Acht Gewerkschafter sitzen seit Dienstag in Hausarrest. Die Repressionen trafen die Basisgewerkschaften Si Cobas und USB.
Piacenza. Der italienische Staat und seine Repressionsorgane haben sich wieder einmal als besonders infam erwiesen. Mit der Effizienz, die nur an den Tag gelegt wird, wenn klassenkämpferische Kräfte zermürbt werden sollen, wurden am vergangenen Dienstagmorgen vier wichtige Führungskräfte der Gewerkschaft Si Cobas und noch weitere vier von der Unione Sindacale di Base (USB) in den Hausarrest überführt.
Beide Gewerkschaften sind Basisgewerkschaften, d.h. sie organisieren und kämpfen mit großem Erfolg außerhalb des sozialpartnerschaftlichen Rahmens von CGIL, UIL und CISL. Der Arrest erfolgte aus dem Nichts heraus. Bei den Opfern staatlicher Repression handelt es sich u.a. um den nationalen Koordinator von Si Cobas, Aldo Milani.
Si Cobas zufolge lauten die Vorwürfe auf „kriminelle Vereinigung, Gewaltanstachelung, Widerstand gegen Amtsträger, Sabotage und Störung des öffentlichen Dienstes.“ Der gewerkschaftliche Kampf wird in eine „erpresserische Methode“ umgelogen, um bessere Arbeitsbedingungen von den Unternehmen zu erkämpfen. Die erhobenen Vorwürfe stammen aus der gesamten Periode der Streiks in den Logistiklagern von Piacenza in den Jahren 2014 bis 2021.
Es ist eine lachhafte Logik: Anstatt die Konzernherren dafür zu reprimieren, dass sie tagtäglich erpresserische Methoden gegen die gesamte Arbeiterklasse anwenden (siehe: miese, rechtlose Arbeitsbedingungen, Arbeitsintensivierung, unbezahlte Überstunden usw.) und dabei stets das Damoklesschwert von Kündigung und Entlassung über deren Häuptern hängen lassen, wertet der Staat die elementarsten Forderungen des Arbeitsrechts als Erpressung.
Kriminalisierung der Gewerkschaftsbewegung
In der Tat wird hierbei der Klassenkampf selbst unter Strafe gestellt. Die acht Gewerkschafter haben sich stets im legalen Rahmen bewegt und sich nicht zuschulden kommen lassen. Si Cobas schreiben deshalb auch richtig: „Die wahre kriminelle Vereinigung sind der Staat und die Konzernbosse.“
Die Kommunistische Jugendfront (Fronte della Gioventù Comunista – FGC) ordnet die abstrusen und skandalösen Zustände politisch ein: „Die Anschuldigungen zielen darauf ab, das juristische Theorem aufzustellen, wonach die Gewerkschaftsarbeit eine ‚kriminelle Vereinigung‘ darstelle und der Kampf der Arbeiter für bessere Bedingungen einer ‚Erpressung‘ der Unternehmensherren gleichzusetzen sei. Die einzige Gewerkschaft, die heute von der italienischen Regierung akzeptiert wird, ist diejenige, die ‚brav‘ bleibt und ihre Unterstützung für Draghi erklärt.“
Mit diesen höchst fragwürdigen Vorgängen bewegt sich Italien immer weiter weg von bürgerlich-demokratischen Verhältnissen. „Der Plan“, so die Kommunistische Jugendfront, sei indes klar: „den kämpferischsten Gewerkschaften den ‚Kopf abschlagen‘, um einen neuen allgemeinen Angriff auf die Arbeiter, auf die verbliebenen Rechte und Sozialausgaben zu starten. Es ist kein Zufall, dass die Gewerkschafter im Logistiksektor, dem Arbeitssektor, der sich in den letzten Jahren am stärksten in Aufruhr befand, betroffen sind.“
In einer Front kämpfen
In einer Zeit, in der die Lebenshaltungskosten dramatisch steigen und konstant für den Krieg propagandistisch mobilgemacht wird, fürchtet der Staat nichts mehr als die Einigkeit der Arbeiterklasse, ihre Organisierung und ihren gemeinsamen Kampf. Im angestrebten Burgfrieden erweisen sich Gewerkschaften, die ihre Arbeit richtig machen, als ernstzunehmende Störfaktoren – ihre Liquidierung und Terrorisierung nimmt der Staat trotz des damit einhergehenden Imageschadens nur zu gern in Kauf.
Die Kommunistische Jugendfront ordnet diesen Angriff auf die organisierte Arbeiterschaft als besonders gravierend ein: „Dies ist ein sehr ernster repressiver Angriff. Das autoritäre Abdriften in Italien ist für alle sichtbar, mit dem gleichen Vorwurf der kriminellen Verschwörung, der systematisch gegen jeden sozialen Kampf angewendet wird, gegen die Arbeitslosen vom 7. November in Neapel und die Aktivisten von Askatasuna, mit dem Angriff auf die Studentenbewegung und mit den absurden Urteilen, die in den letzten Wochen gegen die Bewegung für den Wohnungsbau in Rom und die Demonstranten nach dem Tod von Abd El Salam gefällt wurden. Dies ist kein Schreckgespenst, mit dem man zu Wahlkampfzwecken wedelt, es ist kein ‚Wolfsgeheul‘ zum Spaß, sondern ein ernstes, ernstes Thema, auf das wir mit größtmöglicher Einigkeit reagieren müssen.“
Solidarität & Protest
Den beiden Basisgewerkschaften fehlte es nicht an sofortigen Solidaritätsbekundungen von befreundeten und linken Organisationen. Während sich der italienische FGC sofort auf die Seite der Gewerkschaften stellte, waren es auch viele linke und kommunistische Gruppierungen sowie Gewerkschaften Italiens, die ihre Solidarität in Worten fassten. Auch der Weltgewerkschaftsbund (WGB) und die Militante Arbeiterfront Griechenlands (PAME) zögerten nicht, ihren Unmut kundzutun.
Die Proteste für die sofortige Freilassung der Gewerkschafter und ein diesbezüglicher italienweiter Streik starteten am Mittwoch. Unter der Losung „Gewerkschaftlicher Kampf ist kein Verbrechen!“ konnten bereits in Bologna, Brescia, Genua, Mailand, Neapel, Parma, Pavia, Perugia, Piacenza, Rom, Turin und Viterbo größere und sehr schnell organisierte Demonstrationen auf die Beine gestellt werden.
In den Städten Cagliari und Tarent sind Demonstrationen für Freitag geplant. Die Kommunistische Jugendfront schrieb am Mittwoch: „Die Botschaft ist klar: Der gewerkschaftliche Kampf, die gewerkschaftliche Organisierung zur Verbesserung der eigenen Lebens- und Arbeitsbedingungen, ist kein Verbrechen. Die Arbeiter und ihre Führer sind keine Kriminellen, wie uns der Staatsapparat glauben machen will.“