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Das Recht auf Information und Selbstbestimmung

In einer Welt, in der fast die Hälfte aller Schwangerschaften ungeplant ist und über 60 Prozent dieser Schwangerschaften in einem Abbruch enden, ist der Zugang zu Informationen über Schwangerschaftsabbrüche sehr dringlich. Diese Informationen sind von entscheidender Bedeutung, um eine fundierte Entscheidung zu treffen, besonders in Ländern, in denen die Rechte auf Abtreibung zunehmend eingeschränkt werden. Doch gerade dieser Zugang wird auf Social-Media-Plattformen immer wieder behindert – häufig ohne eine transparente Erklärung.

Das Internet ist für immer mehr Menschen der erste Anlaufpunkt, um sich über Themen zu informieren, die im persönlichen Umfeld als Tabu gelten könnten. Gerade bei jungen Menschen, die sich stark auf soziale Medien verlassen, um Informationen zu beschaffen, kann die Einschränkung von Inhalten fatale Folgen haben. Denn wenn Zeit drängt – etwa in Bezug auf gesetzliche Fristen für einen Schwangerschaftsabbruch – kann der Zugang zu präzisen und neutralen Informationen lebensentscheidend sein.

Amnesty kritisiert TikTok und Co

Wie ein umfassender Bericht von Amnesty International zeigt, sind es vor allem Plattformen wie Instagram, TikTok und Facebook, die Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen regelmäßig zensieren. Beiträge werden entfernt, Accounts gesperrt und Inhalte als „sensibel“ markiert, oft ohne nachvollziehbare Begründung. Dies betrifft auch Informationen, die auf medizinischen oder wissenschaftlichen Fakten basieren. So wurde im April 2023 ein Beitrag der NGO Ipas gelöscht, der lediglich die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlene Vorgehensweise für einen eingeleiteten Abbruch beschrieb.

Diese Praxis, die von den Plattformen autonom entschieden wird, zeigt die tiefe Kluft zwischen den erklärten Absichten und der Realität auf. Obwohl TikTok und Meta behaupten, den Zugang zu reproduktiven Gesundheitsinformationen nicht zu verbieten, zeigt die Praxis das Gegenteil. Oftmals müssen Nutzer*innen auf „Algospeak“ – verschleierte Begriffe – zurückgreifen, um überhaupt eine Chance zu haben, dass ihre Beiträge sichtbar bleiben.

Die Konsequenzen sind gravierend. Der Zugang zu korrekten und unvoreingenommenen Informationen ist ein grundlegendes Menschenrecht. Laut Jane Eklund, Expertin für Technologiethemen bei Amnesty International, kann die Zensur von Inhalten rund um Schwangerschaftsabbrüche eine direkte Verletzung der Menschenrechte von Schwangeren bedeuten. Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte hat eindeutig festgestellt, dass jeder Mensch ein Recht auf evidenzbasierte Informationen über sexuelle und reproduktive Gesundheit hat – und das schließt den Zugang zu sicheren Abtreibungen mit ein.

Zugang zu Schwangerschaftsabbruch immer schwerer

Die aktuelle Praxis der Zensur reiht sich ein in ein breiteres, globales Klima der Restriktion. Seit der Aufhebung des Grundsatzurteils „Roe v. Wade“ in den USA im Jahr 2022 wird der Zugang zu Abtreibungen immer weiter eingeschränkt.

In Österreich etwa gibt es außerhalb Wiens kaum Möglichkeiten, einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen, und in Vorarlberg wurde das Thema gar zum Politikum, als aufgrund von Protesten zeitweise keine Einrichtung mehr bereit war, Abtreibungen durchzuführen.

Für viele Menschen, insbesondere für junge Frauen, sind soziale Medien nicht nur Informationsquellen, sondern auch Orte des Austauschs und der Entstigmatisierung. In diesen virtuellen Räumen können stereotype Vorstellungen von Abtreibungen infrage gestellt und Solidarität aufgebaut werden. Doch wenn diese Räume durch Zensur eingeschränkt werden, wird nicht nur der Zugang zu lebenswichtigen Informationen, sondern auch das Recht auf Selbstbestimmung gefährdet.

Die Forderungen von Amnesty International sind klar: Die Moderationsverfahren der Plattformen müssen angepasst werden, um den Zugang zu zuverlässigen Informationen über reproduktive Gesundheit zu gewährleisten. Zudem muss Transparenz geschaffen werden, damit die Nutzer*innen verstehen, warum und wie Inhalte zensiert werden. Denn nur durch einen offenen und ungehinderten Zugang zu Informationen können Menschen ihre Rechte vollumfänglich wahrnehmen – und das schließt das Recht auf eine sichere und informierte Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch ein.

Internet und soziale Medien nicht frei von Herrschaft

Es zeigt sich auch an diesem Beispiel, dass das Internet oder soziale Medien unter Kapitalistischen Verhältnissen nicht den Interessen der Mehrheit dienen sondern eben auch ein Herrschaftsinstrument sein können bzw. sind und die bestehenden Verhältnisse stützen. Das gilt nicht nur für Informationen zu Schwangerschaftsabbruch sonder auch andere politische Themen. Instagram hat diese heuer ja sogar ganz explizit in der Reichweite begrenzt.

Quelle: Der Standard

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