Klatschen reicht eben nicht: Eine aktuelle Umfrage der Arbeiterkammer zeigt weit verbreitete Überbelastung bei Pflegerinnen und Pflegern. Viele machen nur noch aus Sorge um die Patientinnen und Patienten weiter, denken aber regelmäßig ans Hinschmeißen.
Wien/Oberösterreich. Bis 2030 fehlen bis zu 100.000 Pflegekräfte – und die verantwortlichen Politiker tun alles dafür, damit der Personalnotstand noch ärger wird. Anders kann man die aktuelle Umfrage der Arbeiterkammer unter tausenden Angehörigen von Gesundheits- und Sozialbetreuungsberufen gar nicht verstehen: Mehr als die Hälfte musste im Vorjahr regelmäßig „mehr als im Arbeitsvertrag vereinbart“ arbeiten, 42 Prozent konnten ihren Urlaub nicht wunschgemäß antreten. In Kombination mit extrem gestiegener Arbeitsbelastung und Personalnot führt das zu weit verbreiteten Depressionssymptomen, Angststörungen, Konzentrations- und Schlafproblemen.
45 Prozent der Pflegekräfte denken regelmäßig darüber nach, aufzuhören. Im Jahr 2018 war es „nur“ ein Viertel gewesen. Es ist klare Folge einer Politik der ständigen „Optimierungen“, sprich dem Kaputtsparen im Gesundheits- und Pflegebereich. Dabei wären Arbeitszeitverkürzung, gerechte Entlohnung, Personal- und Ressourcenaufstockung sowie eine bessere Planbarkeit der Dienste dringend nötig – und im Vergleich zu aktuellen Steuergeschenken an Großkonzerne keineswegs unbezahlbar.
Doch das Einzige, was den zuständigen Landesregierungen zum Thema einfällt, sind ein paar gefällige Werbekampagnen zu schalten und allenfalls in die Ausbildung zu investieren. Am harten Arbeitsalltag ändern solche Alibi-Maßnahmen allerdings nichts.
Kundgebungen in Oberösterreich
In Oberösterreich haben am Donnerstag Kundgebungen des Krankenhauspersonals stattgefunden, um auf die Lage aufmerksam zu machen. Die Ärztekammer hat zu diesem Anlass Schilder ausgegeben, die man auch als Rückendeckung für die Regierung verstehen könnte: Die Verantwortung wird allein dem Einzelnen (Ungeimpften) statt der Regierung übertragen, zudem in einem eher aggressiven als aufklärerischen Ton („Es reicht – lass dich impfen!“).
Nichtsdestotrotz zeigt die Beteiligung der Kolleginnen und Kollegen an diesen Kundgebungen einmal mehr, wie sehr sie bereits seit Längerem über der psychischen und physischen Belastungsgrenze schuften. Die Corona-Pandemie hat diese Überlastung noch weiter zugespitzt. Und der Unwille der Bundesregierung, die Pandemie effektiv einzudämmen, hat diese Zuspitzung inzwischen zum Dauerzustand werden lassen. Jetzt fürchten sich die Kolleginnen und Kollegen zu Recht vor einem weiteren Winter mit überfüllten Krankenhäusern und Intensivstationen, mit stressigen Schichten in voller Schutzmontur.
Quelle: Arbeiterkammer / Kurier / ORF