Zum Jahrestag des Beginns der Februarkämpfe von 1934 bringen wir einen Auszug aus einem Text von Tibor Zenker, Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs (PdA), der zum 75. Jubiläum im Jahr 2009 erstmals erschien und immer noch eine treffende Einordnung liefert.
Am 12. Februar 1934 kam es in Österreich zu bewaffneten Widerstandskämpfen revolutionärer Teile des Republikanischen Schutzbundes und der Arbeiterbewegung gegen das autoritäre Regime unter Engelbert Dollfuß. Es war dies der Versuch, dem Faschisierungsprozess Einhalt zu gebieten, der sich seit März 1933 in aller Deutlichkeit manifestiert, aber schon zuvor abgezeichnet hatte.
Die Orientierung entscheidender Teile des österreichischen Großkapitals und Großgrundbesitzes auf die Errichtung einer faschistischen Diktatur nach italienischem Vorbild hatte historische Grundlagen. Im Herbst 1918 war die bürgerlich-parlamentarische Republik der Großbourgeoisie bloß aufgezwungen. Sie konnte sich damals glücklich schätzen, dass sie das gegenrevolutionäre und reformistische Vorgehen der Führung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) vor der sozialistischen Revolution, die die Arbeiterschaft forderte, gerettet hatte. Der Drang zur autoritären Alleinherrschaft, zur Reaktion und Gewalt, der im imperialistischen Stadium des Kapitalismus das Großkapital grundsätzlich auszeichnet, blieb jedoch bestehen. Dieser Drang brachte mit dem Eintritt des Kapitalismus ins Stadium seiner allgemeinen Krise den Faschismus als Krisenstrategie hervor, in Bewegungsform und als Herrschaftsform. Indem die Sozialdemokratie es den bürgerlichen Parteien und ihren paramilitärischen Vorfeldorganisationen ermöglichte, aus der Defensive wieder in die Offensive sowie an die Regierung zu gelangen, konnte diese Strategie schlagend werden.
Die Etablierung der Heimwehrbewegung als offen faschistische Bewegung korrelierte mit einer als gegenreformistisch begonnenen, in den schleichenden Faschisierungsprozess übergehenden Politik der christlichsozialen Regierungen im Laufe der 1920er Jahre. Mit diesem Instrumentarium – faschistischen Terrorgruppierungen einerseits, dem von der Sozialdemokratie unangetasteten und fälschlich als klassenneutral eingeschätzten Gewaltapparates des bürgerlichen Staates andererseits – ging das Großkapital zum Angriff über. Unterstützt wurde dieser Prozess im Inneren durch die katholische Kirche, von außen durch die faschistischen Regierungen in Italien und Ungarn.
Das Ziel des genuinen österreichischen Faschismus, des Austrofaschismus in Heimwehrbewegung und Teilen der Christlichsozialen Partei (CSP), bestand in der Vernichtung der Arbeiterbewegung, der Ausschaltung der Demokratie und der Errichtung einer faschistischen Diktatur. Wie ernst es den reaktionärsten Kräften der österreichischen Bourgeoisie damit war, zeigte spätestens die blutige Niederschlagung der Julirevolte 1927. In ideologisch-programmatischer Hinsicht nahm sich die Heimwehrbewegung 1930 mit ihrem „Korneuburger Eid“ bereits kein Blatt mehr vor den Mund. Und so nützte der christlichsoziale Bundeskanzler Dollfuß im März 1933 ein Geschäftsordnungsproblem im Nationalrat dazu, um das Parlament auszuschalten und zu einer Regierungsgesetzgebung überzugehen. Zunächst wurden einige grundlegende politische Rechte eingeschränkt, Schutzbund und KPÖ wurden verboten. In seiner programmatischen Rede am Wiener Trabrennplatz im September 1933 formulierte Dollfuß sodann das Ziel der Errichtung eines „sozialen, christlichen, deutschen Staates Österreich auf ständischer Grundlage und starker autoritärer Führung“. Die neu gegründete „Vaterländische Front“ sollte zur faschistischen Einheitspartei aufgebaut werden.
Während in den bewussten und revolutionären Teilen der österreichischen Arbeiterbewegung, unter Kommunisten, Sozialisten und Sozialdemokraten, aktiver Widerstand gegen den Faschismus gefordert wurde, wiegelte die SDAP-Führung weiter ab. Sie setzte bis zuletzt auf eine Verhandlungslösung mit denen, die längst die Errichtung der faschistischen Diktatur nicht nur beschlossen hatten, sondern sogar schon an der Umsetzung arbeiteten. Diese Kapitulationspolitik der sozialdemokratischen Führung kam nicht von irgendwo, sie war die logische und innerlich folgerichtige Fortführung der gegenrevolutionären Politik am Ende des Ersten Weltkrieges, der reformistischen Politik in den ersten Nachkriegsjahren und des ständigen Zurückweichens in den darauffolgenden Jahren. Alle scheinradikale Phraseologie, derer sich die führenden Ideologen des sozialdemokratischen „Austromarxismus“ bedienten, war lediglich Ablenkung und Irreführung der Arbeiterklasse. In Wirklichkeit begünstigte die „Strategie“ der SDAP, wie sie auch im „Linzer Programm“ 1926 festgelegt wurde, den aufkommenden Faschismus. Der Weg des „Austromarxismus“ konnte nicht nur niemals zum Sozialismus führen, wie führende „austromarxistische“ Theoretiker predigten, sondern mündete in aller Folgerichtigkeit in der Niederlage der Arbeiterbewegung und der Errichtung der faschistischen Diktatur.
So musste der antifaschistische Widerstand von unten organisiert werden. Als die Kämpfe am 12. Februar zunächst in Linz begonnen wurden, geschah dies mit ausdrücklicher Missbilligung der SDAP-Führung. Es waren vor allem einfache Mitglieder des Schutzbundes, der SDAP und ihrer Vorfeldorganisationen, die zum bewaffneten Widerstand bereit waren. Während die SDAP-Führung die Februarkämpfer im Stich ließ und mancherorts sozialdemokratische Funktionäre sogar offenen Verrat betrieben, stellten sich die österreichischen Kommunisten bedingungslos hinter den Aufstandsversuch und schlossen sich ihm an. Eine entscheidende Wende konnten sie den Kämpfen freilich nicht geben, zu schwach waren die Kräfte der KPÖ damals entwickelt. Die Niederlage der kämpfenden Arbeiter im Februaraufstand war so gut wie unausweichlich, dafür hatten die sozialdemokratische Politik der vorherigen Jahre sowie die falsche Struktur, Strategie und die mangelnde bis fehlende Bewaffnung des Schutzbundes gesorgt. Als Ergebnis der Niederlage wurden nun auch alle sozialdemokratischen Organisationen verboten, mit 1. Mai 1934 wurde formell der österreichische „Ständestaat“, die offene austrofaschistische Diktatur geschaffen.
Im antifaschistischen Widerstand wurden in den folgenden Jahren vor allem die österreichischen Kommunisten aktiv. Durch das offensichtliche Versagen der SDAP-Führung schlossen sich in diesen Jahren auch viele ehemalige Sozialdemokraten der KPÖ an, wodurch die kommunistische Bewegung Österreichs ausgerechnet unter den schwierigsten Bedingungen der Illegalität erstmals zu einer politischen Kraft mit Masseneinfluss wurde. Neben den Kommunisten bildete sich im antifaschistischen Widerstand die Gruppierung der „Revolutionären Sozialisten“, die sich zunächst in Abgrenzung zur alten Sozialdemokratie sahen, 1945 aber wieder in ihr aufgingen.
Doch dem austrofaschistischen Regime wurde nicht durch den antifaschistischen Widerstand der Kommunisten und Sozialisten sein Ende bereitet, sondern durch einen Konkurrenzfaschismus, durch den Nationalsozialismus. Einerseits war das deutsche NS-Regime aus politischen, wirtschaftlichen und militärstrategischen Gründen bestrebt, Österreich seinem Herrschaftsgebiet einzuverleiben, weshalb die österreichische Filiale der NSDAP entsprechend unterstützt und die austrofaschistische Regierung unter Druck gesetzt wurde. Andererseits gab es auch innerhalb der österreichischen Bourgeoisie eine wachsende pronationalsozialistische Fraktion, die ihre imperialistischen Interessen durch den deutsch-faschistischen Imperialismus besser vertreten sah als durch den außenpolitisch relativ schwachen austrofaschistischen Staat. Im März 1938 kam es folgerichtig zum Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Österreich und gleichzeitig zur vorläufigen Machtergreifung österreichischer Nationalsozialisten. Es folgten die Annexion des Landes durch Deutschland und sechs Jahre deutsch-faschistischer Fremdherrschaft durch das NS-Regime.
Es waren die vorangegangenen Jahre, die Hitler den Weg nach Österreich bereitet hatten. Durch die Zerschlagung der österreichischen Arbeiterbewegung durch den Austrofaschismus war einerseits die potenziell stärkste Kraft im Kampf gegen den Nationalsozialismus ausgeschaltet worden, ebenso wenig konnte seitens des Regimes nach vier Jahren austrofaschistischer Diktatur zur Verteidigung einer demokratischen Ordnung mobilisiert werden. Andererseits hatten sowohl die Austrofaschisten als auch die Sozialdemokratie durch ihre falsche deutschnationale Position in der nationalen Frage, wonach die Österreicher Deutsche und Österreich ein deutsches Land seien, ideologisch dafür gesorgt, dass die deutsche Annexion propagandistisch massiv erleichtert wurde. Lediglich die österreichischen Kommunisten lehnten damals und schon in den Jahren zuvor diese Sichtweise ab und bekannten sich zur eigenständigen österreichischen Nation, wobei sie durch die deutschen Kommunisten, die Kommunistische Internationale und die UdSSR unterstützt wurden. So waren es auch abermals vor allem die Kommunisten, die unter dem neuen faschistischen Regime den Widerstand fortsetzten, nicht nur als antifaschistischen Kampf, sondern auch als nationalen Freiheitskampf. Dass die österreichische Souveränität, staatliche Selbständigkeit und Demokratie nach dem Zweiten Weltkrieg wiederhergestellt werden konnten, war im internationalen Maßstab politisch wesentlich das Verdienst der UdSSR und militärisch jenes ihrer Roten Armee. Im innerösterreichischen Maßstab bleibt es hauptsächlich das Verdienst der Kommunisten, für den österreichischen Beitrag zum Kampf gegen den Nationalsozialismus und für die Freiheit Österreichs gesorgt zu haben.
Möchte man die Bedeutung der Februarkämpfe von 1934 erfassen, so sind Vorgeschichte und Folgen mit einzubeziehen.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Mär von der „geteilten Schuld“ abzulehnen ist. Es ist klar und deutlich die Schuld der reaktionären Kräfte im christlichsozialen Lager und in der Heimwehrbewegung, die Demokratie beseitigt und den Bürgerkrieg herbeigeführt zu haben. Sie haben 1934 eine faschistische Diktatur in Österreich errichtet. So markiert der Februar 1934 die äußerste Zuspitzung des Klassenkampfes, in Form bewaffneter Auseinandersetzungen. Der bewaffnete Widerstand von Teilen der Arbeiterklasse war richtig und notwendig und das einzige, was zu kritisieren ist, sind die Tatsachen, dass dieser Kampf zu spät, schlecht organisiert und strukturiert sowie strategisch falsch geführt wurde bzw. werden musste; denn dass die kämpfenden Arbeiter derartige Ausgangsbedingungen vorfanden, hat die Führung der SDAP zu verantworten. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die heutige SPÖ-Führung abermals einen klassenneutralisierten Standpunkt einnimmt, von einer allgemeinen menschlichen „Katastrophe“ spricht, für die Arbeiterklasse und Bourgeoisie gleichermaßen verantwortlich seien. Hier trifft sich die SPÖ-Führung mit der ÖVP, der Nachfolgepartei der CSP, in einer gemeinsamen sozialpartnerschaftlichen Geschichtsfälschung.
Möchte man den konkreten Grund für diese Herangehens- und Betrachtungsweise der SPÖ erfassen, so liegt er tatsächlich in der „sozialpartnerschaftlichen Klassenharmonie“. Die endgültige Preisgabe des Klassenkampfes, den man in der Ersten Republik zumindest noch in Worten erwähnte, und des Klassenstandpunktes seitens der SPÖ, nicht zuletzt in der Geschichtsbetrachtung, bildete die Grundlage der Zweiten Republik, in der sich SPÖ und ÖVP geschwisterlich die Macht teilen sollten und wollten. Die SPÖ erhielt auf diese Weise weitgehend gleichmäßig Zugang zur politischen Macht und zu Staatsfunktionen und wurde integraler Bestandteil des staatsmonopolistischen Systems in Österreich – die SPÖ-Führung war bereit, hierfür die Interessen der Arbeiterklasse regelrecht zu verkaufen; die ÖVP (und damit die Bourgeoisie) erhielt im Gegenzug eine von der SPÖ- und ÖGB-Führung gegängelte Arbeiterklasse, die sich mit dem Kapitalismus abfinden und keinen Gedanken mehr an Klassenkampf, Revolution und Sozialismus verschwenden sollte. Ideologisch bedeutete dies, dass die SPÖ-Führung das gesamte Arsenal der alten CSP und neuen ÖVP übernahm: Antimarxismus, Antisowjetismus und Antikommunismus, während der Antifaschismus kaum noch eine Rolle spielen sollte; die Illusion der „sozialen Marktwirtschaft“, die das Ziel des Sozialismus ersetzen sollte; die Sozialpartnerschaft, die den Klassenkampf, selbst auf niedrigstem Level, ersetzte. Dies ist der Inhalt des sozialdemokratisch-konservativen Konsenses, der die politische und ökonomische Herrschaftsgrundlage der Zweiten Republik und die Unantastbarkeit des Kapitalismus bedeuteten sollte. Und als in den 1980er Jahren auch in Österreich die „neoliberale“ Wende eingeläutet wurde, machte die SPÖ-Führung diese kapitalistische Offensive bereitwillig mit und setzte sie sogar selbst in Regierungsverantwortung um und gegen die Interessen der Arbeiterklasse durch.
Die Februarkämpfe von 1934 sind nicht klassenneutral, sondern natürlich vom proletarischen Klassenstandpunkt aus zu betrachten. Sie waren der mutige, aber auch bereits verzweifelte Versuch, die tatsächliche Katastrophe, den Faschismus, abzuwenden. So haben die Februarkämpfer die Ehre der österreichischen Arbeiterklasse, die von der SDAP-Führung preisgegeben wurde, gerettet, auch wenn die Kämpfe mit einer Niederlage endeten.
Für die Arbeiterbewegung rächte es sich 1934 und danach, dass 1918 nicht Schluss gemacht wurde mit dem bürgerlichen Staat und dem Kapitalismus. Es gelang der SDAP-Führung, mittels eines gewissen Verbalradikalismus eine scheinbare Einheit der Arbeiterklasse zu erhalten und deren revolutionäre Teile, so etwa in der KPÖ, weitgehend isoliert zu halten. Indem dies aber die Einheit mit dem Opportunismus und Revisionismus der SDAP-Führung bedeutete, bedeutete dies auch deren Vorherrschaft in der Arbeiterbewegung. Die Folgen der falschen opportunistischen Politik und revisionistischen Theorie und Strategie waren fatal. So besteht eine Lehre der Februarkämpfe – oder vielmehr der Jahre 1918–1934 – darin, dass die organisatorische Trennung der revolutionären marxistischen Teile der Arbeiterbewegung vom Opportunismus und Revisionismus höchst notwendig ist. Die Arbeiterklasse benötigt, in der Defensive wie in der Offensive, eine kampffähige Klassenpartei, die auf dem Boden des revolutionären Marxismus steht. Dies wird durch die Entwicklung der SPÖ seit 1945 nochmals bestätigt, die nach dem Zweiten Weltkrieg jede sozialistische Perspektive aufgegeben hat.
Heute ist die SPÖ zu einer Partei verkommen, die hauptsächlich die Interessen des österreichischen und europäischen Monopolkapitals vertritt. Aber auch der ab Mitte der 1950er Jahre gegebene Einfluss des Revisionismus in der kommunistischen Weltbewegung, der maßgeblich zum Ende der UdSSR und der sozialistischen Staaten in Europa beitrug, unterstreicht diese Notwendigkeit. In Österreich braucht es eine marxistisch-leninistische Partei, die auch die heutige KPÖ, die über eine ehrenvolle Geschichte verfügt, längst nicht mehr darstellt. Nur eine solche Partei wird erfolgreich dafür arbeiten, wirken und kämpfen können, den Kapitalismus mitsamt seinen imperialistischen und faschistischen Ausprägungen zu überwinden und den Sozialismus aufzubauen.
Quelle: Tibor Zenker, Faschismus/Antifaschismus, Wien 2011; gekürzt und ggf. redigiert