalkongress von Gunayala erklärte in seiner Erklärung, die Repression habe „mittlerweile ein Ausmaß erreicht, das das demokratische System Panamas völlig untergräbt und die Menschenrechte verletzt. Die Sicherheitskräfte sind, von der höchsten Regierungsführung instruiert, zum Töten ausgezogen. Nur ein diktatorisches System ist zu einer solchen Haltung fähig, und zwar ohne Reue.“ Der panamaische Politikwissenschaftler Richard Morales warnte seinerseits vor dem systematischen Einsatz öffentlicher Gewalt, der Kriminalisierung abweichender Meinungen und den Versuchen, das Land durch Militärabkommen und eine neoliberale Wirtschaftspolitik in ein „Protektorat“ der Vereinigten Staaten zu verwandeln. Die Nationale Front zur Verteidigung der wirtschaftlichen und sozialen Rechte (Frenadeso) prangerte den Obersten Gerichtshof als Komplizen der Exekutive an: „Der Oberste Gerichtshof schweigt, ist untätig und verzögert die Entscheidung über die ihm vorgelegten Berufungen. Er macht sich Mulinos Medienshow zunutze und bekräftigt, dass die Justiz in diesem Land selektiv ist “. Eine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hat Panama nun auf die Liste jener 24 Länder gesetzt, in denen die Gewerkschaftsfreiheit am stärksten unterdrückt wird.
Panama ist eines der reichsten Länder Lateinamerikas. Kapitalismus sei Dank grassiert jedoch zugleich die Armut: Jeder vierte Panamaer ist schwer arm. Besonders betroffen sind Frauen, die Bauernschaft sowie die indigene Bevölkerung. Panama ist das drittteuerste Land Lateinamerikas und zugleich dasjenige, das am drittstärksten von sozialer Ungleichheit betroffen ist.
Quellen: Telesur / Telesur / Telesur / Telesur / Telesur / Telesur / Telesur / Telesur / Telesur / Telesur / junge Welt / junge Welt