Der Ex-Fußballer Trevor Sinclair ist nun Hass im Netz ausgesetzt, weil er in einem Tweet die Queen für den Rassismus in seinem Land mitverantwortlich machte.
London. Durch seine fußballerischen Leistungen ist Trevor Sinclair keine unbekannte Persönlichkeit. In seiner Zeit als aktiver Fußballspieler verhalf er u.a. Mannschaften wie FC Blackpool, West Ham United und Manchester City zum Sieg. Es absolvierte außerdem zwölf Einsätze in der englischen Nationalmannschaft.
Wenn man den Begriff Cancel Culture hört bzw. liest, denkt man eher an eine jüngere Generation, die ältere Generationen in ihrem Sprachgebrauch reinredet und politisch unkorrekte Begrifflichkeiten zu zensieren sucht. Umso mehr mag es verwundern, wenn Zensur oder, besser gesagt, der Druck zur Selbstzensur auch in der heutigen Zeit konservativ motiviert sein kann. So verhielt es sich mit einem Tweet Trevor Sinclairs, dem Ex-Fußballer, der sich anmaßte, die Queen anlässlich ihres Todes zu hinterfragen. Denn über die Toten darf man ja „nur Gutes“ sagen.
Wo er rechthat
Sinclair löste einen Shitstorm durch eine Aussage auf Twitter aus, die er später wieder zurücknehmen musste. Im Anbetracht des Ablebens der Königin Elizabeth II. schrieb er auf Twitter:
„Racism was outlawed in England in the 60’s & its been allowed to thrive so why should black & brown mourn!! #queen“
„Rassismus wurde in England in den 60er Jahren verboten & es erlaubte ihm zu gedeihen, also warum sollten Schwarze & Braune trauern!!! #Königin“ (Übersetzung: ZdA)
So lautete der ursprüngliche Tweet des Fußballers. Damit löste er einen medialen Skandal aus – eine heilige Kuh Großbritanniens wurde nicht mit dem nötigen Respekt geehrt. Inzwischen ist der Tweet nicht mehr auffindbar, offenbar wurde das ganze Twitter-Profil von Sinclair gelöscht. Fanboys und ‑girls der Herrscherfamilie regten sich maßlos über den Tweet auf, aber auch Kolleginnen und Kollegen sowie Sportlerinnen und Sportler zeigten sich künstlich empört über die Aussage des Ex-Fußballers. Innerhalb kürzester Zeit wurde eine Kampagne aus dem Boden gestampft, die Trevor Sinclair seinen Job als Sport-Kommentator bei der bekannten Sendung talkSport kosten könnte. Der Sender reagierte daraufhin mit einer offiziellen Mitteilung: „Wir haben versucht, mit Trevor Sinclair Kontakt aufzunehmen, nachdem er sich auf seinem Twitter-Account geäußert hat. talkSPORT unterstützt die geäußerten Ansichten nicht und untersucht die Angelegenheit“. Daraufhin teilte der Radiosender mit, dass seine Beiträge suspendiert worden seien. Auch deutschsprachige Medien, die darüber berichteten, ordneten den Ausspruch Sinclairs als „unpassend“ und „geschmacklos“ ein. Aber hatte er denn Unrecht?
In der zur Plattform Twitter passenden Kürze und Verkürztheit macht Sinclair damit die Queen eben mitverantwortlich für den Rassismus in seinem Heimatland und den Kolonialismus, der ihn geschürt hat. Königin Elizabeth II war bei allem dabei in ihrer für die englische Arbeiterklasse gänzlich unnützen und zudem anachronistischen Position als Monarchin. Sie hat nie und zu keiner Zeit eine fortschrittliche Rolle für ihr Land gespielt – wie auch? Sie war ein feudales Residuum, das der Mehrheit der Bevölkerung Großbritanniens viel Geld einzig durch ihren veralteten Stand geraubt hat.
Man soll sie auch noch bewundern
Tibor Zenker, Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs, schrieb bereits Anfang Juni anlässlich des 70. Thronjubiläums der Monarchin:
„Ein monarchisches Staatsoberhaupt ist im 21. Jahrhundert ein recht bizarrer Anachronismus, der aus überaus düsteren Zeiten der Menschheitsgeschichte stammt. Denn dahinter steht unweigerlich der Gedanke der Ungleichheit der Menschen. Ein einzelner Herrscher oder eine Herrscherin, eine Familiendynastie und mit ihnen ein ganzer aristokratischer Rattenschwanz erhebt sich per Geburtsstand über die Untertanen, den ‚Pöbel‘, lebt privilegiert und parasitär von über Jahrhunderte zusammengeraubtem Vermögen und von Steuerleistungen der Bevölkerung, die diesen Leuten auch noch huldigen und sie bewundern soll.“
Denn an sich, so Zenker, ist schon allein die Idee der Monarchie „per se antidemokratisch und gegen die unteilbaren, gleichen Menschenrechte gerichtet, egal wie freundlich und ‚volksnah‘ sich ein Monarch gibt, egal wie demokratisch die Volksvertretung und die Regierungsbildung gestaltet sind.“
Verkürzte Kritik
In der Tat kann man nun den Tweet von Trevor Sinclair als verkürzt und übereilt formuliert ansehen. Denn die Queen war sicher nicht allein für die durch Großbritannien begangenen Gräuel des Kolonialismus, Völkermords und Rassismus verantwortlich. Diese klassischen Symptome von Klassengesellschaften finden sich auch und gerade im Kapitalismus und Imperialismus. Sie war jedoch ein integraler Bestandteil dieses Systems und stand ihm als Führungspersönlichkeit omnipräsent voran.
Als zu kurz geraten muss man sein Statement auch aus einer Klassenperspektive heraus kritisieren – Menschen in Großbritannien müssen nicht nur der Hautfarbe nach (und des Rassismus wegen) den Tod der Queen nicht beweinen. Die gesamte Arbeiterklasse, unabhängig von ihrer Hautfarbe, Herkunft und Geschlecht braucht der Königin keine Träne nachzuweinen. Sie wurde aus dynastischen Gründen von Königsfamilien jahrhundertelang bis auf den letzten Blutstropfen ausgepresst. Es ist die Boulevardpresse, die den Menschen die Sehnsucht und Sympathie nach einem herrschaftlichen Leben indoktriniert, das für alle Bewohnerinnen und Bewohner Großbritanniens für alle Zeiten unerreichbar bleiben wird. So wird falsches Bewusstsein kreiert, das zur Herrschaftsstabilisierung dient und die Menschen über die Klassenfrage hinwegsehen lässt. Es bleibt das Kunststück der Herrschenden, ihre Untertanen gegeneinander aufzuwiegeln, damit sie ihre gemeinsamen Interessen nicht erkennen können.
Quellen: fanpage.it / t‑online