Während die Welt von einer Welle imperialistischer Kriege und Spannungen erfasst wird – vom Nahen Osten über Osteuropa bis Ostasien – ist nun erneut die Grenze zwischen Pakistan und Afghanistan zum Schauplatz blutiger Auseinandersetzungen geworden. In der Nacht zum Sonntag lieferten sich die Armeen beider Staaten heftige Gefechte entlang mehrerer Grenzabschnitte. Laut pakistanischer Armee kamen über 200 afghanische Soldaten ums Leben, während die Taliban-Regierung in Kabul von 58 getöteten pakistanischen Soldaten spricht. Hunderte wurden auf beiden Seiten verletzt.
Auslöser der Kämpfe waren Explosionen in Kabul und Paktika, für die die Taliban Pakistan verantwortlich machen. In der Folge überfielen afghanische Einheiten mehrere pakistanische Grenzposten in den Provinzen Kunar und Helmand, während Islamabad seinerseits behauptet, 19 afghanische Stellungen eingenommen und militärische Basen zerstört zu haben. Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig der Luftangriffe und des Beschusses ziviler Gebiete.
Der koloniale Schatten über der Grenze
Die sogenannte Durand-Linie, die die beiden Länder trennt, wurde Ende des 19. Jahrhunderts von der britischen Kolonialmacht gezogen – ohne Rücksicht auf die sozialen, ethnischen und wirtschaftlichen Realitäten der Region. Sie bleibt bis heute ein Instrument kolonialer Zersplitterung, das von den herrschenden Klassen beider Staaten genutzt wird, um nationalistische Spannungen zu schüren und von den eigenen inneren Krisen abzulenken.
Pakistan leidet seit Jahren unter der Offensive der Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP), einer Bewegung, die sich aus früheren Verbündeten der afghanischen Taliban speist. Islamabad wirft Kabul vor, der TTP Schutz zu gewähren – eine Anklage, die die Taliban bestreiten. Die jüngste Eskalation zeigt, wie imperialistische Einflüsse und lokale Klassengegensätze sich in einem gefährlichen Knoten verbinden.
Regionale Machtspiele im Schatten des globalen Konflikts
Hinter der Oberfläche des Konflikts stehen größere geostrategische Spannungen. Die USA, China, Russland und Indien versuchen, ihren Einfluss in Zentralasien zu sichern – sei es über diplomatische Kontakte, Rohstoffabkommen oder militärische Präsenz. Der frühere US-Präsident Donald Trump kündigte jüngst offen an, man wolle den einstigen Luftwaffenstützpunkt Bagram in Afghanistan „zurückerobern“, wegen seiner strategischen Nähe zu China. Russland reagierte prompt: Über den sogenannten „Moskauer Plan“ verurteilte es jegliche westliche Militärpräsenz in der Region.
Gleichzeitig baut Indien seine Beziehungen zu den Taliban aus – ein bemerkenswerter Schritt, der die Rivalität mit Pakistan weiter verschärft. Der Besuch des Taliban-Außenministers Amir Khan Mutaki in Neu-Delhi und die geplante Wiedereröffnung der indischen Botschaft in Kabul zeigen, dass die Taliban bereit sind, mit unterschiedlichen imperialistischen Zentren zu kooperieren, um ihre eigene Herrschaft zu festigen.
Auch Saudi-Arabien und Katar, zwei Schlüsselmachtzentren des Golfkapitals, mischen sich rhetorisch ein und rufen zur „Zurückhaltung“ auf – während sie zugleich ihre eigenen militärischen und ökonomischen Interessen in der Region sichern. Saudi-Arabien hat erst im vergangenen Monat ein gegenseitiges Verteidigungsabkommen mit Pakistan unterzeichnet.
Imperialismus, Eliten und die Opfer des Krieges
Die wiederholten Grenzgefechte verdeutlichen, dass keine der beteiligten nationalen Fraktionen im Interesse der Völker handelt. Sowohl die pakistanische Militärbürokratie als auch die afghanischen Taliban repräsentieren Klassenkräfte, die ihre Macht auf Unterdrückung, religiösen Obskurantismus und den Schutz des Kapitals gründen. Sie dienen, offen oder indirekt, den Interessen der imperialistischen Blöcke, deren Konkurrenz um Märkte, Rohstoffe und strategische Korridore die Region seit Jahrzehnten destabilisiert.
Für die Arbeiterinnen und Arbeiter sowie Bäuerinnen und Bauern in beiden Ländern bedeutet diese Politik nur Leid: Vertreibung, Armut, Zerstörung. Jede Granate, die entlang der Grenze fällt, ist ein Ausdruck derselben imperialistischen Ordnung, die in Gaza, der Ukraine oder Taiwan das Blut der Völker vergießt. Der aktuelle Konflikt zwischen Pakistan und Afghanistan ist kein isolierter Grenzstreit, sondern Teil der weltweiten Zuspitzung innerimperialistischer Widersprüche.