Ein Bundeskanzler greift die Staatsanwaltschaft an, die gegen seine Freunde ermittelt – ein nicht alltäglicher Vorgang. Der Verfassungsjurist Heinz Mayer bezeichnet das als „schamlos, durchsichtig und gefährlich“.
Wien. Im Rahmen einer Pressekonferenz zum Thema Lockdown hat Bundeskanzler Sebastian Kurz am Montagabend neuerlich die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) angegriffen, die gegen Finanzminister Gernot Blümel wegen Korruptionsvorwürfen ermittelt: „Es hat so viele Verfehlungen gegeben, dass ich glaube, dass es dort dringenden Änderungsbedarf gibt.“ Mittlerweile hat es System, dass die ÖVP diese speziellen Staatsanwälte, in deren Fokus sich nun schon mehrere hochrangige ÖVP-(Ex)-Politiker befinden, angreift, um sie zu delegitimieren. „Dass eine Staatsgewalt eine andere Staatsgewalt auf eine solche Art anschwärzt, würde man sich in einem Land wie Österreich eigentlich nicht erwarten“, wird die Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka, von der Tageszeitung „Der Standard“ zitiert.
„Schamlos, durchsichtig, gefährlich“
Der Verfassungsjurist Heinz Mayer geht noch einen Schritt weiter: Dass ein Kanzler eine Staatsanwaltschaft angreife, „weil ein Freund von ihm mit ihr Kontakt hat“, bezeichnet er als „schamlos, durchsichtig und gefährlich“.
Indessen hat das Justizministerium ein anderes Märchen von Kurz aus der Welt geschafft, nämlich das mit den 1% Verurteilten bei Ermittlungen der Korruptionsstaatsanwälte (Kurz hatte von 40.000 Beschuldigten gesprochen, von denen nur 1% auch verurteilt würde). Das Justizministerium stellte klar, dass diese Zahl, die aus einer parlamentarischen Anfragebeantwortung stammt, alle Anzeigen umfasst, egal ob es zu Ermittlungen kommt oder nicht. Auch die von Kurz damit intendierte Botschaft, dass eine möglichst hohe Rate an Verurteilten ein Qualitätsmerkmal sei, weist das Justizministerium zurück: „Dass am Ende des Ermittlungsverfahrens gegebenenfalls die Einstellung steht, lässt daher den Schluss auf mangelnde Qualität der staatsanwaltschaftlichen Arbeit gerade nicht zu. Ob Anklage oder Einstellung ist kein Qualitätsmerkmal der staatsanwaltschaftlichen Arbeit, vielmehr kommt es auf den Inhalt, die Aufklärung des Sachverhalts und die rechtlich einwandfreie Subsumtion an“.
Misstrauensantrag gegen Blümel abgelehnt
Sehr viel dürfte Sebastian Kurz bei seinen gelegentlichen Besuchen auf der juridischen Fakultät der Universität Wien jedenfalls nicht gelernt haben, wie es aussieht. Dafür hat er in der ÖVP gelernt, wie man Fakten verdreht und aus Beschuldigten Opfer macht.
In der Sondersitzung des Nationalrats wurde am Dienstag der Misstrauensantrag gegen Blümel abgelehnt. Die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer hatte sich vorher zwar kritisch über das Verständnis der ÖVP bezüglich des Rechtsstaats geäußert, zog daraus für ihren Parlamentsklub aber keine Konsequenzen. Mit den Stimmen der Grünen kann Blümel also weitermachen. Und: Es gilt selbstverständlich für alle in diesem Text erwähnten Personen die Unschuldsvermutung.
Quellen: APA-OTS/derstandard.at/orf.at