Bogotá. In Kolumbien bedeutet der Einsatz für sauberes Wasser, Nahrung und Böden ein lebensgefährliches Risiko. Im Jahr 2022 wurden 60 Umweltaktivisten getötet, fast doppelt so viele wie im Vorjahr. Die meisten dieser Morde bleiben ungesühnt. Aktivistinnen und Aktivisten sehen sich nicht nur tödlichen Angriffen, sondern auch Drohungen, Überwachung und Kriminalisierung ausgesetzt.
Ein besonders bekannter Fall ist die Kohlemine El Cerrejón. Die Berichte über durch Wasserverschmutzung verursachte Krankheiten und Todesfälle nehmen zu. Menschen, die gegen die Mine protestieren, erleben häufig Schikanen. Nächtliche Besuche von Vermummten, die die Aktivisten einschüchtern sollen, sind ebenfalls keine Seltenheit.
Doch El Cerrejón ist nur ein Beispiel unter vielen. Illegaler Abbau von seltenen Erden, Gold und Smaragden, Abholzung der Regenwälder und der Anbau von Monokulturen gefährden die fragile Ökologie der Region. Diese Waren, meist für den Export produziert, zerstören die Lebensgrundlage vieler Kolumbianerinnen und Kolumbianer.
Yuly Velásquez, die diesjährige Preisträgerin des Amnesty International Menschenrechtspreises, ist eine derjenigen, die sich gegen die Ausbeutung der Natur stellen. Die 39-jährige Fischerin und Vorsitzende des Fischereiverbands Fedepesan setzt sich für den Schutz des Río Magdalena ein, des längsten Flusses des Landes. Sie klagt gegen das größte Ölunternehmen Kolumbiens, Ecopetrol, wegen Umweltverschmutzung und Artensterben in den angrenzenden Gewässern.
Velásquez zahlt dafür einen hohen Preis. Sie hat bereits drei Attentate überlebt, und ihr Sicherheitsmann wurde vor ihren Augen erschossen. Sie hat ihr Fischerdorf verlassen und lebt nun unter Polizeischutz in Barrancabermeja. Trotz Verzweiflung und Angst kommt Aufgeben für sie nicht in Frage. „Ich komme aus einer Region, die stark durch den Bürgerkrieg beeinträchtigt wurde. Heute führen die Gewalt bewaffneter Gruppen und das Fehlen staatlicher Kontrolle zu Panik und Angst bei unserer Arbeit. Besonders gefährdet sind Frauen, die sich öffentlich gegen Umweltverschmutzung wehren“, so Velásquez.
Der Kampf der Umweltaktivisten in Kolumbien ist nicht nur ein Kampf gegen die Zerstörung der Natur, sondern auch für die Rechte indigener und bäuerlicher Gemeinschaften. Viele betroffene Gemeinden gehören zu den ärmsten und marginalisiertesten Bevölkerungsgruppen des Landes. Ohne Anbauflächen und Zugang zu Gewässern können sie sich nicht ernähren. Für sie geht es ums Überleben.
Trotz der vielen Herausforderungen gibt es auch vereinzelt Erfolge. Gerichte stoppten mehrfach Bergbau- und Ölprojekte aufgrund von Umweltschäden und Verletzungen der Rechte indigener Gemeinschaften. Ein Urteil des Obersten Gerichtshofs von 2018 erkannte den Amazonasregenwald als Rechtssubjekt an und verpflichtete die Regierung zu dessen Schutz.
Quelle: junge Welt