In Tirol spitzt sich die soziale Lage zu: Sozialmärkte, Caritas und Rotes Kreuz verzeichnen einen starken Anstieg bei Menschen, die auf günstige Lebensmittel, Beratung und finanzielle Soforthilfe angewiesen sind. Besonders junge Familien geraten zunehmend unter Druck.
Innsbruck. Sozialeinrichtungen in Tirol verzeichnen einen deutlichen Anstieg der Armut. Sowohl die Caritas Tirol als auch lokale Initiativen wie der Barbara Laden in Schwaz berichten von einem stetig wachsenden Andrang in Sozialmärkten und Beratungseinrichtungen. Die Nachfrage nach günstigen Lebensmitteln, Hygieneartikeln und Unterstützung in akuten Notlagen nimmt spürbar zu.
Wachsende Nachfrage in Sozialmärkten und Beratungseinrichtungen
Besonders betroffen seien junge Familien, Alleinerziehende sowie Menschen, die sich gerade getrennt haben. Evelyn Schiestl, Leiterin des Barbara Ladens, erklärt, sie stelle im Durchschnitt wöchentlich drei neue Einkaufsberechtigungen für den Sozialmarkt aus. Dort können Personen mit geringem Einkommen Lebensmittel und Hygieneprodukte zu reduzierten Preisen erwerben. Einen „spürbaren Anstieg“ beobachtet sie insbesondere bei jungen Familien. Schiestl berichtet von Haushalten, „in denen der Mann ein durchaus normales Einkommen hat und auch viele Überstunden leistet, und trotzdem sind die Ausgaben höher als das Einkommen“.
An einem einzelnen Vormittag besuchen bis zu 50 Kundinnen und Kunden den kleinen Laden der Pfarre St. Barbara, der seit 19 Jahren von einem Verein gemeinsam mit der Caritas betrieben wird. Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter holen täglich Spenden aus Lebensmittelgeschäften in Schwaz und Umgebung ab. Zusätzlich werden je nach Spendenlage einmal pro Woche Waren zugekauft. Der Großteil der Kundschaft stammt aus der Region; vertreten sind alle Altersgruppen.
Neben finanzieller Not spiele auch Einsamkeit eine zunehmende Rolle, so Schiestl. Wer kein Geld habe, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, sei stärker von sozialer Isolation bedroht. Um dem entgegenzuwirken, betreibt der Verein das Café „Begegnung“ direkt neben dem Verkaufsraum. Auch dieses werde von immer mehr Menschen genutzt.
Kritik an Kürzungen und wachsende Belastung im Sozialbereich
Caritas-Direktorin Elisabeth Rathgeb bestätigt den zunehmenden Zulauf zu Unterstützungseinrichtungen. Viele armutsgefährdete Menschen blieben im öffentlichen Bewusstsein unsichtbar, „viele haben das Gefühl, diese Armut gibt es gar nicht bei uns in Tirol“. Umso wichtiger sei es, dass diese Menschen weiterhin Hilfe erhielten. Rathgeb kritisiert Kürzungen im Sozialbereich scharf, da sie „genau jene Menschen treffen, die jetzt schon nicht mehr über die Runden kommen“. Sie fordert „ein armutsfestes Sozialnetz“ sowie eine Bündelung der Sozialleistungen, um Betroffene zu entlasten und ihre Abhängigkeit von Einzelansuchen zu reduzieren.
Während Lebensmittelausgaben der Caritas in Wien und Niederösterreich zuletzt einen sehr starken Anstieg meldeten, zeigt sich dieses Bild in Tirol bei den Team Österreich Tafeln bislang noch nicht. Christine Widmann, Pressesprecherin des Roten Kreuzes Tirol, betont jedoch, dass sich Entwicklungen aus dem Osten häufig zeitverzögert im Westen bemerkbar machten. „Wir gehen daher davon aus, dass sich die aktuelle Entwicklung in Wien auch in Tirol niederschlagen wird“, so Widmann.
Bereits deutlich gestiegen sind beim Roten Kreuz in Tirol die Anträge auf Spontanhilfe. Diese Form der Unterstützung richtet sich an Menschen in akuter finanzieller Not, die kurzfristig Hilfe benötigen. Die Zunahme sei nach Einschätzung des Roten Kreuzes sowohl auf Kürzungen im Sozialbereich als auch auf die bevorstehende Weihnachtszeit zurückzuführen, die viele Haushalte zusätzlich belaste, wie Widmann erläutert.
Insgesamt bestätigen alle Einrichtungen: Armut in Tirol nimmt zu – und immer mehr Menschen sind auf Unterstützung angewiesen.
Quelle: ORF


















































































