Anfang dieser Woche erhielten die Kommunistische Jugend Österreichs (KJÖ) und die Sozialistische Jugend Oberösterreich (SJ) Post vom OGH. Diese enthielt einen wichtigen Rechtsspruch, der auch in Zukunft von Bedeutung für das Versammlungsrecht und die Demonstrationsfreiheit sein wird. Wir berichteten hierzu bereits ausführlich und konnten ein Interview mit Raffael Schöberl, ehemaligem Bundesvorsitzenden der KJÖ und Sprecher der PdA in Oberösterreich, führen, der den Prozess als Versammlungsleiter und Vertreter der KJÖ begleitete.
Die Demonstration, um die es im Prozess gegen KJÖ und SJ ging, war vor über vier Jahren. Das Verfahren selbst hat über alle Instanzen drei Jahre gedauert. Wie geht´s euch jetzt damit?
Es ist natürlich eine große Erleichterung zu spüren. Nachdem die beiden Jugendorganisationen in erster Instanz vor dem Bezirksgericht schuldig gesprochen wurden, war natürlich auch über den weiteren Instanzenzug nicht klar, wie das rechtswirksame Urteil schlussendlich aussehen wird. Es stand natürlich auch viel auf dem Spiel, nicht nur finanzieller Hinsicht für KJÖ und SJ, sondern vor allem für das Demonstrationsrecht im Allgemeinen. Der Sieg vor dem Obersten Gerichtshof ist deshalb als Sieg für die Versammlungsfreiheit zu werten!
Welche Auswirkungen hätte es denn gehabt, wenn die Verurteilung in erster Instanz vor dem Berufungsgericht und schließlich vor dem OGH gehalten hätte?
In mehrerlei Hinsicht wäre damit das bürgerlich-demokratische Grundrecht der Versammlungsfreiheit untergraben worden, mehr noch, es hätte die legale Abhaltung von Demonstrationen und Protesten verunmöglicht. Versammlungsanmelder würden Gefahr laufen, für das Verhalten Dritter rechtlich belangt und haftbar gemacht zu werden. In unserem konkreten Fall ging es um eine Schadenssumme im unteren fünfstelligen Bereich. Diese kann aber ohne weiteres deutlich höher sein, insbesondere dann, wenn auch Menschen zu Schaden kommen. Da geht es dann um Geldsummen, die für Vereine wie auch Privatpersonen existenzgefährdend sind. Niemand wäre dann noch davor gefeit, in die Privatinsolvenz zu schlittern. Und zudem hätte ein solcher Präzedenzfall natürlich auch Tür und Tor für Provokateure und politische Gegner geöffnet, denn nichts ist leichter als auf einer Demonstration mit hunderten oder tausenden Menschen eine Sachbeschädigung zu begehen, um den Initiatoren nicht nur politisch, sondern auch finanziell massiv zu schaden.
Ihr wurdet vom Inhaber des Lokals „Josef das Stadtbräu“ und vom „Kaufmännischen Verein in Linz“ geklagt. Vermutest du eine politische Motivation hinter der Klage?
Vordergründig ging es den klagenden Parteien natürlich um die Behebung des Schadens, zumindest gaben sie dies vor Gericht immer wieder zu Protokoll. Ob der Schaden aber nicht ohnehin durch eine Versicherung abgedeckt worden wäre, kann ich nicht beurteilen. Da der Lokalinhaber des Josefs im Rechtsaußen-Pamphlet „Wochenblick“ schreibt, sein Lokal in der Vergangenheit immer wieder durch rassistische Äußerungen Schlagzeilen machte und in den Räumlichkeiten des Kaufmännischen Vereins alljährlich der deutschnationale und rechtsextreme Burschenbundball stattfindet, liegt zumindest die Vermutung nahe, dass man mit der Klage sehr wohl auch ein politisches Kalkül verfolgte. Was schlussendlich auch immer die Beweggründe waren, ich bin froh, dass das Ansinnen der Kläger nach hinten losgegangen ist und wir mit dem OGH-Urteil in der Tasche gestärkt aus der Auseinandersetzung hervorgehen.
Wie meinst du das?
Bereits das Urteil des Linzer Landesgerichts als Berufungsgericht hat sehr ausführlich dargelegt, dass Versammlungsleiter und ‑leiterinnen einer eigentlich friedlichen Demonstration nicht befürchten müssen, für etwaige Schäden aufkommen zu müssen. Der OGH hat dies in seiner Urteilsbegründung als höchste Instanz nun bestätigt. Und das hat natürlich Signalwirkung auf alle zukünftigen Demonstrationen in Österreich.
Der Oberste Gerichtshof hat die Abweisung der Klage unter anderem damit begründet, dass es nicht ausreichen würde, dass eine als friedlich geplante Versammlung, im Laufe derer es zu einer Ausschreitung komme, um eine Haftung der Versammlungsanmelder zu begründen. Eine Haftung des Veranstalters für fremde Sach- und Personenschäden komme bei an sich friedlichen Demonstrationen in der Regel ohnehin nur dann infrage, wenn dieser überhaupt keine Sicherheitsvorkehrungen zur Abwendung von Risiken treffen würde. Explizit genannt wurde hier das Nichtvorhandensein eines Ordnerdienstes. Aber gleichzeitig stellte der OGH auch fest, dass die sogenannte Sorgfaltspflicht nicht überspannt werden dürfe und nur im Rahmen des Zumutbaren vom Veranstalter Sicherungsmaßnahmen verlangt werden können. Das Gericht spricht hier von drohenden „chilling effects“ und so seien die Zumutbarkeitsgrenzen bezüglich der zu treffenden Sicherheitsvorkehrungen – im Vergleich zu bloßen Massenveranstaltungen wie Konzerten oder Fußballspielen – nach unten zu nivellieren.
Da die Kläger den Versammlungsleitern aber auch fahrlässiges Verhalten und Mittäterschaft vorwarfen, unterstrich der OGH – wie auch schon das Erstgericht feststellte -, dass den beklagten Jugendorganisationen in organisatorischer Hinsicht nichts vorzuwerfen war.
Gibt es in der Urteilsbegründung auch Wehmutstropfen?
Der Oberste Gerichtshof deckt mit seinem Urteil eine Fülle an juristischen Fragen im Hinblick auf Demonstrationen und Versammlungen ab. Das ist gut und äußerst wichtig. Manche Rechtsunsicherheiten konnten aber dennoch nicht vollends geklärt werden. So stellte der OGH zwar fest, dass während der Demonstration bestimmte gesetzliche Pflichten auf den namhaft gemachten Versammlungsleiter oder ‑leiterin übergehen würden, da diese in Eigenverantwortung handeln würden, ließ es aber dahingestellt, ob diese anstatt der Vereine haftbar gemacht werden könnten. Der OGH erklärte, dass dieser Frage im gegenständlichen Verfahren keiner Bedeutung zugekommen wäre, da ausschließlich die Vereine KJÖ und SJ OÖ geklagt wurden.
Danke für das Interview!