Die Gruppenvergewaltigung und Ermordung eines neunjährigen Dalit-Mädchens in Purana Nangal zeigt die schrecklichen Zustände des Landes auf, wenn es darum geht, den Mord an Menschen aus ärmeren Volksschichten aufzuklären.
Purana Nangal. Indien zählt mehr als 1,3 Milliarden Einwohner, nur zu oft gerät es in die Schlagzeilen wegen brutalen Misshandlungen der weiblichen Bevölkerung, sei es in Form häuslicher Gewalt, Vergewaltigung oder Mord. Statistisch gesehen wird jede Viertelstunde ein Mädchen oder eine Frau vergewaltigt, Frauenrechtsaktivistinnen und ‑aktivisten gehen indes von noch höheren inoffiziellen Zahlen aus. Dieses Mal traf es ein neunjähriges Mädchen aus einer Dalit-Familie.
Priester und seine Schergen im Verdacht
Am 1. August wurde das Mädchen von seinen Eltern zum nahegelegenen Krematorium geschickt, um Wasser zu holen. Das Mädchen kam jedoch nicht zurück und gegen 18:00 Uhr wurde die Mutter des Kindes zum Krematorium gerufen. Dort fand sie nur mehr den leblosen Körper der Tochter vor, ihrer Aussage nach mit Verbrennungen am Handgelenk und am Ellbogen und einer Blaufärbung der Lippen. Von den am Körper sichtbaren Verletzungen ausgehend, vermutete die Mutter nicht nur Mord, sondern auch eine Vergewaltigung. Im Mittelpunkt des Verdachts steht ein hinduistischer Priester und drei weitere ihm nahestehende Männer. Die mutmaßlichen Täter wurden auch festgenommen.
Dieser riet nämlich der Mutter, die Leiche des Kindes so schnell als möglich im Krematorium einäschern (sprich: verschwinden) zu lassen und die Polizei nicht zu informieren. Dies unter dem Vorwand, der Körper des Kindes könnte im Falle einer längeren polizeilichen Untersuchung Opfer von Organhändlern werden. Die Leiche des Mädchens wurde daraufhin tatsächlich im Krematorium eingeäschert, wodurch der genaue Tathergang nur mehr schwer ohne Zeugen rekonstruiert werden konnte. Dass die zutiefst erschütterte Mutter auf den Moment ihre Zustimmung zu diesem Prozedere gegeben hat, ist inzwischen umstritten.
Diskriminierende Ermittlungen
Brinda Karat, Mitglied des Politbüros der Kommunistischen Partei Indiens (Marxisten), der die Familie gestern besucht und mit ihr gesprochen hat, geht davon aus, dass das Kind gegen den Willen der Mutter, „als sie sich in einem Zustand des Traumas und des Schocks befand“, verbrannt worden war. Auch die Gemeinde, in der Familie lebt, sei „deshalb wütend, weil junge Mädchen nach traditionellem Brauch begraben und nicht verbrannt werden.“ In einem Brief an den Innenminister Amit Shah (BJP) deckt Brinda Karat (CPI(M)) mehrere Missstände der Polizeiarbeit auf: Anstatt der Familie zu helfen, wurden sie in ihrem traumatischen Zustand über mehrere Stunden hinweg in der Polizeistation festgesetzt, was „unmenschlich und gänzlich illegal“ sei, weiters wurden der Familie daraufhin die Unterlagen der Anzeige so lange vorenthalten, bis sie von der Gemeinde eingefordert werden mussten. Obwohl die Familie zur Gruppe der Dalit und somit zu den Scheduled Tribes zählt, wurden ihnen die dazugehörigen Minderheitenschutz-Rechte verwehrt, die etwa die Einordnung des Falls in die Kategorie Verbrechen aus Hass und des Prevention-of-Atrocities-Act vorsehen würden.
Ein Verbrechen in mehrfacher Hinsicht
Brinda Karat schildert die Situation der Familie folgendermaßen:
„Die Schuld des Kindes besteht darin, dass es zu einer armen, dalitischen, obdachlosen Familie gehört. […] Ihre Familie hat kein Dach über dem Kopf, ihre Eltern sind arbeitslos und arbeiten gelegentlich als Straßenkehrer oder Lumpensammler. Sie war das einzige Kind in der Familie und wurde spät geboren. Umso wertvoller war sie. Ihre Ermordung ist ein Verbrechen in vielfacher Hinsicht. Hinzu kommt die Einschüchterung und illegale Inhaftierung ihrer Eltern. Die Menschen in der Gegend sagen, dass dies darauf zurückzuführen sei, dass die Mächtigen in der Gegend die Verbrecher schützen. Auch darf man nicht vergessen, dass es in der gleichen Gegend bereits zwei Vergewaltigungen gegeben hat.“
Brinda Karat und die CPI(M) forderten deshalb den Innenminister Amit Schah (BJP) zu Dienst nach Vorschrift auf und tatsächliche Anstrengungen zur Lösung des Falls in die Wege zu leiten. Der Familie stehe eine Entschädigung zu und die in der fehlerhaften Abwicklung des Falls involvierten Polizeikräfte müssten bestraft werden.
Arvind Kejriwal, Regierungschef von Neu-Delhi, kündigte inzwischen eine Entschädigung von 10.000 Rupien, d.h. ca. 113 Euro, und eine Untersuchung des Falls an.