Waffen für Salafisten, Plünderungen unter Militärschutz und ein koloniales Kalkül: Israel verfolgt in Gaza eine Strategie, die das Elend der Zivilbevölkerung vertieft und bewaffnete Milizen gegen Hamas in Stellung bringt – mit gravierenden Folgen für die palästinensische Gesellschaft.
Während die Bombardierungen des Gazastreifens unvermindert andauern, kommt nun ein Skandal ans Licht, der das wahre Ausmaß israelischer Kriegsstrategie offenlegt: Die Regierung Netanjahu soll bewaffnete Milizen im südlichen Gaza ausrüsten – darunter Gruppen, die sich selbst offen mit dem sogenannten „Islamischen Staat“ (ISIS) identifizieren. Was zunächst wie eine Verschwörung klingt, wird nun von prominenten Stimmen innerhalb des israelischen Establishments bestätigt.
Avigdor Lieberman, ehemaliger Verteidigungs- und Finanzminister und heute Oppositionspolitiker, erhob in einem Interview vergangene Woche schwere Vorwürfe gegen die Regierung: Israel, so Lieberman, liefere gezielt leichte Waffen und Sturmgewehre an „kriminelle Familien“ in Gaza, die sich in den letzten Jahren salafistisch radikalisiert hätten. „Diese Waffen werden sich gegen uns richten“, warnte er. Die israelische Nachrichtensendung Channel 12 bestätigte zwischenzeitlich die Authentizität der Berichte – und sprach von einem Projekt des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet, das vom Premierminister, Verteidigungsminister und dem Generalstabschef gebilligt worden sei.
Im Zentrum der Affäre steht eine Figur namens Jasser Abu Shabab – Anführer einer rund 100 Mann starken Miliz im südlichen Rafah. Videos in sozialen Netzwerken zeigen seine Kämpfer in Uniformen mit Aufnähern, auf denen „Anti-Terror Service“ in Englisch und Arabisch zu lesen ist – ein zynischer Etikettenschwindel angesichts der Berichte über Plünderungen und Gewalt gegen die palästinensische Bevölkerung. Abu Shabab stammt aus einer berüchtigten Beduinenfamilie, der sogenannten Hamasha-Clan, der laut verschiedenen Quellen bereits zuvor durch kriminelle Aktivitäten auffiel – nun also unter israelischem Schutz mit politisch-religiösem Tarnanstrich als „Anti-Hamas“-Truppe bewaffnet.
Premierminister Netanjahu selbst bestätigte in einer Videobotschaft die Existenz der Zusammenarbeit: „Was ist daran falsch, dass wir auf Anraten unserer Sicherheitsdienste Gruppen in Gaza bewaffnen, die gegen Hamas kämpfen?“, fragte er rhetorisch. Die Antwort ergibt sich aus dem Kontext: Diese Milizen plündern Hilfsgüter, errichten eigene Lager, versprechen „Sicherheit und Nahrung“ – und dienen so letztlich der israelischen Besatzungsarmee als palästinensisches Feigenblatt, wie der Journalist Mohammed Schehada analysierte.
Bereits im Mai deckten lokale Berichte systematische Plünderungen in Gaza auf. Gemeinschaftsküchen, Lagerhäuser, ja sogar ein Hotel mit Vorräten für humanitäre Zwecke wurden von bewaffneten Gruppen überfallen. Israel beschuldigte und beschuldigt die Hamas Hilfslieferungen zu plündern, diese an die Bevölkerung teuer zu verkaufen, um damit Waffen und Kämpfer zu finanzieren. Immer wieder tauchten jedoch Hinweise auf, dass israelische Truppen aus der Luft zusahen – oder im schlimmsten Fall durch Angriffe auf Einsatzkräfte den Plünderern freie Bahn verschafften. In einem Fall wurde ein Polizeioffizier der Hamas offenbar durch eine israelische Drohne getötet, als er versuchte, gegen marodierende Gruppen vorzugehen. Die Hamas erklärte daraufhin, gegen diese „Kollaborateure“ mit „eiserner Faust“ vorzugehen – inklusive Hinrichtungen und Ausgangssperren.
Liebermans Äußerungen bestätigen tendenziell die Berichte aus dem Gazastreifen, dass diese Plünderungen zumindest in einigen Fällen mit Unterstützung der israelischen Armee erfolgen. Israel versucht alles, um den Menschen in Gaza jede Lebensgrundlage zu nehmen. Neu ist die Unterstützung für islamistische Gruppen durch Israel nicht. Auch im syrischen Bürgerkrieg hat Israel jahrelang islamistische Banden, die gegen die Baath-Regierung gekämpft haben mit Waffen, Logistik und Geld unterstützt. Die sogenannte Übergangsregierung in Syrien dankt es Israel mit Angriffen gegen Minderheiten bei gleichzeitiger Tolerierung der Ausweitung, der israelischen Besetzung von syrischen Territorium. Sogar ein Normalisierungsabkommen mit Israel steht im Raum.
Quelle: Haaretz/Jewish News/The CJ/jW/jW