Der brasilianische Senat hat ein Gesetz verabschiedet, das die Haftstrafen für die Beteiligten am Putschversuch vom 8. Januar 2023 deutlich reduziert. Präsident Lula will das Gesetz stoppen, doch das Mitte-rechts-Lager verfügt über die nötigen Mehrheiten, um sein Veto zu überstimmen.
Brasília. Mit 48 zu 25 Stimmen stimmte der brasilianische Senat für eine Gesetzesänderung, die die Strafen für die Beteiligten am Angriff auf die staatlichen Institutionen am 8. Januar 2023 senkt. Damals hatten rund tausend Anhänger des ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro den Präsidentenpalast, den Kongress und weitere zentrale Gebäude in Brasília gestürmt, um die Amtseinführung von Luiz Inácio Lula da Silva zu verhindern. Der Oberste Gerichtshof wertete die Ereignisse als „echten Versuch eines Staatsstreichs“, der darauf abzielte, Bolsonaro trotz seiner Wahlniederlage im Oktober 2022 an der Macht zu halten.
Ein Gesetz mit klaren Gewinnern
Hauptprofiteur der Neuregelung ist Bolsonaro selbst. Der ehemalige Präsident wurde wegen seiner Rolle im Zusammenhang mit dem Putschversuch zu 27 Jahren Haft verurteilt und sitzt derzeit in einer Kaserne der Bundespolizei in Brasília ein. Nach dem ursprünglichen Urteil hätte er frühestens ab dem 23. April 2033 einen Teil der Strafe außerhalb des Gefängnisses verbüßen können. Durch die nun beschlossene Gesetzesänderung verkürzt sich dieser Zeitraum auf etwa zwei Jahre, sodass Bolsonaro bereits nach 24 Monaten Anspruch auf Hausarrest haben könnte – trotz einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Delikten wie krimineller Vereinigung und der gewaltsamen Abschaffung des demokratischen Rechtsstaats.
Hinzu kommt, dass sich dieser Zeitraum aufgrund seines Gesundheitszustands weiter verkürzen könnte. Die Ärzte der Bundespolizei prüfen derzeit, ob sich Bolsonaro wegen zweier Leistenhernien einer weiteren Operation unterziehen muss. Sollte es dazu kommen und der Oberste Gerichtshof keine gegenteilige Entscheidung treffen, dürfte er die Genesungsphase in seiner Wohnung in Brasília verbringen.
Strafnachlässe, Geständnisse und politischer Konflikt
Das Gesetz betrifft nicht nur Bolsonaro. Es sieht Strafmilderungen für alle Personen vor, die am Putschversuch beteiligt waren. Bislang verurteilte der Oberste Gerichtshof 29 Militärs und Politiker zu insgesamt 498 Jahren Haft. Zusätzlich wurden rund 800 Demonstranten während des Angriffs auf das Parlament festgenommen. Durch eine pauschale Reduktion der Strafen um ein Drittel könnte die gesamte Führungsspitze des Putschversuchs bereits Anfang 2027 wieder auf freiem Fuß sein. Kritikerinnen und Kritiker sprechen von einer faktischen Amnestie, die auch geständigen Angeklagten zugutekommt.
Zu diesen gehört Mario Fernandes, der frühere persönliche Sekretär Bolsonaros. Er wurde vergangene Woche ebenfalls zu 27 Jahren Haft verurteilt. Vor Gericht bestätigte Fernandes, das Dokument mit dem Titel „Punhal Verde Amarelo“ selbst verfasst zu haben – einen detaillierten Plan, der die Ermordung Präsident Lulas sowie die Entführung des Obersten-Richters Alexandre de Moraes vorsah. Zwar erklärte Fernandes, er habe diesen Plan nicht mit anderen geteilt, doch laut Urteil druckte er das Dokument im Präsidentenpalast aus und brachte es kurz darauf in den Palácio da Alvorada, wo er Bolsonaro traf. Ein Treffen, das Bolsonaro stets bestritten hatte, das vom Gericht jedoch als erwiesen angesehen wurde.
Präsident Lula reagierte scharf auf den Beschluss des Senats und kündigte an, sein präsidiales Veto einzulegen, um das Inkrafttreten des Gesetzes zu verhindern. In einem Interview erklärte er, Bolsonaro müsse für den Versuch, die brasilianische Demokratie zu zerstören, zur Verantwortung gezogen werden. Die Verfassung erlaubt es dem Kongress jedoch, ein Veto mit einer qualifizierten Mehrheit von 257 Abgeordneten und 41 Senatoren zu überstimmen. Über diese Mehrheiten verfügt derzeit das Mitte-rechts-Lager, das Bolsonaro politisch nahesteht. Damit ist offen, ob Lulas Veto den Beschluss tatsächlich aufhalten kann.
Quelle: IlFattoQuotidiano





















































































