Die anhaltenden Angriffe auf die Arbeiterklasse und das Volk sowie die direkten und indirekten gesundheitlichen Folgen der Corona-Pandemie für die Gesundheit der Bevölkerung der Vereinigten Staaten von Amerika haben die Lebenserwartung um knapp zwei Jahre nach unten gedrückt. Das ergibt eine Studie der Virginia Commonwealth University School of Medicine in Richmond über „den Effekt der Covid-19-Pandemie in 2020 auf die Lebenserwartung in den Bevölkerungen der USA und anderer Länder mit hohen Einkommen“, welche kürzlich im „British Medical Journal“ veröffentlicht wurde. Genauer gesagt sei die Lebenserwartung von 2018 bis 2020 um 1,87 Jahre gesunken, und zwar laut Autoren überwiegend pandemiebedingt.
Es handelt sich um die erste Studie, die die jüngsten Veränderungen der Lebenserwartungen in verschiedenen Ländern vergleicht. Dabei macht sich ein deutlicher Unterschied zwischen den USA und den Peer-Countries (also die 16 anderen Länder, mit denen der Vergleich angestellt wurde) bemerkbar, wodurch sich ein jahrzehntelanger Trend fortsetzt und verschärft. Ebenso wird ein Unterschied zwischen den weißen, schwarzen und hispanischen Teilen der US-Bevölkerung deutlich, als Konsequenz des verbreiteten und staatsimmanenten Rassismus.
Die genannten 1,87 Jahre sind also nur ein Durchschnittswert, der sich sehr ungleich verteilt: Den deutlich größeren Patzen bekommen mit 3,88 bzw. 3,25 Jahren die hispanische und die schwarze Bevölkerung ab. Für alle gilt, dass Männer deutlich stärker betroffen sind als Frauen. Die Lebenserwartung von schwarzen Männern zum Beispiel sinkt auf gerade einmal 68 Jahre und damit auf den Stand von 1998. Der Abstand zwischen den USA und den Vergleichsländern in der durchschnittlichen Lebenserwartung lag bereits 2010 bei 1,88 Jahren. Dieser Wert hat sich bis 2018 auf 3,05 Jahre erhöht und ist bis 2020 noch einmal sprunghaft auf 4,69 Jahre angestiegen.
Dabei scheuen sich die WissenschaftlerInnen in ihren Schlussfolgerungen nicht, Ursachen zu benennen. „Politische Entscheidungen und der falsche Umgang mit der Pandemie“ werden gebrandmarkt, ebenso „tief verwurzelte Faktoren, die für die Gesundheit in den USA schon seit Jahrzehnten einen Nachteil bedeuten“. Auch der „systemische Rassismus“ wird an den Pranger gestellt und als verantwortlich dafür bezeichnet, dass sich nicht nur in der Lebenserwartung, sondern auch in deren weiterer Minderung Unterschiede zwischen den Hautfarben zeigen.
So richtig diese Feststellungen sind, so wichtig ist es auch zu betonen, dass die politischen Entscheidungen und die Schieflagen in den Gesundheitssystemen sämtlicher kapitalistischer Länder nicht etwa aus dem Gutdünken einzelner Personen folgen, die man folglich nur ersetzen müsste. Sondern sie sind Konsequenzen aus Klassenkämpfen. Die Zwei-Klassen-Medizin, die sich mit jedem Millimeter verschärft, mit dem die Schere zwischen Arm und Reich auseinandergeht, ebenso mit jeder Privatisierung und Liberalisierung im Gesundheitswesen, sie ist nur eine der zahllosen menschenverachtenden logischen Konsequenzen aus dem kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem.