Abuja/Nigeria. Mit einer Inflation von 34 Prozent – die höchste seit 28 Jahren – und Lebensmittelpreisen, die um 40 Prozent gestiegen sind, ist die Lage in Nigeria für breite Bevölkerungsschichten äußerst prekär. Die Sparmaßnahmen, die der Internationale Währungsfonds durchsetzte, führten zur Streichung von Subventionen auf Grundnahrungsmittel und Treibstoff, was die Situation weiter verschärfte.
Der Mindestlohn beträgt derzeit 30.000 Naira (etwa 20 US-Dollar) pro Monat, während die Lebenshaltungskosten für eine Einzelperson durchschnittlich 43.200 Naira (etwa 29 US-Dollar) betragen. Eine Familie benötigt sogar rund 137.600 Naira (ungefähr 92 US-Dollar) im Monat. Zum Vergleich: In anderen afrikanischen Ländern liegt der Mindestlohn deutlich höher – in Südafrika etwa bei 242 Dollar, in Gabun bei 256 Dollar und in Libyen sogar bei 325 Dollar.
Ein 50-Kilo-Sack Reis kostet etwa 80.000 Naira, ein Laib Brot 2.000 Naira, und die monatliche Stromrechnung kann bis zu 50.000 Naira betragen. Gewerkschafter fordern die Regierung auf, Luxusausgaben zu reduzieren und die Ressourcen des Landes gerecht zu verteilen. Besonders empört sind viele auch über die immensen Gehaltsunterschiede: Führungskräfte in der Industrie verdienen im Schnitt 96.000 US-Dollar jährlich, während Politiker im Senat bis zu 25.000 Dollar monatlich erhalten.
Um der öffentlichen Empörung entgegenzutreten, setzte die Regierung im Januar eine Mindestlohnkommission ein. Bei Anhörungen in verschiedenen Städten forderten Beschäftigte eine Erhöhung des Mindestlohns auf bis zu 850.000 Naira im Süden und 450.000 Naira im Norden. Die Gewerkschaften einigten sich schließlich auf eine Forderung von 615.000 Naira (etwa 410 Dollar). Präsident Bola Tinubu versprach daraufhin eine Erhöhung zum 1. Mai, jedoch konnte sich das Drei-Parteien-Komitee (Regierung, Unternehmer, Gewerkschaften) nicht einigen.
Die Frustration der Arbeiter führte zu mehreren Generalstreiks, organisiert vom Nigeria Labour Congress (NLC) und dem Trade Union Congress (TUC). Der letzte Streik im Juni legte das ganze Land lahm, bis die Regierung zusicherte, den Mindestlohn vorläufig auf 60.000 Naira zu erhöhen und weiter zu verhandeln. Diese Verhandlungen sind jedoch ins Stocken geraten, da die Regierung den geforderten Mindestlohn von 250.000 Naira als unhaltbar bezeichnet.
Bayuj Onanuga, Sonderberater des Präsidenten, betonte, dass nur ein geringer Teil der Bevölkerung von der Mindestlohndebatte betroffen sei und dass die Regierung die Gewerkschaftsführer möglicherweise nicht erneut treffen werde, sollte kein überzeugender Vorschlag vorliegen. Bukar Goni Aji, Vorsitzender der Drei-Parteien-Kommission, rief die Gewerkschaften auf, das Angebot von 62.000 Naira anzunehmen. Zusätzlich stellte die Regierung staatliche Lohnprämien von 35.000 Naira für Bundesbeamte und 25.000 Naira für 15 Millionen Haushalte in Aussicht.
Auch die Anglikanische Kirche hat sich eingeschaltet und fordert die Regierung auf, einen existenzsichernden Lohn zu zahlen und die marode Infrastruktur des Landes zu verbessern. Nigeria sei „zum Armutszentrum der Welt“ geworden, heißt es in einer Stellungnahme.
Quelle: junge Welt