Zwei Lenin-Denkmäler in einem Monat – das ist keine Zufälligkeit, sondern politische Absicht.
In Kirgisistan wurde innerhalb weniger Wochen zum zweiten Mal ein Lenin-Denkmal entfernt. Nach dem Abriss der 25 Meter hohen Statue in Osch – dem größten Lenin-Denkmal Zentralasiens – traf es nun auch ein Denkmal im Zentrum von Dschalalabat. Offiziell sprechen die Behörden von „baulichem Verfall“ und logistischen Gründen. Der Abbau sei „unpolitisch“, versichern Stadtverwaltungen, und bitten die Bevölkerung, das Thema nicht zu „emotionalisieren“. Doch gerade die Vehemenz, mit der politische Bedeutung bestritten wird, ist selbst ein politischer Akt.
Die Realität ist: Der Abbau von Lenin ist ein Angriff auf das historische Gedächtnis der Arbeiterklasse. Was hier zerstört wird, ist nicht bloß Zement oder Bronze, sondern die materielle Erinnerung an ein revolutionäres Projekt, das weltweit Millionen Arbeiterinnen und Arbeitern Hoffnung gab – und auch in Zentralasien tiefe Spuren hinterlassen hat.
In Osch wie in Dschalalabat verweisen Stadtverwaltungen auf technischen Verfall oder logistische Notwendigkeiten. Doch warum wird dann kein neuer Standort gesucht, sondern die Statuen schlicht eingelagert – oder im Fall von Osch: zerstört? Warum wird ein Symbol jahrzehntelanger sozialistischer Entwicklung ersatzlos entfernt, obwohl eine Mehrheit der kirgisischen Bevölkerung laut Umfragen den Zerfall der Sowjetunion als Verlust begreift?
Der Vorwurf der Kommunistischen Partei Kirgisistans ist eindeutig: Die Abrisse dienen der kommerziellen Umgestaltung des öffentlichen Raums, der Auslöschung sowjetischer Geschichte zugunsten neoliberaler Stadtplanung und nationalistischer Re-Identifikation. Lenin stört dabei – nicht als Figur, sondern als Erinnerung. Als Gedächtnis an eine Zeit, in der Bildung, Gesundheit und Arbeit keine Ware, sondern ein Recht waren. Diese Angriffe sind keine kirgisische Besonderheit. Im gesamten postsowjetischen Raum sehen wir, wie unter dem Deckmantel der „Entkommunisierung“ ein ideologischer Großangriff auf die sozialistische Vergangenheit geführt wird. In der Ukraine, im Baltikum, in Georgien – und nun auch verstärkt in Zentralasien. Es geht um eine symbolische Offensive an der ideologischen Front des Klassenkampfes. Die Herrschenden wissen: Wer die Geschichte kontrolliert, kontrolliert auch die Zukunft.
Doch auch das wissen sie: Kein Regime, keine Statue und keine Abrissbirne kann die Idee zerstören, für die Lenin stand. Die Hoffnung auf eine Welt jenseits von Ausbeutung, Imperialismus und Elend lebt weiter. Jedes zerstörte Denkmal ist ein Eingeständnis der Angst – nicht vor Stein, sondern vor der Erinnerung, vor der Idee.
Quelle: rikpunKt