Der FC Sevilla gewinnt zum wiederholten Mal die UEFA Europa League und sichert sich den Trostpreis im Fußballeuropacup. Die Frage ist jedoch: Wen interessiert das noch so richtig?
Köln. Im trostlos leeren Müngersdorfer Stadion von Köln, das seit 2004 den Rheinenergie-Namen tragen muss, setzte sich am Freitag-Abend im Endspiel der UEFA Europa League der FC Sevilla gegen Inter Mailand mit 3:2 durch. Es sind recht große und prominente Namen, die sich hier im Finale des zweitklassigen Nebenbewerbes des Fußballeuropacups gegenüberstanden – ebenso gut könnte diese Paarung aus der Champions League stammen. Dort hatten spanische und italienische Teams heuer aber schlussendlich weniger zu melden. In der Tat sind die lombardischen Nerazzurri 18-facher italienischer Champion sowie dreifacher Meistercup- bzw. CL-Sieger. Gegenwärtig sind sie in der Serie A die klare Nummer 2 (nur knapp hinter Juventus Turin). Der FC Sevilla hat nicht ganz so viele Erfolge auf der Habenseite, was aber auch mit der nationalen Konkurrenz zu tun hat: Neben nur einem spanischen Meister- und fünf Pokaltiteln bringen es die Andalusier nichtsdestotrotz nunmehr auf sechs UEFA-Cup- bzw. EL-Titel, was sie zum entsprechenden Rekordhalter macht. In der Primera División ist Sevilla immerhin deutliche Nummer 4, die großen Zwei, Real Madrid und der FC Barcelona, sind eben außer Reichweite, an Atlético Madrid gibt es mittlerweile aber wieder eine Annäherung.
Monopolkapitalistische Durchdringung des Europacups
Beide Vereine, Inter wie Sevilla, sind eigentlich Stammgäste in der Champions League, seit dort freilich nicht mehr nur die nationalen Champions antreten. Für die großen Ligen (Spanien, England, Deutschland, Italien) stehen jeweils gleich vier fixe Startplätze für die CL-Gruppenphase zur Verfügung, ab Platz 12 der UEFA-Fünfjahreswertung (diesen belegt übrigens aktuell Österreich) gar keiner mehr. Das hat natürlich mit der Vermarktung zu tun: Es sollen mehr „namhafte“ Duelle lukriert werden, dadurch größere Einnahmen. Mit Donezk gegen Malmö lassen sich eben weniger TV-Einnahmen, Aufmerksamkeit und Werbetätigkeit erregen als mit, ebenfalls Hausnummer, Arsenal London gegen Borussia Dortmund, auch wenn es keine Landesmeister sind. Klar, das ist eben der moderne, durchkapitalisierte Fußball: Alles dreht sich um den Maximalprofit für die Großen. Was im Fußball-Europacup läuft, ist ein Prozess monopolkapitalistischer Durchdringung und Verdrängung, der mit der Gentrifizierung der europäischen Metropolen vergleichbar ist: Nachdem die CL bereits für die Großen reserviert wurde – die Landesmeister von ca. 40 von 55 UEFA-Mitgliedsverbänden haben keinerlei realistische Teilnahmechance –, geschieht über einen Umweg inzwischen dasselbe mit der EL-Finalphase: CL-Teams, die in der Gruppenphase nur Dritte wurden, steigen nach der Winterpause um in die K.O.-Phase der EL und dominierten schlussendlich den Bewerb, die eigentlichen EL-Teams haben das Nachsehen. Und so sind die EL-Sieger der letzten zehn Jahre ausnahmslos CL-erprobte Mannschaften: eben Sevilla sowie Chelsea, Manchester United, Atlético Madrid und der FC Porto (zusammen 6 CL-/Meistercup-Titel und 12 Finalteilnahmen), wobei mit dem EL-Sieg auch immer die automatische CL-Qualifikation für die Folgesaison verbunden ist.
Verdrängung der kleineren Vereine und Nationen
Die kleineren Vereine und Nationen werden weiter an den Rand gedrängt: Mit der Saison 2021/22 startet die UEFA wieder einen dritten Europacup-Bewerb, der den Namen Europa Conference League tragen wird. Dann werden selbst für die (sodann reduzierte) EL nur noch die Top-15-Nationen gesetzt sein, für den Rest von 40 UEFA-Mitgliedern bleibt eben die Drittklassigkeit – damit endlich auch mit der EL noch mehr Geld gemacht werden kann. Was die UEFA übersieht (oder ihr eben egal ist): Vereinsfußball fußt auf Emotionen und Begeisterung, auf der Anteilnahme und Identifikation der Fans, die ihren Klub unterstützen. Sie müssen und wollen nicht andauernd Neymar schmerzverzerrt am Boden liegend oder Lewandowski und CR7 beim Spielen auf die Beine sehen, sondern sie möchten ihren Verein auf der internationalen Bühne sehen, sei es Partizan Belgrad oder Slovan Bratislava. Wenn diese Teams kontinuierlich abgeschoben werden, dann werden sich die Massen irgendwann nicht mehr für die hochdotierten und sterilen UEFA-Eliteligen mit ihrem „Spitzenspiel“-Overkill interessieren, wo mit Milliarden Euro aus Ostasien, der arabischen Welt und den USA, aber auch durch europäische Großkapitalisten und Konzerne eine abgehobene Parallelwelt erschaffen wird. Für die CL trifft dies schon teilweise zu, bald wird es auch die EL treffen.
Quelle: ORF