Athen. Dass die kommunistische Bewegung in Österreich (und weltweit) vor großen Aufgaben steht, hat die aktuelle kapitalistische Krise gekoppelt mit der volksfeindlichen Bearbeitung der Corona-Pandemie verdeutlicht – umso wichtiger also, dass mehr Jugendliche sich in den Reihen der Kommunisten und des Klassenkampfes für ihre sozialen Rechte einfinden.
In Griechenland lud daher die Kommunistische Jugend Griechenlands (KNE) vom 23. bis zum 25. September zu ihrem jährlich stattfindenden Festival „Odigitis“ ein. Das Odigitis ist ein fester Ankerpunkt in der Arbeit der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) sowie ihrer Jugendorganisation (KNE), es findet den gesamten Sommer über in dutzenden Städten Griechenlands statt und in Athen seinen Höhepunkt. Jährlich beteiligen sich zehntausende Menschen alleine in Athen am Festival, das sich mittlerweile zur größten politischen und Kulturveranstaltung für Jugendliche im ganzen Land entwickelt hat.
Ein kraftvoller Festakt
In diesem Jahr stand das Festival unter dem Motto „Zu leben, zu wagen, sich vorankämpfen – Für die Gesellschaft der wahren Freiheit, den Sozialismus“. Die Genossinnen und Genossen der KNE verstehen dies als eine Art „Call-to-Action“; die Zumutungen des vergangenen Jahres können überwunden werden, indem man gemeinsam mit den Kommunistinnen und Kommunisten schon jetzt für eine Gesellschaft kämpft, in der die Arbeiter und das Volk nicht für den Profit einiger weniger Konzerne im wahrsten Sinne des Wortes ersticken. Da auch dieses Festival ganz im Zeichen der Corona-Pandemie stand, wurden umfassende Schutzmaßnahmen getroffen, wie die Einrichtung einer Gesundheitstation, Desinfektionsmittel, Sitz- statt Stehplätze bei den Bühnen, Hygienegruppen, geschulte Securitys sowie die Aufforderung, zumindest in größeren Menschenansammlungen Masken zu tragen, was auch von einer überwältigenden Mehrheit befolgt wurde.
Am Festivalgelände selbst befanden sich fünf Bühnen: die Hauptbühne, in der Musikgrößen wie George Dalaras oder Maria Farantouri auftraten, oder eine „Volksbühne“, in der griechische Volksmusik im Mittelpunkt stand. Auch gab es Bühnen für Schüler und junge Arbeiter, in der unter anderem Nachwuchskünstler aus dem Hip-Hop- und Rap-Bereich drei Tage lang etliche tausende Jugendliche unterhielten. Das musikalische Rahmenprogramm wurde durch Stand-Up-Comedy, ein umfassendes Kinderprogramm, akrobatische und Theatereinlagen ergänzt.
Anlässlich des 175. Jubiläums der Pariser Kommune wurde ein Theaterstück dargeboten. Auch hatte die KNE zwischen der „internationalen Stadt“, in der alle 25 internationalen Delegationen zu finden waren, und der Hauptbühne eine große Wanderausstellung zur Pariser Kommune umgesetzt.
Das kulturelle Rahmenprogramm wurde auf kreative Weise mit der politischen Botschaft der KNE und ihrer kommunistischen Partei verknüpft. Am Festival fanden große politische Diskussionsveranstaltungen statt, etwa zur Lage in Afghanistan und der Verantwortung der EU- und NATO-Imperialisten. Es gab außerdem eine Diskussionsveranstaltung zum sozialistischen Kuba, über Wissenschaftsfeindlichkeit und die Corona-Pandemie. Einige der Stände wurden von den politischen Sektionen der KKE gestellt, wie zur Umweltfrage, der Flüchtlingsproblematik, der Befreiung der Frau, der politischen Arbeit im Militär und zu vielem mehr. Wegen der katastrophalen Waldbränden hatten die Besuchenden auch die Möglichkeit, Sachspenden für die Betroffenen abzugeben, was von etlichen auch genutzt wurde.
Ein besonderes Highlight erwartete die Besucherinnen und Besucher am ersten Festivaltag, als mehrere streikende Kolleginnen und Kollegen der Lieferdienstkette efood, ausgerüstet mit roten Fahnen ihrer Basisgewerkschaft und auf ihren Motorrädern triumphierend durch das Festivalgelände fuhren. Wie wir bereits berichteten, errangen die Kuriere einen wichtigen Sieg durch ihre klassenkämpferische Front – Siege, die von der korrumpierten ÖGB geflissentlich verschwiegen werden.
Ein notwendiges Zeichen gegen Fatalismus
Umso erfreulicher, dass dieses Jahr auch junge Mitglieder der Partei der Arbeit Österreichs (PdA) eingeladen wurden, Teil der „Internationalen Stadt“ zu werden – ein Ort am Festivalgelände, an dem sie dieses Jahr gemeinsam mit zwei Dutzend kommunistischen Jugendorganisationen einen eigenen Stand betreuten. Hier kam man ins Gespräch mit Besucherinnen und Besuchern und konnte sie über die Lage in Österreich informieren.
Dass die KNE seit Jahren keine Kosten und Mühen scheut, kommunistische und antiimperialistische Jugendorganisationen aus aller Welt zum Festival einzuladen, entspricht ihrer Verpflichtung zur internationalen Solidarität mit den Kämpfen der Jugend weltweit gegen das kapitalistische System. Daher hat die KNE zu diesem 47. Festival und nach dem pandemiebedingten Ausfall internationaler Delegierter im letzten Jahr die „internationale Stadt“ massiv aufgewertet. Wie die KNE selbst mehrmals ausführte, sollte dieses Festival der griechischen Jugend vor Augen führen, dass sie mit ihren Kämpfen, aber auch Problemen im kapitalistischen Alltag und insbesondere der Verschlechterung ihres Lebens durch die Pandemie nicht alleine sind.
In vielen Gesprächen mit uns sprachen junge Festivalbesucherinnen und ‑besucher über marode Schulen, über ihre Arbeitslosigkeit und das prekäre Leben als Studenten, und immer wieder fanden wir Parallelen. Diese Parallelen – wie die explodierenden Lebenshaltungskosten, Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen, die politische Repression und vieles mehr – waren für viele Festivalbesucher zu unserer Lage in Österreich verblüffend, trichterten ihre bürgerlichen Medien doch ein, dass Mittel- und Nordeuropa eine Art „Insel der Seeligen“ seien. In diesen und anderen Gesprächen, etwa mit jungen Mitgliedern der KNE, zeigte sich, dass ein solches Festival in doppeltem Sinne notwendig ist: mit ihrem Kulturprogramm, ihren zahlreichen politischen Diskussionsbühnen, den vielfältigen Lesematerialien der KNE, der Abteilungen der KKE sowie befreundeten Massenorganisationen leistet es einen gewaltigen Beitrag gegen die bürgerliche Kulturindustrie, gegen den Antikommunismus im Bildungswesen bzw. in der Medienlandschaft und das politische System. Mindestens so bedeutsam ist aber, dass es Hoffnung spendet, den politischen Nihilismus und die soziale Vereinzelung zu überwinden.
„Nur das Volk kann das Volk retten!“
Den Höhepunkt des politischen Programms bildeten die Reden des Vorsitzenden der KNE, Nikos Abatielos, und insbesondere des Generalsekretärs des Zentralkomitees der KKE, Dimitris Koutsoumbas. Viele tausende Festivalbesucherinnen und ‑besucher kamen zur Hauptbühne, bei der auch Kameramänner, Fotografen sowie Kameradrohnen die kämpferischen Reden aufzeichneten. An den entgegen gelegenen Seiten der Hauptbühne strömten vor Beginn der Reden hunderte Mitglieder der KKE und KNE mit Parteifahnen, die vor und während den Reden politische Slogans anstimmten, welche von den Besuchern immer energisch wiederholt wurden.
Nikos Abatielos begrüßte die hunderten neuen Mitglieder der KNE, die diesen Sommer landesweit am Erfolg des Odigitis-Festivals mitgearbeitet haben, genauso wie er sich für die aufopfernde Arbeit älterer Genossen und Mitglieder bedankte. Abatielos stellte fest, dass trotz der Pandemie diese Festivalreihe wohl die erfolgreichste in den 47 Jahren des Festivals darstellt. Die Beiträge aller Genossinnen und Genossen an der organisatorischen und inhaltlichen Gestaltung seien von dem Willen getragen, den Jugendlichen für den Kampf um eine Gesellschaft zu gewinnen, in der das volle Potential menschlicher Arbeit und wissenschaftlicher Errungenschaften entfesselt werden kann. Er schloss seine Ansprache mit einer Rühmung des großen Komponisten und Freundes der KKE, Mikis Theodorakis, der kürzlich verstorben war.
Dimitris Koutsoumbas ging in seiner Rede auf komplexe nationale und internationale Widersprüche und Angriffe der Kapitalisten gegen die Arbeiterklasse ein. Er unterstrich, dass die KKE sich nie dem antikommunistischen Druck gebeugt hat, der besonders nach dem Sturz des Sozialismus 1990 die Partei zu zerstören drohte. Eben weil sich die KKE seither nie in eine bürgerliche Regierungsbeteiligung einspannen ließ, schaffte sie es, „Kopf und Herz, die Vorreiterin aller Kämpfe“ zu werden, um den Kapitalisten selbst die kleinsten Zugeständnisse für die Arbeiter und das Volk abzuringen. Koutsoumbas kritisierte ausführlich den Scheinradikalismus opportunistischer Parteien wie der SYRIZA – also der Schwesterpartei der hiesigen KPÖ –, die in Regierungsverantwortung den NATO-Militarismus, die Angriffe auf die organisierte Arbeiterbewegung, auf das Bildungssystem und die Lohn- und Rentenansprüche brachial durchgepeitscht hat. Er forderte die Jugendlichen auf, ihre Vorbehalte und ihre Zaghaftigkeit aufzugeben und sich der KNE anzuschließen, um den politischen Parteien, dem Staat und ihren politischen Mechanismen den Kampf anzusagen.
Der Jugend die Zukunft, die Zukunft dem Sozialismus
Abgerundet wurde der Aufenthalt der PdA-Delegation abseits des Festivals von einem Seminar, in dessen Rahmen die internationalen Delegationen ihre politischen Perspektiven auf die Schüler- bzw. Studentenbewegung während der Pandemie und die Rolle von kommunistischen Jugendorganisationen darlegten. In der eigenen Intervention betonte die PdA unter anderem, wie die Hochschulen in ihrer Arbeits- und Organisationsweise den Bedürfnissen der monopolistischen Konzerne untergeordnet werden (Bildungsökonomisierung) und wie die ÖH der schrittweisen Rücknahme von Studentenrechten nichts entgegenzusetzen hat.
Mit dem Odigitis-Festival samt dem internationalen Rahmenprogramm konnte trotz der Corona-Pandemie ein Treffpunkt junger Kommunistinnen und Kommunisten organisiert werden, der motiviert, in Österreich die kämpferische Bewegung aufzubauen, in denen Studenten, Schüler, Arbeiter und Arbeitslose ihrer gerechtfertigten Wut eine Stimme verleihen können – jenseits der Zwangsjacke der Sozialpartnerschaft in den Gewerkschaften und der ÖH, jenseits der Logik des „kleineren Übels“ und prinzipienloser Symbolpolitik.