Wiener Neustadt. Etwa vier Monate war der Arbeiter S. bei einem Hightech-Konzern im Bezirk Wiener Neustadt beschäftigt. Er arbeitete dort als Vertriebstechniker. Neben seiner eigentlichen Tätigkeit, der Kundenbetreuung, musste er auch immer wieder den technischen Support übernehmen. Für die Betreuung der Kundinnen und Kunden blieb deshalb kaum noch ausreichend Zeit.
Als Herr S. dies beim Geschäftsführer ansprach, wies ihn dieser darauf hin, dass er im Vergleich zum geltenden Kollektivvertrag eine Überzahlung von 250 Euro monatlich bekäme. Und deswegen könne auch von ihm erwartet werden, Überstunden zu machen. Oder falls es sich damit auch nicht ausgehe, die Kunden in seiner Freizeit betreuen. Aber zehn Überstunden im Monat seien ohnehin „normal“. 130 Überstunden hatte der Arbeiter zu diesem Zeitpunkt bereits geleistet.
Am selben Tag um halb fünf Uhr Abends zum Ende der im Betrieb geltenden Normalarbeitszeit stempelte der Kollege aus und ging anschließend in den nächstgelegenen Supermarkt einkaufen. Noch am Parkplatz traf er auf seinen Vorgesetzten, der ihm an Ort und Stelle die Entlassung mitteilte. Die haarsträubende Begründung: Der Techniker hätte bereits um 16.28 Uhr, also um 2 Minuten zu früh, ausgestempelt. Und das, obwohl Überstunden angeordnet worden waren.
Der Geschäftsführer forderte die sofortige Herausgabe des Autoschlüssels für den Dienstwagen und ignorierte den Hinweis des Arbeiters, es seien noch persönliche Sachen im Fahrzeug.
Der Kollege wandte sich schließlich an die Arbeiterkammer. Ein Interventionsschreiben beim Dienstgeber wegen ungerechtfertigter Entlassung blieb erfolglos, das Unternehmen erhob gegen die Intervention Einspruch, sodass der Fall vor dem Arbeits- und Sozialgericht landete.
Die AK Niederösterreich gewährte dem Arbeiter Rechtsschutz, um gegen die Entlassung vorzugehen. Denn eine Überzahlung des Kollektivvertrags sei kein Freibrief, über Beschäftigte uneingeschränkt verfügen zu können. Mit der Gehaltshöhe waren gerade einmal sechs Überstunden pro Monat abgegolten, so die Arbeitsrechtsexperten.
Erst bei der mündlichen Verhandlung dürfte dem Geschäftsführer des Hightech-Unternehmens klar geworden sein, dass er mit der Entlassung nicht durchkommen werde. Der Dienstgeber verpflichtete sich daraufhin, die offenen Überstunden sowie die durch die ungerechtfertigte Entlassung geltend gewordene Kündigungsentschädigung in Höhe von 8.370 Euro nachzuzahlen.
Quelle: MSN