Zum Muttertag wird gedankt, beschenkt und glorifiziert. Doch hinter Blumensträußen und Werbeslogans verbirgt sich eine bittere Realität: Im Kapitalismus wird Mutterschaft idealisiert – gleichzeitig aber mit unlösbaren Widersprüchen überfrachtet. Wer Mutter ist, soll selbstlos lieben, emotional versorgen, geduldig erziehen und gleichzeitig ökonomisch verwertbar bleiben. Dieser doppelte Anspruch ist kein individuelles Problem, sondern Ausdruck der strukturellen Unvereinbarkeit von Familie und Lohnarbeit im Kapitalismus, in dem Reporduktionsarbeit individualisiert und Frauen übertragen ist.
Was „gute Mutterschaft“ bedeutet, ist gesellschaftlich in Österreich klar definiert – und zwar entlang eines bürgerlich-konservativen Ideals: Die Mutter ist zuständig für das emotionale Wohl der Kinder, opfert sich auf, stellt ihre Bedürfnisse hintan, ist stets verfügbar und liebt mit einem Lächeln. Das Ideal ist omnipräsent. Studien zeigen, dass selbst jene Mütter, die berufstätig sind, versuchen, diesem Ideal zu entsprechen – und dabei in eine permanente Emotionsarbeit gezwungen werden. Sie sollen nicht nur betreuen, sondern dabei auch glücklich wirken. Die „glückliche Mutter“ wird zur neoliberalen Norm – ihre Schuldgefühle zur psychischen Begleiterscheinung.
Denn in Wahrheit stehen Mütter unter Druck: ökonomisch, sozial, psychisch. Der Spagat zwischen Lohnarbeit und Sorgearbeit ist kaum zu bewältigen. Teilzeitjobs, prekäre Beschäftigung und Abhängigkeit vom Partnereinkommen sind Alltag für viele Frauen. Und während der Staat die Vereinbarkeit von Beruf und Familie beschwört, bleibt die Realität eine andere: Es sind vor allem Frauen, die sich in Teilzeit zurückziehen, um die unbezahlte Arbeit zu leisten, die unsere Gesellschaft am Laufen hält – ohne Anerkennung, ohne gerechte Verteilung, ohne soziale Absicherung. Die Vereinbarkeit ist unter kapitalistischen Verhältnissen schlicht eine Illusion, die bei Müttern zu Widerspruchserfahrungen führen, die vielfach als individuell erfahren werden und so auch verarbeitet werden müssen, was dazu führt, dass das Wohlbefinden von Müttern immer häufiger eingeschränkt ist und es zu Phänomen wie Elternburnout kommt.
Das kapitalistische System braucht Mutterschaft – aber nur zu seinen Bedingungen. Frauen sollen Kinder bekommen und sie möglichst effizient zu arbeitsfähigen Subjekten heranziehen. Doch dabei sollen sie bloß keine gesellschaftlichen Ansprüche stellen: auf Zeit, auf Ressourcen, auf Gleichverteilung. Stattdessen wird Verantwortung individualisiert – Versagen wird personalisiert, nicht politisiert. Wer es „nicht schafft“, wird als unfähige Mutter markiert, nicht als Opfer struktureller Ausbeutung.
Die kapitalistische Logik macht Mutterschaft zur Falle: Sie wird moralisch überhöht und materiell entwertet. Solange Reproduktions und somit Sorgearbeit nicht kollektiv organisiert, sondern privat „gelöst“ werden soll, bleiben Frauen die Leidtragenden. Gleichberechtigung ist unter diesen Bedingungen eine Illusion. Nicht der Muttertag, sondern die restlichen 364 Tage im Jahr zeigen, wie ernst es einer Gesellschaft mit der Wertschätzung von Mutterschaft wirklich ist.