Vor dem Zentralen Militärgericht der Region Jekaterinburg ist ein Prozess zu Ende gegangen, der weit über das Schicksal von fünf Kommunisten aus der russischen Stadt Ufa hinausweist. Fünf Mitglieder eines marxistischen Studienzirkels wurden wegen angeblicher „terroristischer Aktivitäten“ zu Haftstrafen zwischen 16 und 22 Jahren verurteilt. Ihr eigentliches „Verbrechen“: das gemeinsame Studium der Werke von Marx, Engels, Lenin und Stalin – und die Schlussfolgerung, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse in Russland revolutionär überwunden werden müssen.
Bereits vor Beginn des Verfahrens waren die Angeklagten offiziell als „Terroristen“ und „Extremisten“ gebrandmarkt und in das entsprechende Register des Föderalen Überwachungsdienstes Rosfinmonitoring aufgenommen worden. Seit Februar 2022 befinden sie sich in Haft. Während des gesamten Prozesses wiesen sie die Vorwürfe zurück und berichteten von Folter und Misshandlungen durch die Sicherheitsorgane.
Marxismus als „Terrorismus“
Die marxistische Gruppe traf sich seit 2016 im Stalin-Museum in Ufa, um klassische Texte der revolutionären Arbeiterbewegung zu studieren. Laut Anklagebehörde seien die Mitglieder durch diese Studien zu der Überzeugung gelangt, dass in Russland eine Revolution notwendig sei – eine Feststellung, die in einem demokratischen Verständnis politischer Meinungsfreiheit banal wäre, im heutigen Russland jedoch kriminalisiert wird.
Bei der Festnahme eines Gruppenmitglieds, das zuvor als Freiwilliger im Donbass gekämpft hatte, erklärten die Sicherheitsbehörden, sie hätten Waffen gefunden. Der Betroffene wies diese Darstellung zurück und erklärte, die Gegenstände seien ihm untergeschoben worden. Unabhängig von der Beweislage wurde anschließend ein sogenanntes „Expertenkomitee“ eingesetzt, um die übrigen Gruppenmitglieder mit dem Terrorismusvorwurf in Verbindung zu bringen.
Die Grundlage dieser „Expertise“ bildeten Videos von Vorträgen sowie die verwendete marxistische Literatur. Das Ergebnis ist ein politischer Skandal: Lenins grundlegendes Werk „Staat und Revolution“ wurde von den staatlichen Gutachtern als „terroristisches Handbuch“ eingestuft. Damit wurde nicht nur eine Studiengruppe kriminalisiert, sondern ein zentrales theoretisches Fundament der internationalen kommunistischen Bewegung zum Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung gemacht.
Politische Vergeltung und Dekommunisierung
In ihren Schlussworten machten die Angeklagten deutlich, dass es sich bei dem Verfahren um politische Repression handelt.
Wie auch die griechische kommunistische Zeitung Rizospastis und die Plattform In Defense of Communism berichten, ist dieses Urteil kein Einzelfall, sondern Ausdruck eines systematischen antikommunistischen und antidemokratischen Kurses im heutigen Russland. Unter dem Deckmantel der „Terrorismusbekämpfung“ wird marxistische Theorie kriminalisiert, organisierte kommunistische Tätigkeit zerschlagen und jede revolutionäre Perspektive im Keim erstickt.
Dass ausgerechnet ein Militärgericht darüber urteilt, ob das Studium von Lenin „terroristisch“ sei, zeigt den autoritären Charakter des gegenwärtigen Regimes. Der russische Staat beruft sich rhetorisch auf die Geschichte des antifaschistischen Sieges, betreibt jedoch faktisch eine Politik der Entkommunisierung und politischen Verfolgung – ganz im Interesse der herrschenden kapitalistischen Klasse.
Die Verurteilung der fünf Kommunisten aus Ufa ist ein Warnsignal: Antikommunismus bleibt eine zentrale ideologische Waffe der Bourgeoisie – auch und gerade dort, wo sie sich in nationalem oder „antifaschistischem“ Gewand präsentiert.
Quelle: Rizospastis/RikpunKt




















































































