Wien. Wieder ein Monat, wieder eine schlechte Nachricht vom AMS: 375.120 Menschen sind arbeitslos oder in Schulung, 20.455 mehr als vor einem Jahr. Die Quote klettert auf sieben Prozent, seit 30 Monaten steigen die Zahlen ununterbrochen. „Nichts Erfreuliches“ gäbe es zu berichten, so AMS-Chef Johannes Kopf. Ein Euphemismus dafür, dass Zehntausende Existenzen zerschlagen werden, weil die Profite nicht mehr stimmen.
Die Realität: Lenzing streicht Jobs, Unimarkt sperrt zu und die Industrie verlagert ins billige Ausland. Das sind keine Naturkatastrophen, sondern Klassenpolitik. In der „längsten Konjunkturkrise der Zweiten Republik“ werden Beschäftigte zu variablen Kostenstellen gemacht. Für die Konzerne heißt das „Transformation“ und „Effizienzsteigerung“. Für die Menschen heißt das Arbeitslosigkeit, AMS-Schikanen, prekäre Jobs, Armut.
Das AMS spricht von „statistischen Effekten“ im Gesundheits- und Sozialbereich, weil ausgegliederte Pflegearbeit plötzlich als „Arbeitslosigkeit in der Branche“ erscheint. In Wahrheit bedeutet das: Deregulierung und Privatisierung machen Pflegekräfte austauschbar, Verträge prekär, Absicherung weg. Die zuständige Arbeits- und Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ) appelliert an „mehr Verständnis der Arbeitgeber für Ältere“. Als ob die 55-Jährigen ohne Job nur eine Chance bräuchten, nett zu bitten. Tatsächlich ist Altersarbeitslosigkeit systematisch gewollt: Alte raus, Junge rein, billiger, flexibler. Die FPÖ ruft nach „Lösungen der Regierung“ – und meint damit nicht höhere Löhne oder Kündigungsschutz, sondern mehr Druck auf Erwerbslose. Die WKO und IV jammern über „Bürokratie“ und fordern „Strukturreformen“. Übersetzung: Noch weniger Schutz, noch leichter kündigen, noch billiger beschäftigen. Und der Wirtschaftsbund halluziniert von „Sozialleistungsmissbrauch“. Für die Reichen ist schließlich klar: Arbeitslose sind nicht Opfer der Krise, sondern Täter.
Und währenddessen sinken die offenen Stellen um 14 Prozent. AMS Wien rät Arbeitslosen, im Winter „einfach in einem anderen Bundesland zu jobben“. Als ob Menschen mit Familien, Verpflichtungen und Wohnkosten Nomaden wären, die man je nach Konjunktur in die Täler oder Tourismusgebiete schicken kann. Das ist keine „Lösung“, das ist blanker Hohn.
Die Wahrheit ist so schlicht wie brutal: Der Kapitalismus kennt in der Krise nur „Kosten“. Menschen sind nichts weiter als Posten in der Bilanz. Heute Beschäftigte, morgen überflüssig. Der Staat hilft, indem er sie in AMS-Kurse „parkt“ und so die Statistik glättet. Die Gewerkschaften fordern Sozialpläne, die Arbeiterkammer bittet um höhere Nettoersatzrate – Tropfen auf den heißen Stein, nichts anderes.
In den Chefetagen heißt das „Konjunkturflaute“. Für die Lohnabhängigen heißt es: unsichere Jobs, sinkende Reallöhne, Angst vor Kündigung, Leben von 60 Prozent des letzten Einkommens. Während Millionen von uns mit steigenden Mieten, Energiepreisen und Lebensmittelkosten kämpfen, schwadroniert die „Sozialpartnerschaft“ über Reformen.
Die steigenden Arbeitslosenzahlen sind kein Betriebsunfall, sie sind das Betriebsmodell: Profite wandern in die Taschen der Aktionäre, Verluste werden der Allgemeinheit aufgebürdet. Und solange sich die Arbeiterklasse nicht organisiert dagegenstemmt, werden uns die Herren in Anzug und Ministeramt weiter einreden, wir müssten Verzicht üben, uns krumm schuften und den Gürtel enger schnallen – damit ihre Bilanzen glänzen und ihre Dividenden sprudeln. Das ist kein Missstand, das ist Klassenkrieg von oben.
Quelle: ORF