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Saisonarbeiter: Hauptsache billig und willig!

Otto Bruckner, stv. Vorsitzender der Partei der Arbeit (PdA)

Mit großem Trara verkündete Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger zu Beginn der Corona-Krise, es werde eine Plattform (dielebensmittelhelfer​.at) eingerichtet, auf der arbeitswillige Erntehelfer und Betriebe, die solche suchen, zusammenkommen sollen. Inzwischen wurde es leise um diese Plattform. Es haben sich zwar mittlerweile 20.000 Menschen gemeldet, die Bauern haben allerdings kaum welche eingestellt. Hauptproblem sind die Niedriglöhne und schlechten Arbeitsbedingungen. Auch der Lebensmittelindustrie sollte diese Plattform dienen. Jedoch gibt es auch in diesem Bereich kaum Anstellungen, wie zu erfahren ist. In Tirol gibt es indessen schwere Vorwürfe gegen eine Leiharbeitsfirma, die Erntehelferinnen und ‑helfer vermittelt.

Es wird argumentiert, dass es zu langwierig wäre, neue Kräfte anzulernen, sei es für das Spargelernten oder das Fleischzerlegen. Außerdem, so klagen vor allem die Großbauern, hätten die Bewerberinnen und Bewerber unrealistische Wunschvorstellungen, was die Bezahlung und die Arbeitszeiten betrifft. Manche wollten nur Teilzeit arbeiten, wieder andere auf keinen Fall am Wochenende, und die wenigsten sind bereit, für den angebotenen Lohn tätig zu werden. Kasernieren wollen sich überhaupt die Wenigsten lassen. Als Drehscheibe der Vermittlung wurde der Maschinenring, eine Organisation der Raiffeisen-Lagerhausgruppe, die unter anderem auch in der Vermittlung von Leiharbeitskräften aktiv ist, beauftragt. Wie es im Reich des Bauernbundes, dessen Vizepräsidentin Ministerin Köstinger ist, üblich ist. Aber auch der Maschinenring hatte in der Vermittlung bisher nur mäßigen Erfolg.

Studentische Fachkräfte auch nicht gefragt

Selbst die Studentinnen und Studenten der Universität für Bodenkultur in Wien haben keine Chance, von den Bauern eingestellt zu werden. Ihre Universität würde ihnen den Ernteeinsatz als Praktikum anrechnen, ebenso wie die Medizinische Universität Wien den künftigen Medizinerinnen und Medizinern. Im Ö1-Mittagsjorunal vom 10.04. beklagten sich Studierende, dass sie bisher überhaupt keine Angebote erhalten haben, obwohl ja gerade die Boku-Studierende Fachkräfte wären, die in ihrem Studium in Theorie und Praxis mit der Landwirtschaft vertraut gemacht werden.

Normalerweise sind etwa 5.000 Saisonarbeiterinnen und –arbeiter auf Österreichs Feldern im Einsatz. Sie kommen vor allem aus Polen, Bulgarien, Rumänien, der Ukraine, aber auch aus unmittelbaren Nachbarländern wie Ungarn, der Slowakei, Slowenien und Tschechien. Während die Arbeiterinnen und Arbeiter aus den grenznahen Bereichen meist Tagespendler sind, werden die Kolleginnen und Kollegen, die von weiter her kommen, kaserniert. Das heißt, sie arbeiten und schlafen auf den Höfen der Bauern. Wie von gewerkschaftlicher Seite immer wieder aufgedeckt wird, werden nicht einmal die ohnehin niedrigen Kollektivvertragslöhne, die noch dazu von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich hoch sind, bezahlt, sondern diese noch weit unterschritten. Vom kärglichen Lohn von gerade einmal 1.000–1.200 Euro, und das meist für wesentlich mehr Stunden als 40, kassieren profitgierige Bauern dann auch oft noch Geld für die engen Quartiere, nicht selten 200 Euro und mehr pro Monat. Hauptsache ist, dass die Saisonarbeiterinnen und ‑arbeiter billig und willig sind.

Schwere Vorwürfe in Tirol

In Tirol werden von Arbeiterkammer und Gewerkschaft ProGe schwere Vorwürfe gegenüber einer Firma erhoben, die normalerweise in der Arbeitsvermittlung für Tourismusbetriebe tätig ist, und sich nun auch in das Erntehelfergeschäft gedrängt hat, wie eine lokale Bezirkszeitung und die Tageszeitung „Der Standard“ berichten. Das Geschäftsmodell funktioniert so: Die Firma Immoservice24 vermittelt Erntehelfer an Tiroler Bauern. Diese bezahlen pro Person und Arbeitstag, der 7,5 Stunden dauert, pauschal 120 Euro netto an Immoservice24 – auf Werkvertragsbasis. Die Leiharbeitsfirma wiederum stellt die Erntehelferinnen und ‑helfer nach dem Kollektivvertrag für Angestellte im Gewerbe an, was billiger ist, als wenn sie korrekt als Leiharbeitskräfte und damit als Arbeiterinnen und Arbeiter angemeldet wären. Dazu sagt der ProGe-Landessekretär Bernard Höfler: „Das ist klares Lohn- und Sozialdumping. Es ist ein Skandal, wenn man aus dieser Krise und der Not auch noch Geld machen will.“ Höfler sieht in dem Konstrukt zudem eine gesetzlich verbotene Leiharbeit auf Werkvertragsbasis. Dieses Modell widerspreche klar dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz.

Drei Personen, die bei Immoservice24 als Teilzeit-Erntehelferinnen und ‑helfer angeheuert haben, sagten gegenüber der Zeitung „Der Standard“, man habe ihnen nur eine geringfügige Beschäftigung angeboten. Für Leistung über die Geringfügigkeitsgrenze hinaus habe ihnen der Geschäftsführer und Eigentümer von Immoservice24, Patrick Steffens zugesagt, „schwarz zu zahlen“. Diese Darstellung weist Steffens entschieden zurück. Man habe mittlerweile die Dienstverträge abgeändert, wer über die Geringfügigkeitsgrenze arbeite, erhalte eine dementsprechende Anstellung. Warum dennoch wöchentlich bezahlt werde, begründet er damit, dass es im Sinne der Dienstnehmerinnen und ‑nehmer sei, dass „schnell Geld fließt“.

„Team Österreich“ auf den Feldern?

In einer patriotischen Aufwallung sprechen die Agrarfunktionäre und Minister nun von „unserer Ernte“, die es zu retten gilt. Der Präsident der Landwirtschaftskammer, Josef Moosbrugger etwa, sieht uns alle in der nationalen Pflicht: „Jetzt gilt es, als Team Österreich zusammenzuhalten und gemeinsam die Ernte von unseren Feldern zu holen!“

Als die Agrarfunktionäre merkten, dass die Plattform nicht funktioniert, schrien sie danach, die Erntehelfer und ‑helferinnen aus ihren Herkunftsländern einzufliegen, wie das Deutschland bereits begonnen hat.

Diese Leute kennen keine Scham: Sie werden sowieso staatlich subventioniert. Das Geld, das die große Masse der Werktätigen in Form ihrer Steuern bezahlt, wird zu einem Teil als Österreichs EU-Beitrag nach Brüssel geschickt. Der größte Brocken, der von dort wieder zurückkommt, ist die Agrarförderung, und das natürlich vor allem an die Großbauern und Großgrundbesitzer. Die Werktätigen müssen also sowieso schon für diese Branche bezahlen. Und jetzt sollen wir ihnen auch noch Flüge bezahlen, mit denen sie ihre Billigarbeitskräfte ins Land holen wollen?

Seit einigen Jahren gibt es die Kampagne sezonieri​.at, die von der Gewerkschaft ProGe gemeinsam mit Initiativen von und für Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeiter geschaffen wurde. In Bezugnahme auf die aktuelle Corona-bedingte Krise fordert die ProGe (proge​.at) ordentliche Lohnerhöhungen und bestmöglichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten.

24h-Pflege … moderne Sklavenarbeit?

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Marie Jaeger, Mitglied der Partei der Arbeit Österreichs und Soziologin

2007 ist in Österreich das Modell der 24h-Pflege legalisiert worden. Hier kommen osteuropäische Pflegerinnen* und kümmern sich in einer Unterbietung hiesiger Arbeitsstandards um Pflegebedürftige. Dieses Modell ist dem geschuldet, dass in Österreich die Meinung vorherrscht, dass man so lange wie möglich zuhause leben und hier umsorgt werden sollte. Früher wurde diese Pflege oft durch Töchter oder Schwiegertöchter übernommen, mit der zunehmenden Frauenerwerbsarbeit ist das aber nicht mehr in dem Ausmaß möglich. Ins Altenheim möchte man die lieben Angehörigen jedoch auch nicht geben, das Altern im Kreis der Familie bleibt das Ideal. Vor diesem Hintergrund hat sich für die besser verdienenden Familien in Österreich dieses Modell etabliert, was eine vermeintliche Win-Win-Situation für die Pflegerinnen und diejenigen, die es in Anspruch nehmen, sei.

Da österreichische Pflegerinnen unter Einhaltung der Arbeitsstandards teurer wären, wenn sie 24 Stunden, sieben Tage die Woche arbeiten würden, wurde sich für das Modell der Migrantin, die in den Haushalten der zu betreuenden Person wohnt, entschieden. Dies hat neben dem, dass diese für weniger Geld arbeitet, auch den Vorteil, dass man quasi unbegrenzten Zugriff 24 Stunden am Tag auf die Betreuerin hat. Es gibt keine geregelten Pausenzeiten, es gibt keine geregelten Ruhezeiten und es gibt auch kaum eine Beschränkung auf Arbeitsinhalte, i.d.R. ist die Pflegerin neben der pflegerischen und betreuenden Arbeit auch für den ganzen Haushalt zuständig. Das heißt, sie muss putzen, waschen, einkaufen, kochen und was sonst noch so anfällt, teilweise sogar für die berufstätigen Angehörigen mit.

Corona verschärft die Situation der Pflegerinnen weiter

Die formal selbstständigen Pflegerinnen – die meistens aus Rumänien oder der Slowakei stammen – werden in Österreich vielfach über Agenturen vermittelt. Normalerweise werden einer Familie zwei Betreuerinnen zugeteilt, die alle 3–4 Wochen wechseln. Diese Radl funktioniert aktuell unter den Vorzeichen von Corona nicht mehr ohne weiteres. Rumänien hat die Grenzen dichtgemacht und Österreich ist auch restriktiv bei der Einreise. Bundesländer setzen deswegen nun Maßnahmen, um den Pflegenotstand in der Altenpflege zu verhindern. Sie bieten den Betreuerinnen einen Bonus an, damit sie bleiben, in Oberösterreich bspw. 1.000 €. Es bleibt aber nicht nur bei netten Angeboten, der Druck auf die Pflegerinnen in Österreich zu bleiben nimmt zu, auch emotional. Sie fühlen sich den Betreuten gegenüber verpflichtet. Zumal Familienmitglieder aktuell laut Berichten noch seltener zu ihren Angehörigen fahren um Ansteckungen zu vermeiden. Die Pflegerinnen haben auch Angst in Zukunft nicht mehr kommen zu können.

Parallel wird versucht neue Arbeitskräfte einzufliegen, um dem Bedarf zu begegnen. Betreuerinnen werden nun aus Osteuropa eingeflogen, nicht getestet und dann zwei Wochen in Schwechat in einem Hotel isoliert, um sicherzugehen, dass sie gesund sind. Diese zwei Wochen sind unbezahlt. Danach geht es an den Haushalt und man arbeitet je nach Agentur für einen Stundenlohn von etwa 2 €. Nachdem die Betreuerinnen dann in ihre Heimatländer zurückkehren ist für sie wieder zwei Wochen Isolation angesagt, bevor sie in ihre freie Zeit mit der Familie starten können. Somit verringert sich der Lohn weiter, da er für eine längere Dauer der Reproduktion – die auch die Isolation umfasst – dienen muss. Im vergangen Jahr wurden außerdem Sozialleistungen, wie bspw. die Familienbeihilfe, von Österreich auf des Niveau der Heimatländer gekürzt. So wurde die Überausbeutung der Betreuerinnen noch einmal intensiviert und wird dies aktuell erneut. All diese Dinge bleiben fast unbemerkt von der Öffentlichkeit, weil es im Privaten stattfindet. Lediglich der Engpass an Pflegerinnen führt zu einem Aufschrei.

* Wir verwenden hier die weibliche Form, da es sich bei den Arbeitskräften fast ausschließlich um Frauen handelt.

„Klatschen ist lächerlich“

Der Einzelhandel reagiert zwar auf die Pandemie, spart sonst aber beim Personal. Lukas Haslwanter, PdA-Mitglied und Angestellter im Einzelhandel, ist auch von der Gewerkschaft verärgert und fürchtet um seine Gesundheit.

Die Fragen stellte Marie Jaeger, Mitglied der Partei der Arbeit Österreichs.

Der Lebensmittelhandel ist ja aktuell neben dem Gesundheitsbereich eine der Branchen, die in der Öffentlichkeit viel Beachtung finden, weil er systemrelevant ist. Du arbeitest ja schon seit einigen Jahren in dem Bereich, hast du den Eindruck, dass sich der Umgang von Kundinnen und Kunden mit dir und deinen Kolleginnen und Kollegen geändert hat?

Nein, diesen Eindruck habe ich nicht. Wer vor der Corona Krise unfreundlich war, ist es meist auch jetzt. Beispielsweise hat mir ein Kollege erzählt, dass er letztens mit einem Kunden ein Problem hatte, weil dieser a) keinen Mund- und Nasenschutz aufsetzen wollte und b) auch keinen Einkaufswagen zum Einkaufen verwenden wollte. Als der Kollege ihn darauf hinwies, dass er ohne nicht den Laden betreten dürfte, hat der Kunde bei der Kundenhotline angerufen und sich über den Kollegen beschwert, dieser hätte ihn ausgelacht und beschimpft. Das einzige was sich kurzzeitig geändert hatte ist, dass die Leute mehr Trinkgeld gegeben haben.

Es wurde ja an einigen Abenden in Österreich für die Leute geklatscht und es gibt von einigen Ketten sogenannte Corona-Prämien. Bringt das einem eine höhere Zufriedenheit und macht es ertragbarer, dass man einem solchen Risiko ausgesetzt wird?

Das Klatschen ist lächerlich. Das können sich die Klatscher gerne schenken, davon werde ich weder satt noch kann ich meine Miete bezahlen. Ähnlich verhält es sich mit den Corona-Prämien. Auf den ersten Blick sind beides schöne und nette Gesten. Fakt ist aber, dass die Corona-Prämien von den Unternehmen nur bezahlt werden, um Mitabeiterinnen und Mitarbeiter sowie eventuelle gewerkschaftliche Forderungen abzuwiegeln. Die Handelskonzerne ersparen es sich so, mit ihren Angestellten über eine Sondergefahrenzulage zu diskutieren. Diese würde wesentlich höher ausfallen, müsste sie doch die gesamte Corona-Zeit hindurch bezahlt werden. Viele Kolleginnen und Kollegen lassen sich damit leider abspeisen. Bei dem Konzern, für den ich arbeite, sind es für Vollzeitkräfte einmal 150 Euro Gutscheine, für Teilzeitkräfte 100 Euro und für Geringfügige 50 Euro zum Einkaufen – dort wo man angestellt ist. Das Geld bleibt also beim Konzern.

Hat sich sonst der Arbeitsalltag verändert? Gibt es viele Krankenstände, neue Aufgaben? Wie gehen du und deine Kolleginnen und Kollegen damit um, dass ihr einem so hohem Risiko ausgesetzt seid, dass ihr euch anstecken könnt, weil ihr den Kundinnen und Kunden nicht aus dem Weg gehen könnt?

Ich kann schwer beurteilen, ob sich der Arbeitsalltag allgemein verändert hat. Was ich aber sagen kann, ist, dass der Einzelhandelskonzern für den ich arbeite, bereits vor der Corona-Krise mit einer äußerst dünnen Personaldecke gearbeitet hat und beständig bemüht war, Personalkosten zu reduzieren, sprich Personal abzubauen. Das wirkt sich jetzt natürlich katastrophal aus. In meiner Filiale, einer kleinen Filiale am Stadtrand, sind von sieben regulären Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vier im Krankenstand und einer hat gekündigt. Wir bekommen zwar Aushilfen aus anderen Filialen, trotzdem mussten sowohl ich, als auch meine Kollegin bereits Vormittage bzw. Nachmittage alleine arbeiten.

Grundsätzlich ist das Risiko einer Ansteckung bei uns im Betrieb auf ein Minimum reduziert. Wir haben von Anfang an Desinfektionsmittel erhalten, an der Kasse wurde ein Schutz aus Plexiglas angebracht und wir haben schon bereits bevor es vorgeschrieben war Mund- und Nasenschutz sowie Plastikhandschuhe erhalten. Aber natürlich lässt sich beim Arbeiten nicht immer ein Mindestabstand von einem Meter einhalten.

Welche Schutzmaßnahmen hat deine Kette noch gesetzt? Hast du den Eindruck, die Gewerkschaft unterstützt euch angemessen in dieser Situation? Gibt es Kontrollen, ob die Maßnahmen eingehalten werden?

Wie ich bereits erzählt habe, hat das Unternehmen schon sehr früh weitgehende Maßnahmen getroffen, um uns zu schützen, aber auch, und das darf nicht unterschätzt werden, um den Kundinnen und Kunden ein Gefühl von Sicherheit zu geben, dass man auch um ihren Schutz bemüht ist.

Die Gewerkschaft hat zwar gemeinsam mit der Arbeiterkammer eine Hotline für Fragen zum Arbeitsrecht und Corona eingerichtet, unterstützt fühle ich mich von der Gewerkschaftsführung allerdings nicht. Einerseits ist mein Eindruck, sind die Gewerkschaftsführung und große Teile des Apparats bis hinunter zu den Betriebsräten bereit, alles mitzutragen, solange man nur auch ein paar Worte bei der Pressekonferenz sagen darf. Andererseits werden völlig überzogene und unrealistische Forderungen gestellt. Anstatt den Fokus auf Sondergefahrenzulagen oder ähnliches zu legen, propagiert die GPA-djp ein 15. Gehalt für Angestellte im Einzelhandel.

Ein weiteres fragwürdiges Erlebnis mit dem hauptamtlichen Gewerkschaftsapparat war auch das folgende: Als die Kollegin alleine arbeiten musste und danach auch ich, habe ich den zuständigen Gewerkschafter angerufen und mich erkundigt, ob das überhaupt arbeitsrechtlich möglich wäre. Daraufhin erhielt ich die lapidare Antwort, dass meine Kollegin erstmal GPA-djp Mitglied werden solle, davor würden sie keine Auskunft geben. Als ich darauf hinwies, dass auch ich betroffen bin und ja bereits seit langem GPA-djp Mitglied bin, wurde ich mit der Antwort abgespeist, dass das alles möglich ist und man leider nix machen kann. Zusammengefasst kann man sagen: Danke für nichts.

Es gibt nun ja Töne, insbesondere aus der IV und WKÖ aber auch die Ankündigung der Regierung, dass eine Lockerung der Maßnahmen stattfinden soll. Glaubst du, das bedeutet Entlastung für euch, weil dann auch die Hamsterkäufe aufhören und die Normalität Einzug hält?

Nein, die Ankündigungen der Regierung halte ich für mehr als problematisch. Die Hamsterkäufe sind längst vorbei. Diese haben in den ersten Tagen der Corona-Krise stattgefunden, dafür musste keine Rückkehr zum Normalzustand verkündet werden. Vielmehr ist mein Eindruck, dass die Regierung bereit ist, die Gesundheit des Volkes den Profiten einiger Unternehmen zu opfern.

Wir werden sehen, wie sich die Situation in den nächsten Wochen entwickelt. Allerdings denke ich, dass sich die Situation für uns im Wesentlichen verschlechtert, denn umso mehr die Menschen zusammenkommen, desto höher ist auch für uns das Risiko, dass wir uns bei der Arbeit mit dem Virus infizieren.

Lukas Haslwanter (30) ist Mitglied des Parteivorstands der Partei der Arbeit. Er war lange Kader der Kommunistischen Jugend Österreichs, ist Gewerkschafter und arbeitet seit ein paar Jahren im Einzelhandel. Lukas studiert Geschichte an der Universität Innsbruck.

„Extra Stress“

Die Belastung für die stationäre Altenpflege nimmt in der Corona-Krise zu, erzählt eine anonyme Altenpflegerin aus Ostösterreich. Kolleginnen und Kollegen aus der Covid-Risikogruppe sind nicht ausgenommen.

Wie erleben du und deine Kolleginnen und Kollegen euren Arbeitsplatz im Altersheim seit der Corona-Pandemie?

Wir haben viele Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland, viele auch aus der Slowakei. Die sind dort viel strenger mit den Grenzkontrollen als Ungarn und etliche haben auch Kinder. Beispielsweise haben wir die Situation, dass nur vier Kolleginnen in der Abteilung über uns da sind. Die anderen acht Kolleginnen und Kollegen, die sonst da wären, kommen alle aus der Slowakei und trauen sich nicht über die Grenze, weil sie Angst haben, nicht wieder zurück zu ihren Familien zu gelangen. Es gibt hier Räume, die für sie bereitgestellt wurden, aber sie können ja nicht mit ihren Kindern da einziehen. Deswegen müssen andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Ausfälle kompensieren. Das ist das größte Problem für uns. Außerdem hatten wir am Anfang gar keine Schutzmasken. Erst nach einiger Zeit bekamen wir moderne Masken und Ausrüstung, mit der wir aber sparsam umgehen müssen. Ansonsten waren die Schutzbestimmungen eigentlich in Ordnung hier im Heim. Wir erhalten gratis Essen, damit wir den Stau in der Kantine vermeiden, wir dürfen uns in der Pause nicht versammeln, es gibt ausreichend Desinfektionsmittel und die Angehörigen haben Besuchsverbot. Es gibt hier aber auch ausreichend Platz, ich weiß nicht, wie das in kleineren Heimen gut funktionieren kann oder solchen, die sich im innerstädtischen Raum befinden. Da stelle ich mir das schwieriger vor.

Kriegt ihr Sonderzahlungen wie Prämien oder eine Lohnerhöhung? Eure Arbeit scheint jetzt ja noch stressiger geworden zu sein…

Ja, aber von Lohnerhöhungen oder Sonderzahlungen ist keine Rede. Alles bleibt gleich. Es ist mittlerweile auch so, dass in jedem Stockwerk ein Zimmer eingerichtet wurde, falls jemand an Corona erkrankt und isoliert werden muss. Vor ein paar Tagen hatten wir eine Neuaufnahme aus dem Krankenhaus mit einem kranken Patienten, obwohl es geheißen hatte, dass wir das nicht machen werden. Aber natürlich wollen sie sich das Geld nicht entgehen lassen, verstehst du? Die Person wird zur Zeit isoliert und in der Pflegegruppe, die zuständig ist, ist eine Person ausgewählt worden, die mit Schutzkleidung reingeht und die Person pflegt. Aber dieser Plan geht ja nicht auf, denn die Person kann ja nicht jeden Tag zur Verfügung stehen. Wir hatten eine große Diskussion deswegen, weil einige Kolleginnen, die selber oder deren Angehörige zur Risikogruppe zählen, sich weigerten die Aufgabe von diesem Kollegen zu übernehmen und da reinzugehen. Das verstehe ich auch. Dann mussten wir die Pflegegruppen neu umstellen, damit das andere, jüngere Personen übernehmen. Letztens musste auch ich reingehen, einfach weil die Kolleginnen und Kollegen verunsichert waren, da reinzugehen, obwohl ich in einer ganz anderen Pflegegruppe bin und es nicht meine Aufgabe wäre. Aber was soll ich machen? Der Bewohner ist nun mal da und man muss sich um ihn kümmern. Auch wenn er nur aufgenommen wurde, wegen dem Geld, das er einbringt und wir haben den extra Stress. Aber gezahlt wird das alles nicht.

Es gibt ja viele, die zur Zeit auf ihren Balkon gehen und klatschen für Berufsgruppen, wie deinem Beruf in der Pflege, die gesellschaftlich relevante Aufgaben erledigen. Wie siehst du das?

Wenn ich mehr Lohn erhalten würde, könnte ich mir vielleicht auch eine Wohnung mit Balkon leisten. Ich finde, Menschen können das ruhig tun. Aber ich möchte auch sagen, dass wir das gar nicht wahrnehmen. Also ich glaube nicht, dass das irgendjemanden von uns Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wirklich berührt. Ich weiß, dass die Angehörigen unserer Heimbewohnerinnen und ‑bewohner uns gegenüber sehr dankbar sind. Diese Dankbarkeit reicht mir.

Und wie gestaltet sich das für Heimbewohnerinnen und ‑bewohner? Ist es schwer für sie, dass sie ihre Angehörigen nicht sehen können?

Naja, wir kompensieren viel. Wir bringen sie regelmäßig an die frische Luft am Nachmittag und versuchen sie bei Laune zu halten – soweit es möglich ist, wir dürfen ja nicht ständig in Kontakt mit ihnen sein und sie durchgehend mobilisieren. Die Bewohnerinnen und Bewohner nehmen das auch so sehr gut an, viele andere Heimbewohnerinnen und ‑bewohner erhalten Kleinigkeiten von ihren Angehörigen und merken eigentlich nicht wirklich, wie lange das schon geht. Angst haben viele von ihnen auch nicht vor dem Virus. Der große Stress liegt einfach auf unserer Seite und besonders für diejenigen aus dem Ausland. Wir müssen schauen, dass wir alles an Ausfällen ausgleichen und die Leute bei Laune halten, ohne die Schutzbestimmungen zu verletzen und natürlich auch, ohne uns den Stress zu sehr anmerken zu lassen.

Gibt es noch etwas, was du sagen möchtest?

Ja, ich bin alleinerziehende Mutter. Und es ist schon so ein großes Problem, mich irgendwie um die Schulaufgaben meines Kindes zu kümmern und meine anderen Kinder wohnen leider nicht bei mir im Ort und haben selber Arbeit bzw. Familie. Seitdem die Schulen geschlossen sind, mache ich mir große Sorgen um sie. Jetzt habe ich erfahren, dass sie nach den Osterferien neuen Lernstoff bekommen. Aber wie stellt sich die Schule denn das vor? Online-Unterricht findet nicht statt. Sondern sie müssen etliche Arbeitsblätter ausdrucken. Sowas haben wir aber nicht. Also musste ich und eine andere Kollegin, mit ähnlichen Problemen, an unserem Arbeitsplatz darum betteln, drucken zu dürfen. Ich weiß nicht, wie das alles noch wird, aber irgendwie werde ich versuchen, meine Familie aus dieser Lage durchzubringen.

Unsere Gesprächspartnerin (50) ist seit neun Jahren Altenpflegerin in einem Seniorenheim in Ostösterreich. Der Name der dreifachen Mutter und Großmutter ist der Redaktion bekannt. 

Freie Dienstnehmer in der Krise: Zwischen Wirtschaftskammer und AMS

Mehr als 40.000 Menschen sind in Österreich als Freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer auf dem Papier selbständig. In der Realität heißt das zumeist, von einem einzigen Dienstgeber abhängig zu sein, der bequem und steuerschonend Kollektivverträge, Arbeitsrecht und Schutzbestimmungen umgeht.

Jederzeit ohne Kündigungsfrist abbaubar, sind in der aktuellen Situation tausende Freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer mit existenzbedrohenden Einkommensverlusten konfrontiert. Denn Kurzarbeit hat die Regierung für diese Gruppe erst nach vier Schreckwochen Untätigkeit ermöglicht, als es längst zu spät war und die Betroffenen (etwa im binnen Tagen auf Null zurückgefahrenen Erwachsenenbildungsbereich) auf der Straße standen. Und nur eine Minderheit hat Anspruch auf AMS-Bezüge (die mit 55 % des durchschnittlichen Nettogehalts ohnehin kaum für die monatlichen Fixkosten und Lebensmittel reichen).

Bleibt der Härtefällefonds, welchen die Wirtschaftskammer verwaltet, also die gesetzliche Interessensvertretung der Unternehmen(!). Immerhin „schon“ eine Woche, nachdem die EZB 750 Milliarden Euro für die Finanzierung von Großkonzernen und Stabilisierung der Börsen locker gemacht hatte, wurde kleinen Selbständigen die Möglichkeit eröffnet, als Bittsteller um Einmalzahlungen zwischen 500 und 1000 Euro anzusuchen. Und wie nicht anders zu erwarten war, schloss die ellenlange Voraussetzungskette der Förderrichtlinie durch Einkommensuntergrenzen, Ausschluss von Mehrfachversicherungen und Nebenverdiensten und Ähnliches gerade die Prekärsten des Prekariats aus.

Scheinselbständigkeit, staatlich finanziert

Die angekündigten kosmetischen Änderungen bei Kurzarbeit und Härtefällefonds werden allesamt nicht reichen, betroffenen Freien Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer den Verdienstentgang zu ersetzen, welcher sich darüber hinaus durch abzusehende Sparpakete bei Staat und Konzernen bis weit nach die Epidemie hinziehen wird. Zusammen mit Leiharbeit, Werkverträgen und undurchsichtigen Subunternehmer-Strukturen und hat der Staat in den letzten Jahrzehnten unter heftigem Geklatsche der neoliberalen EU-Eliten unter den Stichwörtern „Deregulierung“ und „Flexibilisierung“ legale Umgehungsmöglichkeiten von ordentlichen Beschäftigungsverhältnissen geschaffen. Die Zeche zahlen im Krisenfall wieder einmal die Werktätigen; das unternehmerische Risiko wurde mehr oder weniger elegant auf die Arbeitenden und die öffentliche Hand ausgelagert.

Dabei sind die wichtigsten Branchen, in denen Freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer beschäftigt sind (bzw. gerade hinausgeworfen wurden), zu großen Teilen durch Steuergelder finanziert: Erziehung und Unterricht; Gesundheits- und Sozialwesen sowie in kleinerem Umfang Kunst. So haben die bürgerlichen Regierungen nicht nur die rechtlichen Voraussetzungen für prekäre Beschäftigungsformen geschaffen, Steuergeld finanziert auch massiv jene Unternehmen, die die absurde Rechtslage ausnutzen, welche einfache Mitarbeiter zu „freien“ Selbständigen erklärt.

Klassenbewusste Kräfte setzen sich schon seit Jahren auf vielen Ebenen gegen den vereinten Widerstand von Konzernen, Politik und sich unzuständig fühlenden Gewerkschaftsbossen für die Zurückdrängung prekärer Beschäftigung ein; gerade jetzt ist die Zeit, gemeinsam für reguläre, abgesicherte Beschäftigungsformen in allen Branchen zu kämpfen!

Karl Wiesinger, Kommunist und Autor

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Karl Wiesinger: ›Vorwärts, Genossen, es geht überall zurück.‹

»warum nicht weg von linz? ich liebe die umgebung, ich bin schon zu bequem zum übersiedeln und es würde mich zuviel geld kosten. und mein bequemes heim auszutauschen gegen snobkontakte in snobkellern in münchen oder wien, das schiene mir ein schlechter tausch«

Linz/Oberösterreich. Karl Wiesinger, gebürtiger Linzer (1923–1991), ist einer der Autoren, denen in den Zeiten des Kalten Krieges die Anerkennung für ihr literarisches Wirken verwehrt wurde, weil sie bekannte Kommunisten waren. Seinen Roman „Achtunddreißig“, der sich mit der Annexion Österreichs durch das faschistische Deutschland beschäftigte, versuchte Wiesinger vergeblich in westdeutschen oder österreichischen Verlagen zu veröffentlichen. 1967 übernahm dies der Aufbau-Verlag, wobei der KPÖ-eigene Globus-Verlag einen Teil der Auflage übernahmen. Sein darauffolgendes Werk „Genosse Spartacus“ (1972) wurde von keinem Verlag veröffentlicht.

Pseudonym gegen Kalten Krieg in der Literaturszene

Die Zurückweisungen nahm er zum Anlass, unter einem Pseudonym – als Max Maetz – zu schreiben, mit Erfolg. Nachdem er unter diesem publizieren konnte und im Literaturbetrieb gefeiert wurde, ließ er seine Kunstfigur Maetz dann bei einem angeblichen Traktorunfall sterben und lud ihm auf den Leim gegangene Journalisten zu einer Trauerfeier ein. Dies führte in Österreich zu einem Skandal.

1974 erschien „Der rosarote Straßenterror“ von Wiesinger. Der Roman beschäftigte sich mit dem Oktoberstreik von 1950, den der Gewerkschaftsführer Franz Olah mittels einer kommunistischen Putschlegende von Bauarbeitern niederzuknüppeln ließ. „Standrecht“, sein dokumentarischer Roman über den Februar 1934, wurde kurz darauf veröffentlicht. Wiesingers letzter Roman, der zu seinen Lebzeiten veröffentlicht wurde, ist „Der Wolf“, in dem es um eine Mordserie an Landsern in Oberösterreich während der NS-Zeit geht.

Politisch gestaltete sich sein Weg so, dass Wiesinger nach dem Einzug in die Wehrmacht 1941 versuchte, den Wehrwillen seiner Kameraden mittel russischer und britischer Radiosendungen sowie Gesprächen zu beeinträchtigten. Er verübte Sabotageakte und wurde daraufhin verhaftet und angeklagt. Nach seiner Freilassung wurde er 1944 als Kontaktmann der Welser Widerstandgruppe erneut verhaftet und wegen seines schlechten gesundheitlichen Zustandes erneut freigelassen. Nach Kriegsende wurde Wiesinger KPÖ Mitglied und stellte sich in den Auseinandersetzungen auf die Seite der Marxisten-Leninisten der Partei. Wiesinger schrieb unter anderem in der „Neuen Zeit“, dem Parteiorgan in Oberösterreich.

Anlässlich einer Ausstellung zum Leben und Werk von Wiesinger, die im Stifter Haus in Linz vermutlich bis November von Di-So zu sehen sein wird, erinnern wir an Karl Wiesinger.

Quellen: Sitfter Haus, Alfred Klahr Gesellschaft und junge welt

Peter Weiss und die Ästhetik des Widerstands

Auch Literaturgeschichte wird von Siegern geschrieben. Schon nach Erscheinen des Hauptwerks des deutsch-schwedischen Universalkünstlers Peter Weiss wurde es im Westen Deutschlands bekämpft – zumindest so lange, bis man um die Anerkennung der künstlerischen Genialität dieser Trilogie nicht mehr herumzukommen wusste. Eine Leseempfehlung für ein literarisches Meisterwerk des 20. Jahrhunderts, das heute viel unbekannter ist als es sein sollte – weil sein Autor die Sieger des kalten Krieges lieber als Verlierer gesehen hätte. 

Durchgängiges Motiv des zwischen 1975 und 1981 erstmals erschienenen dreiteiligen Roman-Essays „Die Ästhetik des Widerstands“ (ÄdW) ist die Vermittlung von Kunst und Politik, und zwar in progressiver, revolutionärer Absicht. Er erzählt die fiktive Geschichte eines jungen deutschen Arbeiters und Widerstandskämpfers in den Jahren 1937 bis 1945, der damit ringt, neben seiner Arbeit und seiner meist illegalen politischen Aktivität auch noch die Zeit und Kraft zu finden, sich umfassend ästhetische Eindrücke zu verschaffen und sie zu verarbeiten, um so die Welt erst voll verstehen zu können. Dies wird gleichzeitig als Bedingung zur Veränderung der Welt begriffen, denn „zu einer Revolution der Gesellschaftsordnung gehört auch eine revolutionäre Kunst.“((Peter Weiss: 10 Arbeitspunkte eines Autors in der geteilten Welt, Rapporte 2, Frankfurt aM 1971, Seite 17.)) Der namenlose Erzähler führt, gemeinsam mit Freundinnen und Freunden sowie Genossinnen und Genossen, einen erbitterten Kampf zur „Überwindung einer klassenbedingten Aussperrung von den ästhetischen Gütern“((Peter Weiss: Die Notizbücher, kritische Gesamtausgabe, Digitale Bibliothek 149, Seite 12286.)). Einen Kampf also, der unter den gegebenen Bedingungen an die Substanz gehen muss: „Über Kunst sprechen zu wollen, ohne das Schlürfende zu hören, mit dem wir den einen Fuß vor den andern schoben, wäre Vermessenheit gewesen. Jeder Meter auf das Bild zu, das Buch, war ein Gefecht, wir krochen, schoben uns voran, unsre Lider blinzelten, manchmal brachen wir bei diesem Zwinkern in Gelächter aus, das uns vergessen ließ, wohin wir unterwegs waren.“((Peter Weiss: Die Ästhetik des Widerstands, Frankfurt aM 2005, Seite 74.))

Schwer kann in wenigen Worten überblickt werden, was die ÄdW alles leistet, denn „in keinem anderen Werk der Moderne wird die Intention auf Totalität so radikal vertreten und eingelöst wie in Weiss‘ Ästhetik des Widerstands“ ((Thomas Metscher: Ästhetik, Kunst und Kunstprozess, Berlin 2013, Seite 133.)). Man möge sich daher auf den Literaturwissenschafter, Philosophen und ÄdW-Interpreten Thomas Metscher stützen: „Bereits formal ist der Text eine höchste Gestalt kultureller Synthesis: als Einheit von Romanform, ästhetischer Theorie, Werkinterpretation, Kunstkritik, Geschichtsschreibung und politischer Theorie, strukturell von Avantgarde und Realismus; sein Gegenstand ist Zeitgeschichte als Geschichte der Arbeiterbewegung und des proletarischen Widerstands in der Zeit des Faschismus, die Geschichte Europas und die Geschichte der Welt. Der Schlüssel zu dieser umfassenden Synthesis liegt im Konzept der umfassenden epistemischen Leistung der Künste, das die Ästhetik des Widerstands als Text ästhetisch exemplifiziert und zugleich theoretisch erläutert. Nach dieser Konzeption ist die Kunst die Form höchster epistemischer Synthesis: Sie allein ist imstande, ästhetisches, begrifflich-wissenschaftliches und alltagspraktisches Wissen in einer epistemischen Form zusammenzuschließen.“((Ebenda, Seite 133 f.))

Die „größte Qualität der Kunst“ liegt laut Peter Weiss in der Fähigkeit, „in die Wirklichkeit einzugreifen, um diese zu verändern“((Peter Weiss: Antwort auf einen offenen Brief von Wilhelm Girnus an den Autor in der Zeitung „Neues Deutschland“, in: Rapporte 2, Frankfurt aM 1971, Seite 26.)), gleichzeitig tritt sie in seinem Werk als eine anthropologische Notwendigkeit auf, ja sogar als „höchster Ausdruck der Wirklichkeit“((ÄdW, zit. nach Thomas Metscher: Kunst und Epochenkrise, in: Werner Seppmann (Hg.): Ästhetik der Unterwerfung, Hamburg 2013, Seite 197.)). Die politischen Diskussionen, die in der ÄdW geführt werden, spiegeln die verschiedenen Positionen, die in der Arbeiterbewegung zu den wichtigen Fragen dieser Zeit vertreten wurden, wider. Klar geht dabei auch immer wieder die Meinung hervor, die Weiss selbst wohl vertrat und die nicht immer die richtige sein muss ((So mag zum Beispiel seine Position zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt unterm Strich falsch sein; als einseitig oder gar als bewusst feindlich gegenüber dem sozialistischen Lager kann man seine Auseinandersetzung mit diesem Thema aber schwer abtun. Ebenso kann ihm kaum zur Last gelegt werden, dass er seinerzeit, wie so viele andere, den folgenschweren „Enthüllungen“ Chruschtschows am XX. Parteitag der KPdSU anhing, die inzwischen historiographisch widerlegt sind.)).

Das heißt aber nicht, dass die jeweils anderen Meinungen immer als unvertretbar beiseitegeschoben würden. Vielmehr bemüht sich Weiss, die widersprüchlichen politischen Positionen aus dem jeweiligen Platz, den jemand in der Welt und in den politischen Konflikten einnimmt, zu verstehen, denn: „Das Wertvolle an der ÄdW ist doch gerade ihre Ausrichtung gegen einen abstrakten Universalismus, der sich ahistorisch, undialektisch und abgehoben gegenüber den konkreten Widersprüchen der geschichtlichen Wirklichkeit und der geschichtlichen Erfahrung der Arbeiterklasse und ihrer Subjekte verhält.“((Hannes Fellner / Stefan Klingersberger: Imaginierte Linie, in: junge Welt, 7.5.2013.)) Diese Ausrichtung setzt wiederum eine klare grundlegende Orientierung voraus: „Die Richtlinien des Sozialismus enthalten für mich die gültige Wahrheit. Was auch für Fehler im Namen des Sozialismus begangen worden sind und noch begangen werden, so sollten sie zum Lernen da sein und einer Kritik unterworfen werden, die von den Grundprinzipien der sozialistischen Auffassung ausgeht.“((Peter Weiss: 10 Arbeitspunkte eines Autors in der geteilten Welt, Rapporte 2, Frankfurt aM 1971, Seite 22.))

Für Peter Weiss war klar, dass es keinen Platz zwischen Imperialismus und Sozialismus gibt: „Ich sitze nicht zw. 2 Stühlen, sondern weiterhin auf dem unbequemen Holzstuhl des Sozialismus“((Peter Weiss: Die Notizbücher, kritische Gesamtausgabe, Digitale Bibliothek 149, Seite 12525.)), denn „zwischen beiden Wahlmöglichkeiten, die mir heute bleiben, sehe ich nur in der sozialistischen Gesellschaftsordnung die Möglichkeit zur Beseitigung der bestehenden Mißverhältnisse in der Welt“((Peter Weiss: 10 Arbeitspunkte eines Autors in der geteilten Welt, Rapporte 2, Frankfurt aM 1971, Seite 22.)). Von der in den kapitalistischen Staaten oftmals propagierten Parteilosigkeit der Kunst hielt Weiss nichts: „Heute aber sehe ich, dass eine solche Bindungslosigkeit der Kunst eine Vermessenheit ist.“((Ebenda, Seite 23.)) Warum sollte man als Künstler auch unparteiisch bleiben, wenn man ohnehin „mit dem wissenschaftlichen Sozialismus die Ausdrucksfreiheit der Kunst [verbindet], weil ich im Sozialismus überhaupt erst die Voraussetzung sehe für eine wirklich freie Kunst, d.h. eine Kunst, die sich von der Spekulation, der Kommerzialisierung und dem Dienst an einer herrschenden Klasse losgelöst hat.“((Peter Weiss: Antwort auf einen offenen Brief von Wilhelm Girnus an den Autor in der Zeitung „Neues Deutschland“, in: Rapporte 2, Frankfurt aM 1971, Seite 28.))

Diese seine politischen und ästhetischen Werthaltungen fließen in die ÄdW ein und werden in ihr in einer künstlerisch vollendeten Form zur Einheit gebracht. Den grundlegenden Entwicklungsgang der ÄdW fasste Weiss in seinen Notizbüchern wie folgt zusammen: „Band I der kollektive Kampf um die Gewinnung der Kultur, die Eroberung eines Ausdrucksmittels, mit dem sich die Erfahrungen der (Arbeiterklasse) der Missbegünstigten, der Erniedrigten gestalten lassen / Band II Prozess der Individuation im Versuch, die Ästhetik vom Werkzeug zur Erkenntnis kultureller Vorgänge zum Instrument eines kämpferischen Eingreifens in die Welt der Kultur zu machen / Band III nach den Erkenntnissen zu erzählen“((Peter Weiss: Die Notizbücher, kritische Gesamtausgabe, Digitale Bibliothek 149, Seite 9630 f.)). 

Sozialwirtschaft für drei Jahre gefesselt

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Beschäftigte aus der Sozialwirtschaft (SWÖ) fordern Test-Urabstimmungen über den jüngsten KV-Abschluss in ihrer Branche. Dabei sind Betriebsräte wie auch gewerkschaftliche Basisinitiativen wie „Sozial, aber nicht blöd“.

Wie bekannt ist, einigte sich die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) auf einen neuen KV in der SWÖ. Das stößt vielen Räten und Aktivistinnen und Aktivisten sauer auf, da sie sich übergangen fühlen.

Unter dem Label SWÖ fallen Pflege, Sozialarbeit, Jugendarbeit und verwandte Bereiche. Beschäftigte aus der Branche gingen monatelang für bessere Arbeitsbedingungen auf die Straße. Streiks und medienwirksame Proteste machten auf ihre Lage aufmerksam. Die Forderungen umfassten eine deutliche Lohnerhöhung und eine 35-Stunden-Woche.

Führende GPA-Funktionärinnen und ‑Funktionäre machten daraus ohne Rücksprache eine 37-Stunden-Woche und eine Lohnerhöhung um 2,7 Prozent. Der KV gilt für drei Jahre. Laut AK-Rätin Selma Schacht von der KOMintern ist das „kein Erfolg“, wie sie im Interview mit zackzack​.at sagt. So enthält der Vertrag keine Inflationsanpassung. Schacht und ihr Kollege Stefan Taibl (AUGE) fühlen sich durch den neuen KV gefesselt: „Uns sind jetzt für drei Jahre die Hände gebunden“, erklärt Schacht mit Blick auf weitere Aktionen. Bei Ausbruch der Corona-Krise setzte die Basis ihre Aktionen aus – in der Hoffnung, von der GPA nicht umgangen zu werden. Taibl beantragte einen Jahresabschluss und neue Verhandlungen nach der Krise. Laut Schacht brandmarkte die Gewerkschaft sie zuvor als Verräterin. Die AK-Rätin hatte den Verlauf der Verhandlungen online öffentlich gemacht.

Parteiarbeit während Corona

Gerade oder insbesondere in diesen speziellen Zeiten führt die Partei der Arbeit Österreichs (PdA) ihre Arbeit fort. Zwar in anderer Form und in einem anderen Rahmen, sie setzt sich aber weiterhin für die Interessen der arbeitenden Menschen ein. Dies bedeutet aktuell keine Aktivitäten mit physischen Kontakt, aber die Mitglieder, die der Risikogruppe angehören wurden kontaktiert und es wurde ihnen Unterstützung angeboten. Einige Mitglieder beteiligen sich auch an Nachbarschaftshilfen und unterstützen auf diese Art und Weise nicht das #teamösterreich, sondern diejenigen, die es brauchen und bilden somit das #teamarbeiterfront.

75 Jahre Befreiung – Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg

Die Partei der Arbeit Österreichs (PdA) hat eine Reihe von Aktivitäten anlässlich des 75 Jahrestages der Befreiung Österreichs vom deutschen Faschismus geplant gehabt. Da der Corona-Pandemie geschuldet diese Veranstaltungen abgesagt werden mussten, konnte lediglich die in Wien geplante Filmreihe in Teilen realisiert werden. Anlässlich des Auftaktes der Befreiung wurde gemeinsam mit der Kommunistischen Jugend Eisenstadt eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, die insbesondere den Anteil der Roten Armee würdigt und gegen den heutzutage vorherrschenden Geschichtsrevisionismus verteidigt. Hier der Link zur Stellungnahme: http://​parteiderarbeit​.at/​?​p​=​5979