Am 19. Juni standen entlang der US-amerikanischen Westküste 29 Häfen vorübergehend still. Die über 33.000 Mitglieder zählende Gewerkschaft International Longshore and Warehouse Union (ILWU) hatte zur Arbeitsniederlegung aufgerufen, um ein Zeichen gegen Rassismus und Repression zu setzen.
USA/San Francisco. Von Kalifornien über Oregon bis Washington streikten die – vornehmlich – Dock- und Lagerarbeiter der US-Pazifikküste, für eine recht limitierte, jedoch äußerst symbolträchtige Zeit: 8 Minuten und 46 Sekunden. Dies entspricht dem Zeitraum, den der weiße Polizist Derek Chauvin am 25. Mai dieses Jahres in Minneapolis dafür aufwendete, um unter seinem Knie den Afroamerikaner George Floyd zu töten. Das Datum des 19. Juni („Juneteenth“) steht zudem für den Gedenktag der Befreiung der Afroamerikaner aus der Sklaverei im Jahre 1865. Dass auch zum 155. Jahrestag Rassismus und Polizeigewalt immer noch zum kapitalistischen Herrschafts- und Ausbeutungssystem der USA gehören, wurde auch auf den begleitenden Demonstrationen, die vielerorts parallel zum symbolischen Streik stattfanden, betont. In Oakland sprach Angela Davis, ehemals Mitglied der Black Panther und der KP der USA, zu den Demonstranten. Sie bezeichnete den Protestmarsch, der vom Hafen zur Polizeizentrale führte, als kräftigen Ausdruck des Potenzials und der Macht der Arbeiterbewegung.
Gewerkschaft ILWU mit großartiger internationalistischer Tradition
Die 1937 gegründete ILWU bezog in der Tat nicht zufällig klare Positionen. In ihrer Geschichte, die maßgeblich von Harry Bridges (Vorsitzender 1937–1976) geprägt wurde, verstand sie sich immer als kämpferische Interessenvertretung der Hafenarbeiter, aber auch als Pfeiler gegen Rassismus und Imperialismus. Sie zeigte sich solidarisch mit der UdSSR, lehnte den Marshallplan ab, wandte sich gegen den Korea‑, Vietnam- und die Irakkriege und trat für die Rechte der Palästinenser ein. Nicht zuletzt Bridges wurde deswegen immer wieder sowohl als Kommunist wie auch als angeblich korrupt diffamiert sowie von der Staatsmacht mit Repression und Gerichtsverfahren verfolgt. Da er in Australien geboren war, wurde zudem mehrmals vergeblich versucht, ihn auszuweisen.
Zusammenhang zwischen rassistischer Unterdrückung und kapitalistischem Ausbeutungssystem
Die Solidarität der pazifischen US-Hafenarbeiter mit dem Kampf der Afroamerikaner gegen Rassismus und Unterdrückung steht in den besten Traditionen der Arbeiterbewegung. Schon die historische Kommunistische Internationale betonte immer wieder den Zusammenhang der rassistischen Unterdrückung mit dem Ausbeutungssystem des Kapitalismus – nicht zuletzt in den USA –, und dass die Komintern „nicht nur die Organisation der geknechteten weißen Arbeiter in Europa und Amerika ist, sondern auch die Organisation der unterdrückten farbigen Völker der Welt“, dass es ihre Pflicht sei, die Farbigen im „ Kampfe gegen den gemeinsamen Feind zu unterstützen und zu fördern.“ Die Kommunistinnen und Kommunisten müssten, so eine Resolution des 4. Weltkongresses 1922, „für die Gleichheit der weißen und der schwarzen Rasse [siehe Anmerkung unten] kämpfen, für gleiche Löhne und gleiche politische und soziale Rechte.“ Das gilt auch heute, fast 100 Jahre später: Antirassismus ist Klassenkampf.
[Anmerkung der Redaktion: Heute ist es als wissenschaftliche Tatsache bekannt, dass es im biologischen Sinn keine unterschiedlichen Menschenrassen gibt: Die bestehende Art Homo sapiens teilt sich weder in Rassen noch Unterarten. Für phänotypische Beschreibungen, wie im Zitat von 1922, wären daher heute andere Begriffe zu verwenden.]