Das Bundesland Bayern sammelt seit Jänner massenhaft Daten von Fußballfans, sogar ohne vorhergehende Individualprognose. Fananwälte und Fanclubs üben Kritik.
München. Seit einigen Wochen rollt der Ball wieder in den Fußballstadien Europas. Die Anhänger der jeweiligen Mannschaften sind jedoch in manchen Ländern – anders als bei uns in Österreich – aufgrund der Corona-Pandemie noch nicht (vollständig) in die Fanblöcke zurückgekehrt. So auch in Bayern, wo es je nach Höhe der Inzidenzzahl vorgeschrieben ist, wie viele Menschen das Spiel live im Stadion sehen können. Das ist nach mittlerweile eineinhalb Jahren vor allem für die in Fanclubs organisierten Anhänger sehr bedrückend, da sie in normalen Zeiten oft nicht nur bei Heimspielen ihre Lieblingsmannschaft anfeuerten, sondern ihren Herzensverein auch auswärts vorwärtspeitschten.
Generalverdacht gegen Fußballfans?
Viel bedrückender dürfte allerdings die Meldung sein, dass die bayrischen Behörden noch sehr viel umfassender Daten von Fußballfans sammeln, als dies bisher bekannt war. Bisher kannte man in Deutschland neben der bundesweit geführten Datei „Gewalttäter links“ und „Gewalttäter rechts“ für politische Aktivistinnen und Aktivisten nur die sogenannte Datei „Gewalttäter Sport“, in welche Daten von hauptsächlich Fußballfans eingepflegt werden, gegen die ein Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit einer Sportveranstaltung eingeleitet wurde oder die hierfür rechtskräftig verurteilt wurden.
Nun reichte das der in Bayern seit 1945 herrschenden CSU offenbar nicht mehr und so ließ man die Behörden eine eigene, noch weiterreichende Datei ins Leben rufen, die sogenannte „EASy Gewalt und Sport“-Datei. Und das, obwohl die Delikte in diesem Zusammenhang seit Jahren rückläufig sind. In dieser „EASy GS“-Datei werden nun seit dem 24. Jänner 2020, also kurz vor den ersten Lockdowns, Personendaten gesammelt, die nicht einmal in Verdacht stehen, eine Ordnungswidrigkeit oder Straftat zu begehen. „Die Entscheidung zur Speicherung einer Person […] erfolgt nicht auf Basis eines einzelnen relevanten Sachverhalts, sondern auf Grundlage einer sogenannten Individualprognose.“ So lautet die Antwort des bayrischen Innenministeriums auf die Anfrage der Landtagsabgeordneten Katharina Schulze und Max Deisenhofer (beide Grüne).
Im Konkreten heißt das für Stadionbesucher, dass sie im Stehplatzsektor lediglich neben den von der Polizei als gewaltbereit eingeschätzten Fanclubmitglieder stehen, bei einem Tor mit dem Nachbarn abklatschen oder in der Pause über die Fehlentscheidung des Video-Assistent-Referees plaudern müssen, um in dieser Datenbank zu landen. Und es sind in dieser kurzen Zeit, in der zusätzlich die meiste Zeit die Stadien leer waren, ausgesprochen viele Personen erfasst worden: 1.644 Personen (Stand 15. Juni 2021) und damit mehr als dreimal so viele wie in der Datei „Gewalttäter Sport“, die in Bayern wohnhaft sind.
Kritk durch Fanclubs und Fananwälte
Fans des 1. FC Nürnberg (556 Personen), von 1860 München (407) und des FC Bayern München (248) waren übrigens am häufigsten gelistet. Fananwälte und Datenschützer kritisieren in diesem Zusammenhang, dass es den bayrischen Behörden nicht nur um die Fans geht, die vermeintlich oder tatsächlich etwas Verbotenes im Zusammenhang mit dem Besuch eines Fußballspiels getan haben, sondern auch um deren Umfeld und mit ihnen Sympathisierende. Zudem wird Kritik laut, dass bisher niemand, der in der Datei „EASy Gewalt und Sport“ gelistet wurde, über diese Einträge informiert wurde. Im politischen Zusammenhang würde man hier von der Anlegung von schwarzen Listen sprechen. Und dass diese nicht zu Selbstzwecken angelegt werden, sollte man auch im Hinterkopf behalten.