Wie üblich gab’s am Kitz-Wochenende drei Ski-Rennen von mutmaßlich globaler Bedeutung. Doch die Corona-Pandemie machte einen Strich durch die elitäre Rechnung.
Kitzbühel. Das vergangene Wochenende in verlängerter Form stand sportlich im Zeichen des Skiklassikers von Kitzbühel – wie jedes Jahr in der zweiten Jännerhälfte standen die Hahnenkammrennen auf dem Programm. Diese haben Tradition seit 1931, seit 1967 im Ski-Weltcup (der Männer) – und nach österreichischer Lesart und Inszenierung handelt es sich dabei um das wichtigste, größte, bärigste und überhaupt Ski-Event der Welt. Neben der berühmten Abfahrt von der Streif-Alm kommt es hier üblicherweise auch zum Slalom am Ganslernhang, seit 20 Jahren zusätzlich zu einem Super‑G (ebenfalls auf der Streif). Im Jahr 2021 war einiges anders – natürlich Corona-bedingt.
Programmierte Umprogrammierung ohne Gewähr
Zunächst war die normalerweise um eine Woche vorgelagerte Klassiker-Veranstaltung von Wengen abgesagt worden, da man im Berner Oberland von einer Durchführung unter Pandemiebedingungen vernünftiger Weise Abstand nahm. Beim internationalen (FIS) und österreichischen Skiverband (ÖSV) gebar dies die Idee, das Lauberhornrennen nach Kitzbühel zu verlegen. Das war zunächst insofern schade, als die Schweizer Abfahrt im Angesicht von Eiger, Mönch und Jungfrau eigentlich nochmals spektakulärer ist als die Hahnenkammabfahrt (aber das darf man in Österreich nicht öffentlich sagen). Wie auch immer: Durch diese Entscheidung standen also zwei Streifabfahrten auf der to-do-Liste im Tiroler Leukental. Dann wurden jedoch die Corona-Cluster rund um einen internationalen Skilehrer-Kurs (ja, sicher: „Skilehrer“) im benachbarten Jochberg publik, weswegen der Ganslern-Slalom vor- und von Kitzbühel nach Flachau in Salzburg verlegt wurde. So blieben also wieder drei Rennen für Kitz, zwei Abfahrten, ein Super‑G. Das hat dann eh auch nicht programmgemäß funktioniert, die freitägliche Wengen-Ersatz-Abfahrt wurde nach 30 Läufern abgebrochen (u.a. weil der Zielsprung wiedermal zu gefährlich präpariert war), aber trotzdem gewertet, die eigentliche (samstägliche) Hahnenkammabfahrt winterbedingt auf Sonntag verschoben, der Super‑G von Sonntag auf Montag.
Schweiz 2, Österreich 1 – eigentlich ein Debakel
Sportlich war’s wieder wenig erbaulich für die selbsternannte „Ski-Nation Nr. 1“, denn beide Abfahrten gewann der Schweizer Beat Feuz. Solche Heimniederlagen wurmen natürlich die qualvoll-selbstbewusste österreichische Seele, da konnte der Super-G-Sieg von Vincent Kriechmayr auch nicht mehr viel wettmachen. Die Weltcup-Nationenwertung, die Österreich statistisch in 42 von 54 Fällen gewinnt, wird in dieser Saison wieder an die Eidgenossen gehen, im Gesamtweltcup der Männer wie Frauen spielen die rot-weiß-roten Aktiven keine Rolle. Der ÖVS hat offensichtlich erheblichen Aufholbedarf (insbesondere übrigens im Riesentorlauf, geschlechterübergreifend), was zwei Wochen vor Beginn der alpinen Ski-Weltmeisterschaft in Cortina d’Ampezzo eine späte, dringliche und aussichtslose Erkenntnis ist. Die Erwartungshaltung in der Ski-Nation und Alpenrepublik wäre eben ein bissel höher gelegen, sogar im Marchfeld und im burgenländischen Teil der Pannonischen Tiefebene. Vielleicht sollte man Herrn Schröcksnadel langsam mal in sein Jahrhundert zurückschicken? Sonst wird die Mausefalle auch in den kommenden Jahren regelmäßig über dem eigenen Kopf zuschnappen.
Society in der Bedeutungslosigkeit
Trotzdem hatte das Hahnenkamm-Wochenende auch seine positiven Seiten – ebenfalls Corona-bedingt. Normalerweise verwandelt sich das ohnedies mondän inszenierte Kitzbühel zum fraglichen Termin immer in einen beinahe flächendeckenden VIP-Bereich, mit einem Auflauf von reichen und/oder schönen Stars und Promis, aber auch von allerhand Wichtigtuern, die auch schon mal fotografiert wurden. Die Bundesregierung lässt sich blicken im Society-Blitzlicht, Arnold Schwarzenegger wird eingeflogen und Bernie Ecclestone bestmöglich entmumifiziert, während Andreas Gabalier darauf achtet, dass ihm die Weißwurst nicht im oxidierten Kehlchen steckenbleibt. Heuer nicht: Aus Pandemiegründen gab es keine Zuschauer an der Streif, derer es in anderen Jahren ja um die 100.000 sind. Freilich, ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden für die Kleinstadt und die Region, nachdem der Wintertourismus sowieso schon ausfällt. Aber eben auch eine erholsame Atempause. Denn wer schon mal dort war, weiß: Kitzbühel ist die Hölle – für normale Leute. Und so bleiben Einheimische und Saisonsklavenarbeiter trotz Einkommensverlust diesmal wenigstens davon verschont, vom unerträglichen Schnösel-Après-Ski (eher ein Sans-Ski), von der Parade eitler Gockel mit geschwollenen Kämmen und sonstigen Körperteilen, von der Perversion des Jetset- und Oberschichten-Ressorts im Sekt- und Machtrausch. Und im Fernsehen musste man den ganzen Society-Scheiß auch nicht über sich ergehen lassen. Womit einem unversehens klar wird: Auch einfach nur ein ganz normales Skirennen, wie im finnischen Levi oder im bulgarischen Bansko. Mehr nicht. Gut so – ja: Besser so!