Wien. Gestern wurde ein für Österreich recht befremdliches Spektakel vorerst zu Ende geführt. Wie die Tagespresse nicht unironisch titelte, kam es zum ersten „roten Wahlsieg seit Jahren: SPÖler gewinnt Mitgliederbefragung“. Die SPÖ hat sich mit ihrer Mitgliederbefragung exponiert und vermeintlich eine richtungsweisende Entscheidung durch die Mitglieder heraufbeschworen. Grund war, dass die amtierende Vorsitzende Rendi-Wagner immer wieder in Kritik kam und der politische Erfolg der alten und traditionsreichen Sozialdemokratie außerhalb der sozialpartnerschaftlichen Institutionen, die man fest in der Hand hält, ausgeblieben ist.
Amerikanische Verhältnisse?
Hans Peter Doskozil, der als vermeintlicher Parteirechter gehandelt wird, hat also öffentlich genug Stunk gemacht, dass es zu einem amerikanisch anmutenden Szenario kam, wie Tibor Zenker, Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreich, an anderer Stelle bereits erläutert. Zenker hielt unter dem Titel Irrtümer der utopischen und Realsozialdemokratie fest: „Was auf den ersten Blick nach einer Demokratisierung der Vorsitzwahl aussieht, bedeutet in Wirklichkeit eine Amerikanisierung der Verhältnisse. Die SPÖ sucht nicht vorrangig eine Person für den Parteivorsitz, sondern einen Kanzlerkandidaten/eine Kanzlerkandidatin – also eine Person, die Wahlen gewinnen kann. Das erinnert an das US-Vorwahlsystem, wozu auch passt, dass 9.000 Menschen als kurzfristige Neubeitritte akzeptiert werden, die aktiv (und einzelne womöglich passiv) an der Wahl-Befragung teilnehmen können. Diese vermeintliche Offenheit markiert tatsächlich eine erschütternde Beliebigkeit. Und in aller Naivität freut man sich in der SPÖ, dass in den vergangenen Tagen und Wochen so viele Menschen Mitglieder geworden sind. Dass diese aber nicht beigetreten sind, weil sie die SPÖ so großartig finden, sondern nur, um die Befragung zu beeinflussen, ignoriert man. Diejenigen Neumitglieder, deren Kandidatin/Kandidat unterliegt, werden dementsprechend rasch wieder verloren gehen.“ Im Rahmen der Mitgliederbefragung, der sich neben Hans Peter Doskozil und Pamela Rendi-Wagner auch der Außenseiter Andreas Babler stellte, ging es also weniger um Inhalte als vielmehr um Personen. Wenngleich Babler mit einem echten sozialdemokratischen Programm ins Feld ging, behaupten die Anhänger von Doskozil selbiges von ihm.
Das spiegelte sich so auch im gestrigen Ergebnis wider, dass für alle außer Babler als Niederlage zu werten ist. Doskozil – der im Burgenland mit absoluter Merheit regiert – hat sich mit 33,68 Prozent der abgegebenen Stimmen „durchgesetzt“. Babler, der vielfach als Außenseiter galt, aber eigentlich der einzige mit einer wirklichen Sozi-Sozialisierung im Sinne einer SJ-Laufbahn ist, holte 31,51 Prozent. Rendi-Wagner kam auf 31,35 Prozent der Stimmen und hat nun auch bereits ihren Rückzug angekündigt. 3,46 Prozent waren gegen alle drei Optionen.
Am Parteitag am 3. Juni in Linz steht der Vorsitz einer offenbar gespaltenen Partei zur Wahl. Rendi-Wagner schlägt einen geordneten Wechsel des Parteivorsitzes und der Klubführung vor.
Babler sitzt am Tisch
Babler sitzt nun am Tisch, und damit derjenige, der vor der Mitgliederbefragung nichts mit der Parteiführung und den leitenden Gremien zu tun hatte und hier auch nicht zugelassen wurde, wird nun zu allen Gremien eingeladen, so Rendi-Wagner in ihrer Ankündigung des Rückzugs. Bereit vor dem Ergebnis zeigte sich Doskozil ebenfalls gesprächsbereit mit dem Traiskirchener Bürgermeister Babler, dennoch ließ er es sich nicht nehmen, diesen und auch Rendi-Wagner gestern auf ihre Plätze zu verweisen. Doskozil hielt fest: „Ich bin überrascht und sehr glücklich, dass dieses Ergebnis so ausgegangen ist, mit über zwei Prozent Mehrheit.“ Wäre er Zweiter geworden, auch mit nur einer Stimme Unterschied, hätte er „gewusst, was ich zu tun habe“. Damit verwies er auf die demokratische Entscheidung der Mehrheit. Babler bliebt jedoch bei dem, was er bereits vor der Verkündung der Ergebnisse immer wieder betonte, er stelle sich einer Wahl am Parteitag.
Babler ist somit durch die SPÖ-Eliten nicht mehr gänzlich zu ignorieren, aber wirklich Grund zur Hoffnung für die Arbeiterklasse bietet auch Babler nicht. Die vielen Illusionen, die durch seine Person in die Sozialdemokratie projiziert werden, werden viel Enttäuschung und Resignation zurücklassen. Die einzige Perspektive der Arbeiterklasse ist es, sich selbst für ihre Interessen einzusetzen. Ein ehrliches Angebot, sich für diese Interessen zu organisieren, bietet die Partei der Arbeit Österreichs.
Quellen: Die Tagespresse/ORF/Tiroler Tageszeitung/Der Standard