Wien/Berlin/Kiew. Der ukrainische Botschafter in Wien forderte den österreichischen Nationalrat auf, den „Holodomor“ als Völkermord anzuerkennen. Zwar sind ukrainische Faschisten und Nationalisten seit jeher die eifrigsten Vertreter der Holodomor-Lüge, sie sind aber bei weitem nicht die einzigen. Auch zahlreiche Regierungen schließen sich der Geschichtsfälschung an. Bis dato erkennen schon mehr als 20 Regierungen den „Holodomor“ als Völkermord an, darunter Polen, Australien, Kanada, die USA, Spanien, Tschechien und einige Länder Lateinamerikas. Auch das EU-Parlament bezeichnete 2008 den „Holodomor“ als Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Der Begriff „Holodomoro“ ist eine ukrainische Wortneuschöpfung. Sie bedeutet so etwas wie „Mord durch Hunger“ oder „Hungermord“. Der Autor Thanasis Spanidis hält 2017 in der jungen Welt fest, dass klangliche Ähnlichkeit mit dem Wort „Holocaust“ wohl beabsichtigt sei. Vor allem aber sei der „Holodomor“ eins: ein Märchen und keine geschichtliche Tatsache.
Deutscher Bundestag betreibt Geschichtsfälschung
Laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung wurde am Mittwochabend die Hungersnot von 1932 und 1933 in der Ukraine im Deutschen Bundestag offiziell als Völkermord anerkannt. Ein gemeinsamer Antrag von Ampelkoalition und Unionsfraktion wurde mit großer Mehrheit der Abgeordneten gebilligt, in dem von einem „menschenverachtenden Verbrechen“ die Rede ist. Weiter wird davon berichtet, dass in der Bundestagsdebatte alle Fraktionen den Holodomor verurteilten, doch die AfD und die Linke enthielten sich bei der Abstimmung über den Antrag.
Auch in Österreich gibt es Stimmen für den Geschichtsrevisionismus
Der ukrainische Botschafter in Wien, Wassyl Chymynez, forderte den österreichischen Nationalrat ebenfalls auf, den „Holodomor“ als Genozid anzuerkennen.
Der Menschenrechtssprecher der NEOS signalisiert Zustimmung und hält fest: „Es wird ein erster wichtiger Schritt sein, wenn Österreich, entsprechend dem schon im Nationalrat eingebrachten Antrag, den Holodomor als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anerkennt“. Weiter fordert er: „Dem Beispiel des Deutschen Bundestags folgend, sollte Österreich jedoch weitergehen und den Holodomor als das bezeichnen, was er war: Ein Völkermord.“
Auch die Grünen zeigen sich offen. Vienna.at berichtet, dass sie sich am Freitag für eine Prüfung ausgesprochen hätten. Es sei „zu prüfen, ob der Nationalrat den Holodomor im Großraum der Ukraine nicht wie viele Parlamente anderer europäischer Länder gleichfalls als Völkermord anerkennt“, erklärte die außenpolitische Sprecherin Ewa Ernst-Dziedzic in einer Aussendung. „Es gibt große Parallelen zwischen dem damaligen Holodomor und den heutigen Versuchen Russlands, die Ukraine in die Steinzeit zurückzubomben.“
Der Ursprung der Lüge des Hungergenozids
1935 veröffentlichten US-Zeitungen des Medienmoguls William Randolph Hearst Hearst – eines der reichsten Männer der Welt und glühender Anhänger von Hitler und Mussolini – eine Artikelserie über die „ukrainische Hungersnot“. Diese Beiträge stellten sich jedoch als Fälschungen heraus. Das Geschriebene war erfunden und auch die in der Berichterstattung verwendeten Fotografien stammten nicht aus den Jahren 1932/33 in der Ukraine. Die Bilder gehörten in andere historische Kontexte, aus Österreich-Ungarn während des Ersten Weltkriegs oder Russland während der Hungersnot von 1921/22.
Diese peinlichen Enthüllungen hielten und halten natürlich kaum jemanden davon ab, die Schauermärchen dennoch zu übernehmen. Das diente schon der Nazipropaganda gegen den „jüdischen Bolschewismus“ und dient auch den Interessen der Herrschende heute.
„Es hatte während der faschistischen Besatzung der Ukraine vor allem in den westlichen Gebieten eine Kollaborationsbewegung gegeben. Die Ukrainische Aufstandsarmee (UPA) war unter ihrem Führer Stepan Bandera (1909–1959) an schwersten Kriegsverbrechen gegen polnische, jüdische und prosowjetische Zivilisten beteiligt gewesen und assistierte den Einheiten der SS und der Wehrmacht auch bei der Durchführung des Judenmords. Der zentrale Opfermythos, der die Verbrechen der UPA verdrängen oder zumindest verständlicher machen soll, ist der ‚Holodomor‘ “, hält Spanidis in seiner Auseinandersetzung fest.
Der Mythos des Holodomor ist bis heute zählebig und weit verbreitet. Nach wie vor erfreut sich das Holodomor-Standardwerk Harvest of Sorrow des britischen Historikers und Geheimdienstmitarbeiters Robert Conquest aus dem Jahr 1986 einer gewissen Beliebtheit. Die wichtigsten westlichen Historikerinnen und Historiker, die sich mit der Geschichte der Sowjetunion befasst haben, verwarfen jedoch allesamt die Publikation als unwissenschaftlich und schätzten Conquests Kernthese vom „Hungergenozid“ als absurd ein.
Der Mythos
Folgendes soll sich in den Jahren 1932/33 den Geschichtsrevisionisten zufolge abgespielt haben: Stalin, der in den Debatten zumeist gleichgesetzt wird mit der gesamten sowjetischen Führung, habe die Bauern sowie die Ukrainerinnen und Ukrainer besonderes verachtet. Um den Widerstand der ukrainischen Bauern zu brechen, habe er beschlossen, die Ukrainerinnen und Ukrainer einer fürchterlichen Hungersnot zu unterwerfen. Auch sei das Ziel gewesen, die Landwirtschaft auspressen, um damit die Industrialisierung der Sowjetunion zu finanzieren.
Als die Hungernot ausbrach, habe die Regierung die Republikgrenzen geschlossen, um jede Flucht unmöglich zu machen, unterdessen aber weiterhin munter Millionen Tonnen Getreide exportiert. Das Ergebnis dieser gewollten Hungersnot seien je nach Darstellung sieben, zehn oder vierzehn Millionen Tote gewesen. Dass die „Schätzungen“ knapp oberhalb der Opferzahl des faschistischen Genozids an den Jüdinnen und Juden ansetzen, dürfte, so die Einschätzung von Spanidis, kein Zufall sein.
Was geschah 1932/33?
Tatsächlich hat sich jedoch fast nichts so ereignet, wie es der beschriebene Mythos behauptet: Die sowjetische Führung wollte zu keinem Zeitpunkt der Geschichte irgendeine Hungersnot, sondern hat darin im Gegenteil über Jahrzehnte eine ständige Gefahr gesehen. Sie unternahm sogar einiges, um sie einzudämmen.
Auch für die Behauptung, Stalin habe die Bauern und/oder die Ukrainerinnen und Ukrainer verachtet oder gar gehasst, gibt es keinerlei Belege, wohl aber zahlreiche für das Gegenteil.
Die Behauptung einer „menschengemachten“, also bewusst herbeigeführten Hungersnot ist falsch. In Wahrheit waren natürliche Faktoren entscheidend. Auch, dass die Sowjetunion in Ignoranz des Hungers ihre Getreideexporte fortgesetzt habe, ist eine stark verzerrte Sichtweise. Darüber hinaus dürfte schließlich auch die behauptete Zahl der Hungertoten übertrieben sein.
Es ist jedoch nicht zu bezweifeln, dass sich 1932/33 in Teilen der Sowjetunion eine schwere Hungersnot mit vielen Todesopfern ereignete.
Unter seriösen Historikerinnen und Historikern gibt es einen gewissen Streit über die Ursachen der Hungersnot. Zentral ist in diesem Zusammenhang die Frage, zu welchem Grad nicht nur Umweltfaktoren, sondern eben auch politische Entwicklungen zur Verschärfung der Lage beitrugen.
Spanidis zufolge sehen Robert Davies und Stephen Wheatcroft in der Agrarpolitik der Sowjetregierung den Hauptgrund für die Hungersnot: „Die Kollektivierung der Landwirtschaft sei mit halsbrecherischer Geschwindigkeit durchgesetzt worden bei gleichzeitiger Erhöhung der Getreideabgaben, um durch die Industrialisierung bewirkte Ausfälle zu decken. Die beginnende Ausstattung der Bauern mit Traktoren, verbessertem Saatgut und Kunstdünger habe den Zusammenbruch der Landwirtschaft nur teilweise kompensieren können. Die Autoren betonen jedoch, dass die Hungersnot unerwartet kam und in höchstem Maße unerwünscht war. Die Gegenmaßnahmen der Regierung reichten dann jedoch nicht mehr aus, um ein Massensterben zu verhindern.“
Ungünstige Umweltfaktoren lösten Hungersnot aus
Der renommierte Experte der sowjetischen Agrargeschichte Mark B. Tauger hat dagegen nicht nur die Version einer beabsichtigten Hungersnot, sondern auch die einer unbeabsichtigten, aber dennoch „menschengemachten“ Katastrophe einer tiefgehenden Kritik unterzogen. Er verfolgt im Kern zwei Argumentationslinien: Zunächst bietet er eine umfassendere Analyse der Faktoren, die zur Hungersnot geführt haben, als alle anderen Autorinnen und Autoren und weist nach, dass die Umweltbedingungen als Ursache der Hungersnot den bei weitem wichtigsten Faktor darstellten. Das Zusammenkommen mehrerer enorm ungünstiger Faktoren löste also eine schwere Krise der Nahrungsproduktion aus, die jedem damaligen Landwirtschaftssystem große Probleme bereitet hätte. Die Nahrungsengpässe und Hungersnöte der vergangenen Jahre hatten auch den Bestand an Zugpferden stark in Mitleidenschaft gezogen, was die Kapazität zum Pflügen der Felder verringerte.
Die vieldiskutierten „menschengemachten“ Faktoren spielen in Taugers Analyse demgegenüber nur eine sekundäre Rolle. Durch die Industrialisierung zogen viele landwirtschaftliche Arbeitskräfte in die Städte. Die Kollektivierung beeinträchtigte wohl kurzfristig ebenfalls die Ernte, weil sie mit der Umsiedlung der wohlhabenden Bauern (Kulaken) einherging und widerständige Bauern Getreide oder Vieh vernichteten. Das fiel aber nicht so stark ins Gewicht, weil die Kulaken in der Regel ihre Tätigkeit fortsetzten und weil bäuerlicher Widerstand nicht das Fehlen vieler Millionen Tonnen Getreide erklären kann.
Insgesamt hält Tauger jedoch fest, dass ein außergewöhnliches Zusammentreffen extrem ungünstiger Umweltfaktoren eine Hungersnot auslöste, die durch den Mangel an Arbeits- und Zugkraft, Fälle von Missmanagement und bäuerlicher Sabotage in einem nicht genau quantifizierbaren Ausmaß verschärft wurde.
Die Regierung war sich der Gefahr einer Hungersnot bewusst, unterschätzte sie aber, da der sowjetische Staat zu diesem Zeitpunkt weder ausreichend über effektive Informationsbeschaffungssysteme noch über landwirtschaftliches Expertenwissen verfügte.
Die Getreideexporte
Die Getreideexporte, die oft als Beleg angeführt wurden, dass die Regierung den Hungertod von Millionen in Kauf nahm, wurden in Wirklichkeit nach Ausbruch der Hungersnot drastisch reduziert: Mitte 1931 bis Mitte 1932 waren noch 4,7 Millionen Tonnen exportiert worden, im Folgejahr nur noch 1,6 Millionen, davon nur 220.000 Tonnen im ersten Halbjahr 1933 – gemessen an der Gesamtgröße der Ernte eine minimale Größe.
Die staatlichen Getreidereserven waren eine ständige Sorge der Sowjetführung, die den Aufbau solcher Reserven für den Kriegsfall als wichtige Priorität sah. Dennoch wurden diese nun weitgehend für die Ernährung der Bevölkerung aufgebraucht, einschließlich der Getreidelager der Roten Armee.
Insgesamt wurden 5,76 Millionen Tonnen an Nahrung und Saatgut in die Hungergebiete geliefert, die größte Hungerhilfe der sowjetischen und russischen Geschichte. Da die Ernte insgesamt bei weitem zu niedrig war, bildete das Politbüro der Kommunistischen Partei ab September 1932 eine Kommission zur Ernteverbesserung. Spätestens jetzt hatte die Hungersnot die volle Aufmerksamkeit der politischen Führung.
Das Landwirtschaftsministerium legte Programme zur Schädlingsbekämpfung und Erntesteigerung mit verbessertem Saatgut auf. Ineffizient arbeitende Funktionäre auf dem Land wurden durch erfahrene Bauern ausgetauscht. Neue Gesetze sollten auch durch Strafen die Arbeitsdisziplin verbessern. Politische Abteilungen wurden in den Maschinen-Traktoren-Stationen auf dem Land sowie in den Staatsfarmen gegründet, um die Arbeitsorganisation zu verbessern. Die unkontrollierte Binnenmigration hungernder Menschen wurde deshalb eingeschränkt, um die Bauern dazu zu bringen, weiter ihre Felder zu bestellen.
Die genaue Betrachtung ergibt damit das Bild einer Staats- und Parteiführung, die ernsthaft darum bemüht war, eine Hungersnot zu bekämpfen, aber bei weitem nicht die dafür erforderlichen Ressourcen hatte.
Die Kollektivierung
Taugers zweite Argumentationslinie besteht darin, die Kollektivierung in den Kontext der russischen und sowjetischen Agrargeschichte zu stellen. Verschiedene Autoren haben die Kollektivierung der Landwirtschaft als politisch motivierte Entscheidung dargestellt, die ökonomisch desaströs war, aber dazu diente, die Opposition der Bauern zu brechen und die Getreideabgaben zu erhöhen.
Diese Position lässt sich aus den historischen Quellen jedoch nicht nur nicht belegen, sondern steht im direkten Widerspruch zu den tatsächlich nachweisbaren Motiven der kommunistischen Führung. Diese betrachtete die Unterentwicklung der Landwirtschaft als zentrales Hindernis für den sozialistischen Aufbau und eine ausreichende Ernährung der Bevölkerung. Tatsache ist, dass im Zarenreich und den Jahren nach der Revolution die landwirtschaftliche Produktivität so niedrig war, dass jede Störung der normalen Ernteabläufe ausreichte, um eine Hungersnot auszulösen. So hatte es 1891/92 eine Hungersnot gegeben, 1918–22 dann eine extrem schwere während des Bürgerkriegs und weitere wiederum in den Jahren 1924/25, 1927 und 1928/29.
Die Wahrnehmung der sowjetischen Kollektivierung insgesamt ist, wie Mark B. Tauger zeigt, vollkommen verzerrt. Dazu haben nicht nur Leute wie Snyder beigetragen, sondern auch seriösere Historiker. Die Kollektivierung war trotz ihrer Probleme insgesamt durchaus erfolgreich.
Diskreditierung und Mobilisierung
Beim „Holodomor“ handelt es sich also um einen besonders dreisten Fall von Geschichtsfälschung, da jedes Detail des relativ gut erforschten Ereignisses der These eines gewollten „Völkermords“ widerspricht.
Der „Holodomor“ erfüllt offenkundig – wie Spanidis festhielt – mindestens eine dreifache politische Funktion:
Erstens und vor allem geht es darum, das aus der Oktoberrevolution hervorgegangene System als mörderische und menschenverachtende Diktatur darzustellen und damit die Vision einer sozialistischen Gesellschaft an sich zu diskreditieren.
Zweitens wollen bestimmte Kreise mit dem „kommunistischen Völkermord“ die Verbrechen der deutschen Faschisten und ihrer Verbündeten, insbesondere ihrer ukrainischen Hilfstruppen, relativieren.
Und drittens schließlich ist der „Holodomor“ ein nützliches Propagandainstrument im Dienste des westlichen Imperialismus und der fanatisch antirussisch eingestellten Regierungen in Osteuropa, allen voran der ukrainischen. Auch vor diesem Hintergrund ist das Thema aktuell ein willkommenes Propagandawerkzeug.
Hinweis: Ausführlich beschäftigt sich Thanasis Spanidis in seinem 2017 in der „jungen Welt“ erschienenen Artikel „Der erfundene Völkermord“ mit den Ereignissen Anfang der 1930er Jahren in der Sowjetunion.
Quellen: Vienna.at/FAZ/junge Welt