HomeFeuilletonWissenschaftEisschmelze in Grönland unumkehrbar

Eisschmelze in Grönland unumkehrbar

Nordamerikanische Forscher haben errechnet, dass das grönländische Inlandeis vollständig schmelzen wird. Dies ist eine Folge der globalen Erwärmung – mit wiederum klimapolitischen, wirtschaftlichen und geopolitischen Konsequenzen.

Columbus/Nuuk. Ein Wissenschaftlerteam der Ohio State University in Columbus (USA) legte im August 2020 eine neue Studie über den Rückgang des grönländischen Inlandeises vor. In der Untersuchung wurden Gletscherdaten aus den vergangenen vier Jahrzehnten analysiert und zu aktuellen Messungen in Bezug gesetzt. Das Fazit lautet: Die Eisschmelze ist unter gegebenen Bedingungen bereits unumkehrbar, da der jährliche Schneefall im Winter nicht mehr ausreicht, um die Verluste im Sommer wettzumachen. Dies bedeutet, dass bei fortgesetzter globaler Erwärmung Grönland früher oder später eisfrei werden würde, was freilich viele Jahrzehnte dauern dürfte. Doch der Rückzug der Gletscher und der kilometerdicken Eisdecke über dem eigentlichen grönländischen Boden ist bereits in vollem Gange.

Kilometerdicke Eisschicht über dem Boden

Bislang sind noch fast 80% der Fläche Grönlands – immerhin die größte Insel der Welt – von Eis bedeckt. Der Eisschild ist stellenweise bis zu dreieinhalb Kilometer dick, im Durchschnitt immer noch zwei Kilometer. Die gegenwärtig eisfreien Gebiete an der Süd‑, Südwest- und Westküste machen in Summe zwar eine Fläche aus, die größer ist als jene Deutschlands, doch verbleiben damit immer noch 1,7 Millionen Quadratkilometer Inlandeis (entsprechend der Größe des Irans oder Libyens). Unterm Strich ergibt dies somit etwa 2,9 Millionen Kubikkilometer oder ca. 2,67 Millionen Gigatonnen Eis. Sollte tatsächlich das gesamte Inlandeis Grönlands abschmelzen, so würde dadurch der Wasserspiegel der Ozeane weltweit um bis zu sieben Meter ansteigen. Dadurch wären nicht nur flache Atolle überschwemmt, sondern ein Gutteil aller bisherigen Meeresküsten – natürlich auch die grönländischen, inklusive der Hauptstadt Nuuk. Gegenwärtig verwandeln sich jährlich schon bis zu 300 Milliarden Tonnen Eis in Wasser und dieser Prozess beschleunigt sich massiv, es handelt sich um eine Versechsfachung seit 1980 – und nun sei, so die Wissenschaftler aus Ohio, der „point auf no return“ überschritten. Der menschengemachte Klimawandel forciert den Vorgang natürlich, weswegen Umwelt- und Klimaschutzgruppen längst alarmiert sind. In Grönland selbst betrachtet man den Rückgang des Inlandeises jedoch auch von einer positiven Seite.

Zugang zu Mineralen, Öl und Erdgas

Das riesige Territorium Grönlands, das von nur 55.000 Menschen bewohnt wird, ist politisch zwar weitgehend autonom (Ausnahme Außenpolitik und Verteidigung), ökonomisch jedoch von den de facto immer noch vieles bestimmenden Kolonialherren aus Dänemark abhängig. Die sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme sind massiv und stehen einer vollen Unabhängigkeit von Dänemark gewissermaßen im Wege. Sowohl die in Nuuk regierende sozialdemokratische Siumut-Partei als auch die oppositionelle linkssozialistische Ataqatigiit erhoffen sich durch die Freilegung des Bodens sowie der Meereszone im Norden den Zugang zu Bodenschätzen (Zink, Uran, seltene Erden) und fossilen Ressourcen (Erdöl/-gas), die bisher unter der Eisdecke verborgen sind. Auch die landwirtschaftlich nutzbare Fläche könnte sich natürlich erweitern. Beide Parteien betrachten daher eine auf Bergbau und Ölförderung basierende ökonomische und finanzielle Autarkie als Voraussetzung vollständiger staatspolitischer Unabhängigkeit von Dänemark. Allerdings wird man – abgesehen von den Folgen für Klima, Wasserspiegel und Ökosystem – auch neue Begehrlichkeiten des US‑, britischen und EU-Monopolkapitals in Betracht ziehen müssen. Erst vor wenigen Monaten unterbreitete US-Präsident Trump der dänischen Regierung ein Kaufangebot für Grönland. Dieses wurde in Kopenhagen ebenso wie in Nuuk deutlich zurückgewiesen, weshalb Trump danach von einem Scherz sprach. Doch der imperialistische Hintergrund ist durchaus ernst: Einen US-Militärstützpunkt gibt es schon seit dem Zweiten Weltkrieg, seit 2010 existiert eine erste britische Bohrplattform in der Disco-Bucht vor Grönlands Westküste.

Quelle: Ohio State News

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