Die industrialisierte und monopolisierte ukrainische Geflügelindustrie überschwemmt den europäischen Markt mit Billigfleisch aus übelsten Haltungsbedingungen. Sie wird dabei von der Weltbank und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) mit massiver Unterstützung bedacht.
Kiew/Brüssel/London. Der Konzern MHP ist ein Geflügelmastunternehmen mit Steuersitz auf Zypern und Mastanlagen in der Ukraine sowie einigen anderen Ländern. Ursprünglich im Ackerbau tätig, wurde es nicht zuletzt durch Investitionskapital von Entwicklungsbanken zu einem der größten Geflügelkonzerne in Europa aufgebläht. Zwischen 2003 und 2017 erhielt MHP etwa 700 Millionen US-Dollar an Darlehen von internationalen Finanzinstitutionen (EBRD und Weltbankgruppe). Diese beispiellose Unterstützung mit öffentlichen Mitteln ermöglichte es MHP, zu einem Quasi-Monopolisten in der Ukraine zu werden und in der Region Winnyzja Mastanlagen mit einer Jahreskapazität von 220 Millionen Hühnern zu errichten – mit den entsprechenden negativen Folgen für die lokale Bevölkerung. Ein Beschwerdeverfahren der Anrainergemeinden bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) ist anhängig.
Käfighaltung und Stopfleber
Von Tierschützern wurde aufgedeckt, dass MHP und auch andere industrielle Geflügelkonzerne in der Ukraine die Tiere in tierschutzwidriger Käfighaltung unter übelsten Bedingungen halten. Bei MHP wurde auch dokumentiert, dass das Stopfen von Gänsen, das in der EU ebenso wie die Käfighaltung längst verboten ist, durchgeführt wird. Die Stopfleber der Gänse wird dann sicher in feinsten Restaurants in der EU teuer verkauft.
Der ukrainische Oligarch und Milliardär Jurij Kossjuk ist Hauptaktionär von MHP, die Angaben über seine Beteiligung schwanken zwischen 50 und 65 Prozent. Die restlichen Aktien befinden sich im Streubesitz auf dem Hauptmarkt der Londoner Börse. Kossjuk zählt übrigens zum Beraterstab von Präsident Selenskyj.
Thomas Waitz, EU-Parlamentarier der österreichischen Grünen, hatte im Frühjahr 2019 in Zusammenarbeit mit der Organisation Shifting Values aufgedeckt, dass der ukrainische Geflügelkonzern viele Tonnen an Geflügelfleisch unter Umgehung der im Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine festgelegten Quoten in die EU importierte. Kurz vor Ostern 2019 war Waitz dann auch auf Fact Finding Mission in der Ukraine und konnte sich ein Bild davon machen, dass die Massenproduktionsstätten von MHP katastrophale ökologische und soziale Auswirkungen nach sich ziehen.
Monopolisierte Geflügelindustrie
Der ukrainische Geflügelfleischsektor ist sehr stark konzentriert und hat eine nahezu monopolistische Marktstruktur, die von einem Großunternehmen beherrscht wird – eben der Agrarholding Mironivsky Hliboproduct (MHP). Nach Konzernangaben verfügt MHP über sechzehn Produktionsstätten in der Ukraine und hat weitere Produktionsanlagen in den Niederlanden, Slowenien und der Slowakei. Die größte Geflügelfarm des Konzerns liegt im Oblast Winnyzja. Sie ist eine der größten industriellen Anlagen zur Geflügelproduktion in Europa. 2020 wurden dort nach Angaben von MHP 23 Millionen Stück Geflügel gehalten. Der MHP-Konzern hat in der Ukraine einen Marktanteil von über 60 Prozent und ist für etwa 90 Prozent aller Geflügelfleischexporte des Landes verantwortlich.
Nach den europaweiten Anklagen gegen MHP wuchs auch innerhalb der EBRD der Widerstand. (Anm.: Die EBRD hat über 60 Anteilseigner und operiert mit öffentlichen Geldern dieser Staaten. Die Mitgliedstaaten der EU halten zusammen fast zwei Drittel der Anteile und damit der Stimmrechte. Die EBRD ist nicht die Entwicklungsbank der EU – dies ist die EIB.) Die Abstimmung über die Kapitalvergabe im Direktorium der EBRD wurde sechsmal verschoben, bevor sie 2019 endgültig gestrichen wurde.
Seit Kriegsausbruch 890 Millionen Dollar von Weltbank und EBRD
Nach dem Beginn des Krieges zwischen Russland und der Ukraine im Jahr 2022 ging aber die Förderung der ukrainischen Agrarriesen erst so richtig los. Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) hat fast eine Milliarde US-Dollar in Geflügelfarmen und andere große ukrainische Lebensmittelverarbeitungsbetriebe investiert und damit billige Exporte gefördert, die Landwirte in der gesamten EU verärgert haben. Seit 2022 hat die EBRD Kredite in Höhe von 890 Millionen US-Dollar an ukrainische Eier‑, Geflügel- und Zuckerproduzenten vergeben. Seitens der Grünen sind keine Proteste mehr zu vernehmen, denn jetzt ist man ja Kriegspartei an der Seite der Ukraine und kann sich um ein paar Milliarden Hühner, Gänse und anderes Geflügel sowie deren grausamen Alltag nicht kümmern.
Die derzeit wieder stattfindenden Grenzblockaden der polnischen Bauern richten sich auch gegen die Förderung der ukrainischen Mega-Geflügelindustrie und die Importerleichterungen durch die EU. Proteste gegen die Einfuhr ukrainischen Geflügels gab es auch bereits in der Slowakei und Ungarn.
Quellen: InoSMI/ZDF/OTS/bpb/SHIFTING VALUES