Indiens Regierung hat die umstrittenen neuen Arbeitskodizes in Kraft gesetzt – und stößt damit auf heftigen Widerstand großer Gewerkschaften. Während die Regierung von Modernisierung spricht, warnen Kritiker vor dem Abbau grundlegender Arbeitnehmerrechte. Auch die CPI(M) verurteilt die Reformen scharf.
Mumbai. Zehn große indische Gewerkschaften haben scharfe Kritik an der Einführung der vier neuen Arbeitskodizes durch die Zentralregierung geäußert. Die am Freitag verkündete Umsetzung – die umfassendste Reform der Arbeitsgesetzgebung seit Jahrzehnten – wurde von den Gewerkschaften als „betrügerischer Täuschungsakt“ gegenüber den Arbeiterinnen und Arbeitern bezeichnet. Die Organisationen, die Parteien aus dem Oppositionslager von Premierminister Narendra Modi nahestehen, fordern die sofortige Rücknahme der Gesetze und kündigten für Mittwoch landesweite Proteste an.
Am Samstag versammelten sich zudem Hunderte Arbeiterinnen und Arbeiter im ostindischen Bhubaneswar, organisiert durch das Centre of Indian Trade Unions (CITU), und verbrannten Kopien der neuen Kodizes. Die vier Gesetzeswerke, die bereits vor fünf Jahren vom Parlament verabschiedet wurden, sollen laut Regierung veraltete Regelungen modernisieren, Investitionen erleichtern und Arbeitsvorschriften vereinheitlichen. Die Regierung betont, die Reformen würden auch den Schutz der Arbeitnehmer verbessern.
Auswirkungen auf Arbeitsbedingungen und Unternehmen
Die neuen Kodizes bringen zwar verbindliche Mindestlöhne und bestimmte Elemente sozialer Sicherung mit sich, erweitern aber zugleich die Flexibilität der Unternehmen: Betriebe können künftig leichter Personal einstellen und entlassen. Die Schwelle für obligatorische Genehmigungen bei Entlassungen wurde von 100 auf 300 Beschäftigte angehoben. Zudem erlauben die Regelungen längere Fabrikschichten sowie Nachtarbeit für Frauen.
Während Industrieverbände die bisherigen Arbeitsgesetze seit Langem als Hemmnis für die Produktion kritisieren, warnte die Association of Indian Entrepreneurs, dass insbesondere kleine und mittlere Unternehmen durch die neuen Vorschriften mit erheblich höheren Betriebskosten rechnen müssten. Sie fordert Übergangshilfen und eine flexible Umsetzung, um Störungen in wichtigen Wirtschaftssektoren zu vermeiden.
Politische Spannungen und fehlende Konsultationen
Gewerkschaften werfen der Regierung vor, den Gesetzgebungsprozess ohne ausreichende Beteiligung von Arbeitnehmervertretern vorangetrieben zu haben. Laut einem internen Dokument des Arbeitsministeriums gab es seit Juni 2024 zwar mehrere Konsultationen, doch Gewerkschaften sprechen von unzureichendem Dialog und mangelnder Transparenz. Nicht alle Organisationen sind jedoch gegen die Reformen: Der rechte, mit der Regierungspartei verbundene Bharatiya Mazdoor Sangh befürwortete die Umsetzung nach weiterer Abstimmung mit den Bundesstaaten.
Kritik der CPI(M): Warnung vor einem „jungle raj“
In einer eigenen Stellungnahme verurteilte die Kommunistische Partei Indiens (Marxistisch) die Reformen als fundamentalen Angriff auf Arbeiterrechte. Die Partei betont, die Kodizes würden „29 hart erkämpfte Arbeitsgesetze“ abschaffen, welche die Arbeiterschaft bislang zumindest teilweise geschützt hätten. Statt einer Vereinfachung zielten die neuen Regelungen darauf ab, „lang etablierte Rechte und Ansprüche zu verwässern und abzuschaffen und das Gleichgewicht massiv zugunsten der Arbeitgeber zu verschieben“.
Weiter heißt es in der Stellungnahme, die Kodizes seien darauf ausgelegt, die Beschäftigten „schutzlos dem Ansturm des Kapitals auszusetzen“ und sogar das Streikrecht zu untergraben. Insgesamt würden die neuen Arbeitsgesetze versuchen, „einen jungle raj zu etablieren“, indem die Rechte der Arbeiterinnen und Arbeiter mit aktiver Unterstützung der Regierung „niedergewalzt“ würden. Unter dem Begriff, der wörtlich übersetzt „Dschungelherrschaft“ bedeutet, versteht man in Indien eine Form von schutzloser und chaotischer Willkürherrschaft.
Die CPI(M) kritisiert zudem, dass die Regierung den Gesetzgebungsprozess „ohne echte tripartite Konsultation“ vorangetrieben und Einwände der Gewerkschaften „arrogant zurückgewiesen“ habe. Die Partei fordert den sofortigen Rückzug der Kodizes und ruft Gewerkschaften sowie demokratische Kräfte auf, „vereinte Kämpfe“ zu organisieren, um die Rechte der arbeitenden Bevölkerung zu verteidigen.















































































