Dieser Artikel erschien in der Printausgabe unserer Zeitung im Februar.
Mit dem neuen Jahr bekam Österreich eine neue Bundesregierung – in Form einer eigenartigen Koalition von ÖVP und Grünen. Der frühere Bundeskanzler Sebastian Kurz, der einst die FPÖ in die Regierung geholt hatte, ist abermals im Amt. Und es gibt keinen Zweifel, dass die ÖVP in dieser Regierung den Ton an- und das Programm vorgibt.
Kurz will die Agenda der durch die „Ibiza-Affäre“ versenkten konservativ rechtsrechten Regierung fortsetzen, das Wunschprogramm der Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung, der Banken und Konzerne. Als Hauptpartei des Kapitals senkt die ÖVP Steuern für Unternehmen und Besserverdienende, während arbeiterfeindliche und antisoziale Maßnahmen Bestand haben, wie die Ermöglichung des 12-Stunden-Arbeitstages, die Zerschlagung der Selbstverwaltung der Arbeitnehmerinnen und ‑nehmer in der Sozialversicherung oder die Kürzung der Sozialhilfe. In der Asyl- und Migrationspolitik gilt weiter eine harte, im Mittelmeer mörderische Linie. Außerdem ist die Einführung einer präventiven „Sicherungshaft“ vorgesehen, die menschenrechtswidriger Repression Tür und Tor öffnet. Bei der Ressortaufteilung hat die ÖVP alles in der Hand:Finanzen, Wirtschaft, Inneres, Äußeres, Verteidigung, Landwirtschaft, Bildung, „Arbeitsmarkt“-Agenden und alle Geheimdienste. Kompromisse musste die ÖVP keine eingehen.
Grüne als „linker Rand“ des Kapitals
Den Grünen bleibt als Hauptprojekt das Infrastrukturministerium, eine Zusammenlegung der Ressorts Verkehr und Umwelt. Diese Quadratur des Kreises ist symptomatisch für die gesamte grüne Regierungsbeteiligung: Der neue Vizekanzler Werner Kogler war bereit, allerlei Prinzipien über Bord zu werfen und den Steigbügelhalter für Kurz zu machen.Weder gibt es Verbesserung im Bereich Soziales, Migration oder Lohn-/Massensteuern, noch wurden die schlimmsten arbeiter- und menschenfeindlichen Maßnahmen der ÖVP/FPÖ-Regierung infrage gestellt. Die Grünen setzen alles auf eine Karte – den Klimaschutz, haben aber wenig vorzuweisen: Man ist sich mit der ÖVP einig über Maßnahmen, die nur die arbeitenden Menschen, die ärmeren Schichten und die sozial Benachteiligten treffen – sie werden mit Verboten und Repressalien drangsaliert, während die Hauptverursacherinnen und ‑verusacher von Umweltverschmutzung und Klimawandel – die großen Konzerne – verschont bleiben.
Für die Grünen ist der Klimaschutz ein moralistisches Thema des Individualverhaltens, das zwischen schicker Lifestylepolitik und bevormundender Verbotspolitik pendelt, während der Blick für den auch die Umwelt zerstörenden Kapitalismus fehlt. Mit den Grünen in der Regierung erhalten wir Sozialabbau, Abschiebungen, Existenzunsicherheit, Repression und eine fanatische Unterstützung des EU-Imperialismus mit freundlichem Antlitz, grünem Mascherl – und der ständigen Ausrede auf Sachzwänge. Damit werden einige Illusionen über den Charakter der Grünen obsolet: Manchen galten sie als „links“, doch nun zeigt sich, dass sie lediglich den „linken“ Rand des Kapitals markieren.
Parlamentarische Opposition als Hindernis
Die parlamentarische Opposition wird der Regierung wenig entgegensetzen. Die NEOS sind nur eine besonders unverblümt radikalkapitalistische, modernistische Variante der ÖVP. Die FPÖ ist die rechtsextreme, demagogische Speerspitze des Kapitals mit deutschnationalem Einschlag und Korruptionsnachholbedarf. Und die SPÖ steht verdientermaßen vor dem Scherbenhaufen ihrer opportunistischen, klassenverräterischen und arbeiterfeindlichen Politik, die sie als Kanzlerpartei und gesellschaftliche Stütze des „neoliberalen“ Kapitalismus und EU-Imperialismus über Jahrzehnte betrieben hat. Die SPÖ ist längst keine Klassenpartei mehr und keine linke Kraft. Es kommt nun darauf an, den Widerstand gegen die neue Regierung des Kapitals aufzubauen – und die parlamentarische Opposition wird hierbei kein Verbündeter, sondern ein Hindernis sein. Es kommt darauf an, die arbeiter- und volksfeindliche Politik der Herrschenden, egal in welcher Regierungskoalition, zu entlarven und die Menschen darüber aufzuklären; die Arbeiterklasse zu mobilisieren und kämpferisch zu organisieren, für ihre Tagesinteressen und den Kampf gegen kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung.