Kommentar von Tibor Zenker, Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs (PdA)
Auf dem Dach des Bundeskanzleramts am Wiener Ballhausplatz wehen normalerweise zwei Fahnen, nämlich die österreichische und jene der EU. Am Freitagvormittag wurde eine hinzugefügt: Nun flattert auch die blau-weiße Nationalfahne Israels im Wind. Dies sei „ein Zeichen der Solidarität“, erklärte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). „Gemeinsam stehen wir an der Seite Israels.“
Dass Kurz ein engagierter Fanboy des rechtsnationalistischen israelischen Premierministers Netanjahu und dessen Okkupations- und Apartheidregimes ist, hat an sich wenig Neuigkeitswert. Dass man ausgerechnet dann, wenn die überlegene israelische Militärmaschinerie wieder mal zu einem Massaker an den Palästinensern ansetzt, seine „Solidarität“ mit dem kriegsführenden Regime ausdrücken muss, ist vielleicht auch nicht überraschend. Trotzdem wird dadurch sichtbar, zu welchen Positionen sich die türkis-grüne Regierung bekennt: Okkupation und Annexionen, Völkerrecht und Menschenrechte, Unterdrückung und Diskriminierung der Palästinenser sowie der Araber in Israel spielen sowieso keine Rolle, das „IDF“-Bombardement der Bevölkerung von Gaza muss offenbar sogar am Wiener Kanzleramt gefeiert werden.
Von einer ernsthaften Regierung, die auf dem Boden des internationalen Rechts stünde oder wenigstens über einen Funken Anstand verfügte, könnte man anderes erwarten – z.B. den Hinweis, dass die Besatzung und der Siedlungsbau im Westjordanland und die Belagerung Gazas, die gewaltsame Repression gegen die Palästinenser, die Vertreibungen und regelmäßigen Morde enden müssen, damit ein gerechter Frieden für alle ermöglicht wird. Israel ist die Besatzungsmacht, Landräuber, Aggressor und Kriegsverbrecher – dies sind die Gründe, warum es palästinensischen Widerstand gibt und weiterhin geben wird. Die palästinensische Bevölkerung ist es, die internationale Solidarität braucht. Der palästinensische Freiheitskampf ist grundsätzlich gerecht, daran ändern auch inakzeptable Methoden der Hamas nichts.
Doch für Israel sind diese der Vorwand, um die Vernichtung der palästinensischen Bevölkerung und die schließliche ethnische Säuberung der gesamten Region weiter voranzutreiben – mit Wohlwollen der Regierung Kurz. Der „Nahostkonflikt“ ist im großen Maße asymmetrisch: Auf der einen Seite die hochgerüstete israelische Soldateska mit modernen Kampfflugzeugen, Panzern, Artillerie und sogar Atomwaffen – auf der anderen Seite eine palästinensische Bevölkerung, die sich nur behelfsmäßig zur Wehr setzen kann. Es gilt das Recht des Stärkeren, und auf diese Seite stellt sich auch die österreichische Regierung, ohne jegliche Differenzierung und ohne jeden Genierer.
Aber vielleicht gilt in der „Solidarität“ zwischen Kurz und Netanjahu auch noch eine andere Facette: Beide Regierungschefs sind mit Ermittlungen der Justiz konfrontiert, die sie ins Gefängnis bringen könnten. Unschuldsvermutung hin oder her – da gehören sie wohl auch hin. Doch bis es so weit ist, werden noch hunderte und tausende Palästinenser Netanjahus Aggressionen mit dem Leben bezahlen – und dies mit voller Unterstützung durch Kanzler Kurz und dessen Regierung, wie man durch das Hissen der israelischen Fahne zeigt. Man müsste sich schämen, würde man diese österreichische Regierung noch ernst nehmen.