Die Parlamentswahl in Israel bringt einen Machtwechsel zugunsten Netanjahus und seiner rechtsextrem-religiösen Verbündeten. Das Regierungslager verliert, die Sozialdemokratie liegt am Boden, die Kommunisten bleiben stabil.
Jerusalem. Die israelische Parlamentswahl brachte einen starken Rechtsruck sowie das neuerliche Comeback von Benjamin Netanjahu, gegen den Korruptionsverfahren laufen und der von vielen schon abgeschrieben worden war. Seine nationalkonservative Likud-Partei gewinnt 32 der 120 Sitze in der Knesset und ist stärkste Fraktion. Gemeinsam mit den rechten und ultrareligiösen Verbündeten kommt man auf 65 Mandate und somit eine vergleichsweise bequeme Mehrheit zur Regierungsbildung. Maßgeblich hierfür war der Erfolg der „Religiös-Zionistischen Partei“, die mit 14 Mandaten auf dem dritten Platz landet – sie wird im Allgemeinen als rechtsextrem und rassistisch betrachtet. Hinzu kommen die Sitze der beiden anderen ultraorthodoxen Listen, Shas (11) und „Vereinigtes Thora-Judentum“ (8). Damit steht eine neue, abermalige Amtszeit von Netanjahu bevor, der schon 1996 erstmals Ministerpräsident war. Nur zur zeitlichen Einordnung: Damals hieß der österreichische Bundeskanzler noch Franz Vranitzky, der Papst Johannes Paul II., der US-Präsident Bill Clinton und der österreichische Fußballmeister Rapid Wien.
Heterogenes Regierungslager erleidet deutliche Niederlage
Die liberale Partei „Jesch Atid“ („Es gibt eine Zukunft“) des bislang geschäftsführenden Ministerpräsidenten Jair Lapid wurde zweitstärkste Kraft mit 24 Mandaten. Das bedeutet zwar ansehnliche Zugewinne, doch es fehlen die potenten Koalitionspartner. Die nationalliberale „Partei der nationalen Einheit“ von Benny Gantz fiel auf zwölf Sitze, die säkular-nationalistische Lieberman-Partei „Israel Beitenu“ auf fünf. Die Konkursmasse der Siedlerpartei „Jamina“ von Bennett, nach der vorherigen Wahl Co-Ministerpräsident Lapids, ist gar nicht mehr im Parlament vertreten. Die islamische Vereinigte Arabische Liste („Ra’am“), die ebenfalls der Regierung vom Juni 2021 angehörte, kommt auf fünf Mandate. Unterm Strich ergibt dies – wenn man auch noch die fünf Mandate der sozialdemokratischen Awoda („Die Arbeit“) hinzurechnet – für das bisherige Anti-Netanjahu-Lager nur noch 50 der 120 Parlamentssitze, womit es keinerlei Chance auf eine Regierungsmehrheit gibt.
Sozialdemokraten am Tiefpunkt, Kommunisten stabil
Die ehrwürdige und viele Jahre in Regierungsverantwortung stehende sozialdemokratische Arbeitspartei (Awoda), die politische Heimat historischer Persönlichkeiten wie Ben-Gurion, Meir, Rabin oder Peres, erreichte einen neuen Tiefpunkt: Sie stellt nur noch vier Abgeordnete. Noch schlimmer erwischte es die linkssozialdemokratische Partei Meretz, die an der 3,25-Prozenthürde scheiterte und erstmals seit ihrer Gründung den Parlamentseinzug verpasste. Damit stellen die Kommunisten nun die stärkste Kraft der klassischen linken Arbeiterparteien: Chadasch (Demokratische Front für Frieden und Gleichberechtigung), das Bündnis der Kommunistischen Partei Israels (KPI, Maki), kandidierte diesmal gemeinsam mit der kleinen säkularen „Arabischen Bewegung für Erneuerung“ (Ta’al) von Ahmad Tibi. Erreicht wurden beachtliche fünf Mandate, Fraktionsführer wird wieder Ayman Odeh.
Quelle: Haaretz