Gastautor: Gerhard Oberkofler, geb. 1941, Dr. phil., Universitätsprofessor i.R. für Geschichte an der Universität Innsbruck.
Vor 36 Jahren (14. bis 21. April 1985) trafen sich in Limans (Alpes de Haute-Provence, Frankreich) etwa 300 Personen aus 35 verschiedenen Nationalitäten Europas und der sogenannten Dritten Welt. Die Organisation oblag dem Europäischen Komitee zur Verteidigung der Flüchtlinge und Gastarbeiter (C.E.D.R.I.). Dieser Kongress zeichnete sich besonders durch die Teilnahme des Altbundeskanzlers Österreichs, des Ehrenpräsidenten der Sozialistischen Partei Österreichs und Vizepräsidenten der Sozialistischen Internationale Bruno Kreisky, des Schweizers Vorstandsmitgliedes der Sozialistischen Internationale Jean Ziegler und durch den französischen Ethnologen Jean Guiart aus. In seinem Schlussbericht stellte der Kongress fest, dass die „Verantwortlichen der europäischen Wirtschafts- und Sozialkrise versuchen, die Unzufriedenheit der Bevölkerung auf von ihnen geschaffene Sündenböcke umzulenken: die Ausländer, seien sie nun wirtschaftliche oder politische Flüchtlinge“.
Kreisky hat die also schon vor 36 Jahren in den europäischen Ländern offenkundig werdende flüchtlingsfeindliche Politik mit eigenen Erfahrungen in geschichtlichen Zusammenhang gestellt und wörtlich gesagt: „Die Fremdenfeindlichkeit von heute ist der Antisemitismus von gestern“. Kreisky sprach davon, wie wichtig es ist, dem Wiederaufkommen von Rassismus und Xenophobie gegenüber wachsam zu sein, wenn man eine Wiederholung des Holocaust des Zweiten Weltkrieges verhindern wolle. Heute wie gestern werde versucht, die Arbeiterklasse zu schwächen, indem man sie spaltet. Der Fremdenhass werde von den Parteien der klassischen Rechten und von den von ihnen kontrollierten Medien erzeugt und geschürt. Der Kongress realisierte, dass in europäischen Ländern es zu einer raschen Institutionalisierung rassistischer und xenophoner Thesen kommt. Auf Kreisky Beitrag hat Angèle Kneale vom Quakers Council in seinem Beitrag über das Schicksal der christlichen Minderheiten in der Türkei und im Nahen Osten ausdrücklich und zustimmend Bezug genommen.
Der frühere deutsche Bundesverfassungsrichter Martin Hirsch, der mit dem humanistischen österreichischen Rechtspolitiker Christian Broda (SPÖ) befreundet war, untersuchte für das Komitee zur Verteidigung der Flüchtlinge und Gastarbeiter die verschiedenen europäischen Gesetzgebungen sowie ihre Anwendung und kam zum Schluss, „dass überall mehr oder weniger harte Abschreckungs- oder Einschüchterungspolitik gegenüber Flüchtlingen betrieben wird“. Und das Wort „Abschreckung“ sei in das offizielle Vokabular der BRD-Regierung aufgenommen worden. Der deutsche Bundesverfassungsrichter Hirsch nannte unter den Methoden der Abschreckung: Zwangseinweisung von Asylwerbern in „Sammellagern“ unter Arbeitsverbot – Abschiebung und Auslieferung politischer Flüchtlinge in ihr Heimatland und Zwangsarbeit für Asylwerber. Diese Maßnahmen sind offenkundig eine eklatante Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951.
Ohne die österreichische Politik der Gegenwart vorausahnen zu können, stellte der von Bruno Kreisky beratene und unterstützte Kongress fest, dass europäische Länder unter Verletzung der Genfer Konvention von 1951 das Flüchtlingsproblem schon an ihrer Grenze lösen wollen. Hat der Flüchtling es dennoch geschafft, einen Asylantrag zu stellen, so ist seine Odyssee noch nicht beendet, er wird in sogenannten Sammellagern mit Stacheldraht, Lagerausweispflicht und ohne Zutritt für Drittpersonen untergebracht, die historische Parallelen deutlich sichtbar machen. Die von der türkis-grünen Elite dominierte österreichische Politik der Gegenwart missachtet massiv die in der Genfer Flüchtlingskonvention und der Menschenrechtskonvention der UNO festgelegten Grundsätze bei der Behandlung von Flüchtlingen und Immigranten.