HomeInternationalesUNO: Großbritannien soll Chagos-Archipel an Mauritius zurückgeben

UNO: Großbritannien soll Chagos-Archipel an Mauritius zurückgeben

Seit über einem halben Jahrhundert hält der britische Imperialismus eine mauritische Inselgruppe widerrechtlich besetzt. Der UN-Seegerichtshof fordert die Rückgabe – mit wenig Erfolgsaussichten.

Hamburg/Port Louis/London. Abermals wird Großbritannien nach einem Richterspruch aufgefordert, den besetzten Chagos-Archipel an den rechtmäßigen Eigentümer zu übergeben. Diesmal ist es der Internationale Seegerichtshof der UNO in Hamburg, der die umstrittene Inselgruppe im Indischen Ozean der Republik Mauritius sowie den zwangsumgesiedelten ehemaligen Bewohnern zuspricht. Ähnlich hatten es zuvor bereits der Ständige Schiedshof 2012 und der Internationale Gerichtshof 2019 jeweils in Den Haag entschieden: Der britische Anspruch sei völkerrechtswidrig, hieß es in den Gutachten. Im Mai 2019 hatte auch die Generalversammlung der Vereinten Nationen eine Resolution beschlossen, wonach Großbritannien den Chagos-Archipel binnen sechs Monaten zu räumen und Mauritius zu überlassen habe. Das hat den britischen Imperialismus freilich nicht geschert – und auch nicht seine Verbündeten: Während 116 UNO-Mitglieder – darunter Österreich – damals für die Resolution stimmten, fanden sich neben Großbritannien fünf weitere Staaten, die nichts vom Völkerrecht halten und dagegen votierten: die USA, Israel, Ungarn, Australien und die Malediven. Die meisten NATO-„Partner“ enthielten sich, darunter die BRD und Frankreich. Es ist davon auszugehen, dass auch das nunmehrige Urteil von Hamburg in London zurückgewiesen wird: Man betrachtet die Inseln weiter als britisches Überseegebiet – und den letzten verbliebenen Kolonialbesitz im Indischen Ozean.

Dass diese eigenartige Situation überhaupt entstanden ist, hat mit einem Trick der britischen Regierung zu tun. Im Zuge der Napoleonischen Kriege hatte Großbritannien die Herrschaft über die Seychellen und Mauritius – damit auch über den Chagos-Archipel – von Frankreich übernommen. Als in den 1960er Jahren die UNO die Entkolonialisierung forderte, lösten die britischen Herren 1965 die nördliche Inselgruppe kurzerhand vom restlichen Mauritius und entließen 1968 nur dieses in die Unabhängigkeit (schon damals gab es eine UN-Resolution gegen diese Vorgehensweise). Die kreolischen Einwohner, die Chagossianer, wurden zwischen 1967 und 1973 vollständig vertrieben und zwangsdeportiert. Dafür siedelte sich jemand anderer an, nämlich auf der größten Insel des Archipels namens Diego Garcia: Dort befindet sich gemäß einem Vertrag mit den britischen Okkupanten seit 1966 ein strategisch wichtiger Flotten- und Luftwaffenstützpunkt des US-Militärs – und ein CIA-Foltergefängnis à la Guantanamo. Womit auch klar ist, warum eine Rückgabe an Mauritius für den britischen und US-Imperialismus natürlich nicht in Frage kommt, ebenso wenig wie ein Rückkehrrecht für die früheren Bewohner und deren Nachkommen, die auch im Jahr 2021 Opfer des europäischen Kolonialismus und dessen Folgen bleiben sollen.

Quelle: Der Standard

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