In Wr. Neustadt geschieht gerade ein Angriff auf eine der wichtigsten und weitreichendsten sozialen Errungenschaften, auf den Gemeindebau. Nicht nur, dass sich die Stadt, mit sozialdemokratischer Beteiligung, dazu entschlossen hat, die Gemeindebauten nicht zu sanieren, sie wirft sie auf den freien Markt und untergräbt damit einen Stützpfeiler des sozialen Wohnbaus.
Wiener Neustadt. In der ehemaligen Industriestadt im südlichen Niederösterreich gibt es 2.192 Gemeindewohnungen, die in städtischem Eigentum stehen. Diese sind auf rund 40 Objekte bzw. Siedlungen verteilt. Derzeit gibt es einen Leerstand von circa 22 Prozent. Die meisten dieser Wohnungen wurden nach 1945 errichtet, vor allem in den 1950er bis 1970er Jahren. Der Großteil entstand im Rahmen des Nachkriegswohungsbau-Booms, der bis in die 1980er Jahre anhielt und vom „Roten Wien“-Modell inspiriert wurde, allerdings lokal angepasst. Dies war auch deshalb möglich, weil die SPÖ von 1945 bis 2020 in Wr. Neustadt über die absolute Mehrheit verfügte und die Schaffung von erschwinglichem Wohnraum für die arbeitenden Menschen eine bedeutende Rolle spielte. Seit 2020 gibt es eine Koalition aus ÖVP, FPÖ und SPÖ, wobei letztere den Juniorpartner und Mehrheitsbeschaffer darstellt.
Diese Stadtregierung hat nun einen Verkauf von ungefähr 75 Prozent der im Besitz der Stadt stehenden Gemeindewohnungen, das sind 1.582 Einheiten in 22 Objekten, beschlossen. Dieser Beschluss wurde mit einer knappen Mehrheit in einer nicht-öffentlichen Gemeinderatssitzung am 7. Oktober 2025 gefasst. Es gab intensive Verhandlungen in einem Expertengremium, das den Beschluss vorbereitete. Doch die Abstimmung selbst war umstritten. Die in Opposition befindlichen Grünen sprechen von einem abgekarteten Spiel. Die IFP GmbH (Immobilien, Freizeit, Parken, die zu 100 Prozent der Stadt gehört) erhielt die Vollmacht, den Prozess in 18 Monaten umzusetzen. Sie bereitet ein Bieterverfahren für private Investoren vor. Zwar bleiben die Mietverträge aufgrund des Mietrechtsgesetzes geschützt, es drohen aber mittel- bis langfristige Anpassungen. Konkret betroffen sind die Robert-Stolz-Siedlung mit 300, der Kraupa-Hof mit 200, der Etrich-Hof mit 150 und die Verbundhäuser Flugfeld mit 500 Wohnungen, was einen Erlös von 50 bis 80 Millionen Euro einbringen soll.
Sozialer Wohnraum wird für Schuldentilgung verschleudert
Die offizielle Begründung lautet, es gäbe kein Geld für Sanierungen. Im öffentlichen Diskurs dreht sich alles um die Finanzkrise der IFP. Diese wird von einem Schuldenberg von 80 Millionen Euro belastet. Dazu kommen endfällige Kredite. So werden 53 Millionen 2034 fällig. Die Sanierungen würden 20 bis 30 Millionen kosten. Primär sollen also die Erlöse für die Tilgung der Kredite und für die Sanierung der verbleibenden 25 Prozent Gemeindewohnungen aufgewendet werden. Das Argument der ÖVP lautet: „Nachhaltige Entlastung für künftige Generationen.“
Und gerade dieser Slogan ist ein Hohn, denn diese Vorgehensweise ändert nichts an der grundlegenden Misswirtschaft und transferiert das eigentliche Problem in die Zukunft. Der Deal löst zwar die aktuelle Schuldenkrise, entlastet das Budget kurzfristig und ermöglicht Sanierungen eines kleinen Teils der Wohnungen. Es bedeutet aber einen irreversiblen Verlust an sozialen Wohnraum, der ungeschützt privaten Investoren in den Rachen geworfen wird, die natürlich profitorientiert handeln. Es ist ein weiterer massiver Schritt in Richtung Entsolidarisierung und Unterminierung hart erkämpfter Rechte von Arbeitern und Arbeiterinnen. Es ist kein „notwendiger Sanierungsakt“, sondern ein systematischer Akt der Entproletarisierung des Wohnraums und ein klassischer Fall von Akkumulation durch Enteignung.
Gewinner sind private Käufer wie Immobilienspekulanten, Fonds, die öffentliches Eigentum um einen Spottpreis erwerben. Dadurch wird es langfristig zu Mietsteigerungen kommen und eine satte Rendite durch Verdrängung erwirtschaftet werden. Verlierer ist die Arbeiterklasse, da mehr als 1.500 Haushalte ihre langfristige Mietpreisstabilität verlieren und in die Peripherie oder ins Prekarität getrieben werden. So handelt die Stadtregierung im Interesse des Kapitals. Die SPÖ, einst „Arbeiterpartei“, ist korrumpiert und dient der Stabilisierung des Systems. Damit wird der Verkauf zu einer bewussten Umverteilung von unten nach oben.
Der Gemeindebau war eine historische Errungenschaft der Arbeiterbewegung. Die SPÖ, ohnehin bereits zur Mehrheitsbeschafferin für Schwarz-blau degradiert, handelt objektiv wieder einmal gegen die Interessen der Arbeiterklasse, indem sie öffentliches Eigentum an die Bourgeoisie übergibt. Die Antwort kann nicht „mehr Förderung“ lauten, sondern Klassenkampf um Wohnraum bis zur Vergesellschaftung.





















































































