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„Klare Kante“ gegen Russland?

Kommentar von Otto Bruckner, stellvertretender Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs (PdA), zur Russland-NATO-Ukraine-Krise.

Die fünfzig PR-Berater, die Alt-Kanzler Sebastian Kurz in seinem Kanzleramt auf unser aller Kosten beschäftigte, hatten vor allem die Aufgabe, „message control“ zu betreiben, also zu schauen, dass die von Sach- und Fachkenntnis unbedarften Ministerinnen und Minister der ÖVP wie etwa Finanzminister Blümel und Tourismusministerin Köstinger immer wieder dasselbe wiedergeben, und sei es auch der größte Unsinn.

Die Rolle der Hardliner haben die Minister für Inneres und Äußeres ausgefaßt. Besonders beim Außenminister und Kurzzeitkanzler Alexander Schallenberg dürfte sich der Begriff „Klare Kante“ so im Kopf festgesetzt haben, dass er ihn immer wieder wiederholen muss. Wollte er 2020 noch „klare Kante“ gegen die Türkei zeigen (was den dortigen Autokraten Erdogan sicher sehr amüsiert hat), so kündigt er nun dasselbe gegenüber Russland an. Dazwischen waren er und Verfassungsministerin Edtstadler noch dafür, gegenüber Polen „klare Kante“ zu zeigen.

Ein blaublütiger und arroganter Unsympathler wie Schallenberg findet es nicht einmal der Mühe wert, wenigstens zum Schein den Außenminister eines neutralen Landes, das Österreich auf dem Papier immer noch ist, zu spielen. Zwar streut er auch immer wieder das Wörtchen Dialog in seine Ansprachen ein, aber nur in Verbindung mit „klarer Kante“.

So ist Österreich – nicht erst seit gestern – zu einem Mosaiksteinchen des imperialistischen „Wertewestens“ geworden. Dieser nimmt für sich das Privileg in Anspruch, dem Rest der Welt Vorschriften zu machen, wie zu leben sei, und deren Rohstoffe, Natur und Arbeitskräfte auszubeuten.

Die territoriale Integrität gilt nur für Manche

„Moskau sei daran zu erinnern, sich völkerrechtlich an die Schlussakte von Helsinki 1975, auf der die europäische Sicherheitsordnung fuße, gebunden zu haben, verwies Schallenberg auf darin verankerte Artikel zur souveränen Gleichheit der Staaten und deren territoriale Integrität“, berichtet die Parlamentskorrespondenz über den dieswöchigen Auftritt Schallenbergs im Hohen Haus. 

Das klingt wie ein Hohn, nachdem die territoriale Integrität von gleich zwei Vielvölkerstaaten, nämlich Jugoslawien und der Sowjetunion vor dreißig Jahren mit Hilfe des Westens zerstört wurde. Überall bediente man sich der reaktionärsten Kräfte, um das Zerstörungswerk voranzubringen: In Kroatien setzte man auf die reichen Exilkroaten, allesamt Faschisten und Ustascha-Leute, und deren Marionetten im Land selbst. In Serbien wurden Banden gefördert, die sich in die Traditionslinie der Tschetniks einreihten. In baltischen Staaten bediente man sich alter Nazi-Traditionen und in der Ukraine durften die Bewunderer des Nazi-Kollaborateurs und Faschisten Stepan Bandera die Angenda des Westens durch einen Putsch im Jahr 2014 umsetzen.

Ukrainischer Nationalismus statt Vielvölkerstaat

Dabei ist die Ukraine selbst ein Vielvölkerstaat mit über 100 ethnischen Minderheiten. Die historische Verbundenheit zwischen Russland und der Ukraine und deren Sprachen wurde in der Sowjetunion gefördert, und so war es selbstverständlich, dass die Bewohner der Ukraine neben ihrer Muttersprache zumeist auch die russische Sprache beherrschten. Etwa ein Viertel der Bevölkerung gab bei der letzten Volkszählung 2001 Russisch als Muttersprache an, in manchen Landesteilen wie der Halbinsel Krim, den heutigen Volksrepubliken Luhansk und Donezk oder der Hafenstadt Sewastopol war und ist eine Mehrheit von Menschen mit russischer Muttersprache zu Hause. Bekannte, aber kleinere Minderheiten sind etwa die Polen, die Belarussen, Rumänen und Ungarn.

Dass in diesem Vielvölkerstaat 2018 mit einem Gesetz ukrainisch als einzig erlaubte Unterrichtssprache in den Schulen eingeführt wurde, war schon ein Ergebnis des neuen – an faschistische Traditionen anknüpfenden – ukrainischen Nationalismus. Nun wurde vor kurzem erlassen, dass überregionale Zeitungen nur mehr in ukrainischer Sprache erscheinen dürfen.

Wen wundert es da, dass sich die überwiegende Mehrheit der Bewohnerinnen und Bewohner der Halbinsel Krim bei einer Volksabstimmung dazu entschlossen hat, zu Russland zurückzukehren, dem sie bis 1955 angehörte. Das wird vom Westen natürlich nicht anerkannt. Ebenso bekämpft man gemeinsam mit den Kiewer Oligarchen die Volksrepubliken Luhansk und Donezk. Wer ein Recht auf Selbstbestimmung hat, und wer nicht, bestimmt der Westen. Das glaubt man zumindest in Weißen Haus und in den EU-Staatskanzleien.

Gorbatschow – der dümmste Bauer auf dem Marktplatz

Russland ist nicht die Sowjetunion, aber es ist der Rechtsnachfolger derselben und die ehemals bei weitem größte Sowjetrepublik mit 11 Zeitzonen und geschätzten 130 Nationalitäten. Nach dem Abgang des Alkoholikers Boris Jelzin, den der Westen als Präsidentenmarionette dazu benützte, den Kapitalismus auf russischem Boden zu installieren, herrschte Chaos. Plötzlich gab es Oligarchen, reich geworden durch den großangelegten Diebstahl von Volksvermögen, und sie brachten mit Wladimir Putin einen ernstzunehmenden Präsidenten hervor, der Russland zu alter Stärke zurückführen will, und im Spiel der großen imperialistischen Mächte einen eigenen, selbstbewussten Platz einnimmt. Dass er dabei historische Anleihen an den großen Verdiensten der Sowjetunion nimmt, ist kluges Kalkül gegenüber der eigenen Bevölkerung, die erst im Lauf der Jahrzehnte draufgekommen ist, was ihnen mit der UdSSR genommen wurde.

Im heutigen Konflikt zwischen Russland und der NATO geht es darum, dass viele Nachbarländer Russlands – ob Mitglied der NATO oder nicht – zu Vorposten der westlichen Militärmaschinerie gemacht wurden. Russland pocht auf die Zusagen, die Michail Gorbatschow angeblich vom Westen erhalten hat, als er die DDR auslieferte. Die NATO sollte sich nicht nach Osten ausdehnen. Wie der dümmste Bauer auf dem Marktplatz hat Gorbatschow sich auf die schönen Worte der deutschen und US-amerikanischen Imperialisten verlassen, ohne auf vertragliche Garantien zu bestehen. Diese haben ihn dann mit Orden und Auszeichnungen behängt und ihm für die Zerstörung des sozialistischen Lagers in Europa sogar den Nobelpreis verliehen.

Grüne Hetze gegen Russland

Die Hetze gegen Russland geht heute am stärksten von den (deutschen) Grünen aus. Unter anderem wollen sie die Inbetriebnahme der bereits fertigen Gaspipeline Nord Stream II verhindern und stattdessen LNG-Flüssiggas aus den USA beziehen. Dieses wird im Fracking-Verfahren gewonnen, was die Zerstörung ganzer Landschaften und deren Trinkwasserreserven zur Folge hat. Bei der Fracking-Methode wird außerdem jede Menge Methan freigesetzt, was das Klima wesentlich stärker belastet, als es mit grünen Alibimaßnahmen entlastet wird. Von den CO²-Emissionen der Riesenschiffe, die das Gas über den Ozean bringen, ganz zu schweigen. Auch die österreichischen Grünen erwiesen sich diese Woche im Parlament als treue Einpeitscher gegen Russland. Abgeordneter Michel Reimon, der sich schon in seiner Zeit als EU-Parlamentarier als Hetzer gegen Russland hervortat, sprach sich ebenfalls gegen die Inbetriebnahme von Nord Stream II aus, ohne zu sagen, was die Alternative ist, nämlich das schmutzige US-amerikanische Fracking-Gas. Damit agieren die Grünen als Regierungspartei übrigens auch gegen österreichische Interessen, denn die zu 25 Prozent in Staatsbesitz befindliche ÖMV ist mit hunderten Millionen Euro an der Pipeline beteiligt.

So vermengen sich imperiale geostrategische Interessen der von den USA geführten NATO mit den banalen Geschäftsinteressen der nordamerikanischen Gaskonzerne. Russland seine Militärmanöver vorzuwerfen, ist schlicht dreist und scheinheilig. Denn die Manöver der NATO, die regelmäßig stattfinden und einen Krieg gegen Russland und China proben, sind eine Provokation. Auch Österreich beteiligt sich übrigens an solchen Manövern. Russland probt in seinen Manövern die Verteidigung der Grenzen des Landes, und macht damit genau das, was Außenminister Schallenberg als das Recht jedes Landes bezeichnet.

Der Mini-Imperialist Österreich hängt sich militärisch und politisch an den wild um sich schlagenden West-Imperialismus, der seinen Zenit bereits überschritten hat. Nach der Überdehnung großer Reiche folgt deren Niedergang, das wissen wir aus der Geschichte. Der Stern der US- und EU-Monopole ist im Sinken, und der Tag wird kommen, an denen die Völker aller Länder Schluss machen mit dem Kriegsgetrommel. Am Kreml werden dann vielleicht wieder die roten Sterne leuchten, und in Brüssel, Washington, Berlin, Kiew und Wien auch.

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