Der angebliche Mangel an Arbeitskräften entpuppt sich auch in Übersee als Mangel an menschenwürdiger Bezahlung.
Pittsburgh. Von Jänner bis März suchte „Klavon’s Ice Cream Parlor“ im US-Bundesstaates Pennsylvania vergeblich nach neuen Beschäftigten. Die leider durchaus branchentypischen, versprochenen 7,25 Dollar Stundenlohn lockten keine einzige Bewerbung an. Doch dann entschloss sich der Besitzer des Eissalons, Jacob Hanchar, den Stundenlohn auf 15 Dollar anzuheben. Und siehe da: Über 1.000 Bewerberinnen und Bewerber meldeten sich binnen einer Woche.
Eine Erfahrung, die laut einem Bericht der nicht gerade linken „Washington Post“ derzeit viele Unternehmen in den USA machen. Überall im Land suchen Betriebe „händeringend“ (das hört man auch in Österreich immer öfter) nach Ersatz für genau jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sie vor etwas mehr als einem Jahr mitten in der Pandemie vor die Tür gesetzt hatten.
So sei der Boss einer Restaurantkette überrascht gewesen, dass seine „eigenen“ Köche Geld leihen mussten, um sich Lebensmittel kaufen zu können. Auch hier führte die Erhöhung eines 15-Dollar-Stundenlohns zu zahlreichen Bewerbungen, die vorher ausgeblieben waren.
Unternehmerpropaganda wirkt nicht mehr
15 Dollar Stundenlohn – eine Forderung, die bereits seit Jahren von der US-Gewerkschaftsbewegung aufgestellt und auf regionaler Ebene und in einzelnen Branchen bereits erkämpft wurde. Nun zeigt sich, dass die reflexartige Ablehnung einer menschenwürdigen, existenzsichernden Bezahlung vielen Ausbeutern jetzt, wo in kurzer Zeit viele Arbeitskräfte gesucht werden, auf den Kopf fällt. Die Unternehmerpropaganda, wonach ein paar Dollar mehr pro Stunde wirtschaftliches Chaos auslösen würden, sitzt so tief in den Köpfen, dass jetzt viele Kleinunternehmer ebenso wie berichtende Medien ehrlich überrascht sind, dass höhere Löhne gerade jetzt helfen.
Quelle: Washington Post