Im Vereinigten Königreich kündigt sich eine weitere Reihe gewerkschaftlicher Kampfmaßnahmen an, die sich gegen das Missverhältnis von Teuerung und Löhnen richten. Was den Streikbewegungen noch fehlt, ist eine gemeinsame Koordinierung.
London. Abseits des Kasperltheaters der Tory-Führungswahlen steht Großbritannien angesichts der steigenden Inflation ein langer heißer Sommer und Herbst mit Streiks bevor.
Die Lokführergewerkschaft ASLEF hat für Streiks am 31. Juli gestimmt. Die andere große Eisenbahnergewerkschaft, RMT, die bereits Anfang des Monats drei Tage lang gestreikt hat, will am 27. Juli erneut streiken. Die Gewerkschaft der Bahnhofsaufseher, TSSA, hat ebenfalls für eine Arbeitsniederlegung votiert.
Hinzu kommt die massive Befürwortung von Streiks durch die Postbeschäftigten, die sich bei einer Wahlbeteiligung von 77 Prozent zu über 97 Prozent für diese Kampfmethode aussprachen. Darüber hinaus sind eine Reihe von Streiks von Busbeschäftigten in Manchester und Liverpool sowie voraussichtliche Streikabstimmungen von Staatsbediensteten und Lehrern im Herbst anzuführen. Sogar Junioranwälte sind in den Streik getreten, um darauf hinzuweisen, dass sie unter dem Mindestlohn bezahlt werden.
All diese gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen finden vor dem Hintergrund einer rasant steigenden Inflation statt, die in Großbritannien derzeit bei 9,4 Prozent liegt und voraussichtlich auf über elf Prozent ansteigen wird, während die meisten Lohnangebote bei etwa zwei Prozent liegen. Aus einem Bericht des Office of National Statistics ging letzte Woche hervor, dass die Reallöhne in Großbritannien so schnell sinken wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen.
Mick Lynch, der Generalsekretär der Gewerkschaft RMT, sagte: „Minister und Kommentatoren sagen, dass die Arbeitnehmer aufgrund des Inflationsdrucks keine Lohnerhöhungen fordern können. Aber die Inflation steigt nicht wegen der Lohnforderungen der Arbeitnehmer, sondern wegen der aufgeblähten Gewinne der Großunternehmen und einer Reihe von internationalen wirtschaftlichen Schocks.“
Ein von der Metallarbeitergewerkschaft Unite in Auftrag gegebener Bericht, deren Mitglieder sich in letzter Zeit auch an umfangreichen Streiks beteiligt haben, zeigt, dass die Unternehmensgewinne in den letzten sechs Monaten für fast 60 Prozent des aktuellen Inflationsanstiegs verantwortlich waren, während die Lohnerhöhungen nur acht Prozent ausmachten.
Doch wie üblich hat die Führung der Labour Party Streiks nicht unterstützt und ihren Abgeordneten sogar mit Disziplinarmaßnahmen gedroht, wenn sie sich mit den Streikenden solidarisieren. Dennoch haben sich mindestens elf Abgeordnete der Führung widersetzt und sich an den Streikposten beteiligt.
Mick Lynch ist auf YouTube ein Hit für seine Fernsehinterviews, in denen er Interviewer lächerlich macht und bei einer Gelegenheit einen Regierungsminister mindestens 15 Mal als Lügner bezeichnet, ohne dass der Minister ihm widersprechen konnte. Kürzlich sagte er, dass die Bahnstreiks so lange andauern würden, „wie es nötig ist“.
Unter anderem von Lynch werden zunehmend Forderungen nach einer Koordinierung der Streiks zwischen den verschiedenen Gewerkschaften und nach einer Änderung der Rolle des Trade Union Congress (TUC) laut, um dies zu ermöglichen.
Quelle: Morning Star