Ein Sondertribunal in Dhaka hat die langjährige Regierungschefin Sheikh Hasina wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Tode verurteilt. Ihr Fall markiert den dramatischen Höhepunkt eines Volksaufstands, der 2024 ihre 15-jährige Herrschaft beendete—und wirft Bangladesch in eine ungewisse Zukunft.
Dhaka. Ein Sondertribunal in der Hauptstadt hat am Montag die abgesetzte Premierministerin Sheikh Hasina wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Tode verurteilt. Die Anklage bezieht sich auf den massiven, studentisch geprägten Volksaufstand im Jahr 2024, bei dem Hunderte Menschen ums Leben kamen und der ihre 15-jährige Regierungszeit beendete.
Neben Hasina wurde auch ihr früherer Innenminister Asaduzzaman Khan in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Ein dritter Beschuldigter, ein ehemaliger Polizeichef, erhielt fünf Jahre Haft, nachdem er als Kronzeuge gegen Hasina ausgesagt hatte. Die Urteilsverkündung wurde live im Fernsehen übertragen. Sicherheitskräfte hatten im Vorfeld weite Teile Dhakas und andere Regionen des Landes abgeriegelt.
Von Rekord-Amtszeiten zum Sturz
Hasina war die dienstälteste Premierministerin in der Geschichte Bangladeschs und zählte weltweit zu den am längsten regierenden Regierungschefinnen. Nach einer ersten Amtszeit von 1996 bis 2001 kehrte sie 2008 an die Macht zurück und blieb dort bis zu ihrer Flucht 2024.
Ihr Sturz im vergangenen Jahr war das Ergebnis wochenlanger Proteste, die zunächst als studentische Bewegung gegen ein Quotensystem für staatliche Stellen begannen. Rasch entwickelte sich daraus ein landesweiter Aufstand gegen Hasina und ihre sozialdemokratische Awami-Liga-Partei. Seit Mitte Juli 2024 wurden dabei laut verschiedenen Berichten mehrere Hundert Menschen getötet; Schätzungen reichen bis zu 1.400 Toten.
Hasina und Khan flohen nach Indien und wurden anschließend in Abwesenheit vor Gericht gestellt. Ihre Partei bezeichnete das Verfahren als politisch motiviertes „Känguru-Gericht“. Die Awami Liga rief zum Zeitpunkt des Urteils zu landesweiten Protesten und einem (generalstreikähnlichen) Shutdown auf.
Eine politische Karriere geprägt von Tragödie und Machtkämpfen
Sheikh Hasinas politische Laufbahn begann im Schatten eines Familiendramas. 1975 wurden ihr Vater Sheikh Mujib Rahman – der Gründer des unabhängigen Bangladeschs – sowie fast ihre gesamte Familie bei einem Militärputsch ermordet, während sie sich im Ausland befand. Dieses Ereignis prägte ihr politisches Selbstverständnis und ihren jahrzehntelangen Machtanspruch.
Nach Jahren im Exil kehrte sie nach Bangladesch zurück, übernahm die Führung der Awami Liga und wurde in den 1980er Jahren mehrfach von Militärregierungen unter Hausarrest gestellt. Ab den 1990er Jahren dominierte sie gemeinsam mit ihrer politischen Rivalin Khaleda Zia über Jahrzehnte die politische Landschaft des Landes.
Während ihrer jüngsten 15-jährigen Regierungszeit setzte Hasina große Infrastrukturprojekte um, stärkte die Textilindustrie und modernisierte Energie- und Verkehrsnetze. Gleichzeitig wuchsen internationale und innenpolitische Kritik: Vorwürfe der Wahlmanipulation, Einschränkungen der Presse- und Gewerkschaftsfreiheit, das Verschwindenlassen politischer Gegnerinnen und Gegner sowie eine zunehmend autoritäre Regierungsführung belasteten ihr Image.
Der Weg zum Urteil
Nach ihrer Absetzung am 5. August 2024 formierte sich eine Übergangsregierung unter Leitung des Friedensnobelpreisträgers Muhammad Yunus, der die Aktivitäten der Awami Liga untersagte und Neuwahlen für Februar ankündigte. Zugleich versprach das neue Regime, die Verantwortung für die vielen Todesopfer des Aufstands zu klären.
Mit dem Urteil gegen Hasina hat die juristische Aufarbeitung nun einen dramatischen Höhepunkt erreicht. Dhaka meldete zuletzt erneut Explosionen selbstgebauter Bomben und Brandanschläge; die Polizei gab Schießbefehl bei Sichtkontakt im Falle weiterer Attacken. Auch das Militär wurde auf Antrag der Justiz rund um das Tribunal stationiert.
Ungewisse Zukunft
Trotz der Urteile bleibt die Lage fragil. Während Unterstützer Hasinas landesweit protestieren, befürchten Analysten eine neue Welle der Gewalt. Die Übergangsregierung steht vor der Herausforderung, Stabilität wiederherzustellen und gleichzeitig die politischen Spannungen zwischen den Anhängern der Awami Liga, der Opposition und den Sicherheitsbehörden zu kontrollieren.
Für Bangladesch markiert das Urteil gegen Sheikh Hasina das vorläufige Ende einer Ära, in der das Land wirtschaftliche Fortschritte erlebte, gleichzeitig jedoch zunehmend autoritär gegenüber der Arbeiterklasse regiert wurde. Wie der Übergang zu einer neuen bürgerlichen Ordnung gelingt, ist offen.


















































































