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Internationale Würdigung des 75. Jahrestages der Befreiung

80 Kommunistische und Arbeiterparteien würdigten in ihrer gemeinsamen Erklärung zur Befreiung „Im Namen von Freiheit, Frieden und Wahrheit – gegen Faschismus und Krieg“ den Beitrag der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, der Kommunistinnen und Kommunisten sowie der Antifaschistinnen und Antifaschisten. Sie wenden sich gegen den Geschichtsrevisionismus, der diesen in der ganzen Welt vergessen machen will.

„Vom Kapitalismus hervorgebracht, war der Nazi-Faschismus der gewaltsamste und terroristischste Ausdruck des Monopolkapitals. Er war für den Ausbruch dieses Angriffs- und Raubkrieges verantwortlich, der fast 75 Millionen Tote, darunter fast 27 Millionen Sowjetbürger, unzählige Leiden und den Schrecken der nationalsozialistischen Konzentrationslager zur Folge hatte. Ebenso wenig können die Völker schwarze Tage wie die Atombombenangriffe der USA auf Hiroshima und Nagasaki ohne jede militärische Rechtfertigung vergessen, die eine Demonstration ihrer Macht und ihrer hegemonialen Ziele auf globaler Ebene darstellten.“ Aus den historischen und aktuellen Erfahrungen leiten die Kommunistischen und Arbeiterparteien ihre Forderungen ab. Die gesamte Stellungnahme wurde durch die Partei der Arbeit Österreichs (PdA) auf ihrer Homepage veröffentlicht.

AUA: Millionenhilfen für den Konzern, Kündigungswelle für die Beschäftigten?

Wien. Die AUA und andere Tochterfirmen des deutschen Flugkonzerns Lufthansa betteln nach wie vor um staatliche Hilfen in Millionenhöhe, kolportiert wurde von bürgerlichen Medien, dass sie bis zu 800 Millionen verlangen, um liquide zu bleiben. Dass diese Hilfen aber letzten Endes nur das Ziel haben, dass eben die Kapitalinteressen bedient werden und es mit keinerlei Verpflichtungen gegenüber den Beschäftigten oder der Bevölkerung einhergeht, hat Lufthansa-Chef Carsten Spohr unterstrichen. Dieser meinte, man brauche jetzt staatliche Hilfen, aber keine staatliche Geschäftsführung.

Jobkürzungen geplant

Die deutsche, schweizer und österreichische Regierung verhandeln zur Zeit nach wie vor der Lufthansa bzw. deren Tochterfirmen über genaue Konditionen. Ein genauer Business-Plan für die AUA muss bis zum 18.Mai aufliegen und wird dann von Wirtschaftsprüfern durcgesehen. Klar ist, dass die AUA 1.100 von insgesamt 7000 Beschäftigten kündigen und die Gehälter um bis zu 13 Prozent kürzen möchte. Außerdem soll so lange auf Kurzarbeit gesetzt werden, wie es möglich ist. Die ÖVP-Grünen-Regierung möchte indess auf „Ökologisierung“ des Flugbetriebes und ein paar Garantien für die Beschäftigten setzen, zumidnest verlautbaren sie das via Medien. Fraglich ist aber, ob wie sehr man diesen Worten glauben schenken darf, wenn man sich nämlich anschaut, wie vergangene österreichische Regierungen ähnliche Worte haben anklingen lassen, nur um dann mit Steuergeldern für Verluste aufzukommen, für die letztlich die Beschäftigten und die Bevölkerung zahlen mussten.

Quelle: ORF

„Volkskrieg gegen die deutschen Okkupanten!“

Die österreichischen Freiheitsbataillone in der jugoslawischen Partisanenarmee

Die Aufstellung und die Kämpfe österreichischer Freiwilligenverbände im Rahmen der antifaschistischen Volksbefreiungsarmee und Partisanenverbände Jugoslawiens (Narodnooslobodilačka vojska i partizanski odredi Jugoslavije, NOV i POJ) wurden und werden in der Geschichtsforschung wie in der öffentlichen Wahrnehmung wenig beachtet. Zwar blieb deren unmittelbare militärische Bedeutung regional begrenzt, doch in politischer Hinsicht implizieren sie eine erhebliche Relevanz, die mehr Resonanz verdient.

Vorbereitung und Gründung

Vor ziemlich genau 76 Jahren befand sich eine Militärdelegation der jugoslawischen Volksbefreiungsarmee in Moskau, um sich im Auftrag Titos mit dem Leitungsstab der Roten Armee sowie politischen Gremien der UdSSR zu beraten und zu koordinieren. Die im sowjetischen Exil befindliche Führung der KPÖ – Vorsitzender Johann Koplenig, Parteisekretär Friedl Fürnberg sowie Franz Honner – nützte die Gelegenheit, um mit den jugoslawischen Abgesandten über die Aufstellung eines österreichischen Freiwilligenbataillons innerhalb der NOV i POJ zu sprechen, das zunächst in Slowenien, möglichst nahe zur österreichischen Grenze, zum Einsatz kommen sollte. Der KPÖ-Vorschlag wurde begrüßt und auch von der Sowjetunion unterstützt.

Von der Roten Armee ausgerüstet und in ein Flugzeug gesetzt, sprangen Honner und zwei weitere Genossen im August 1944 über dem slowenischen Partisanengebiet mit dem Fallschirm ab, um vor Ort die Formierung der österreichischen Kampfeinheit vorzubereiten. Anfang Oktober 1944 folgten 20 weitere Freiwillige, wiederum per Flugzeug und Fallschirm, die schon zuvor in der UdSSR ausgebildet und nun von Honner – einem erfahrenen Spanienkämpfer – instruiert wurden. Die Waffen stellte die Sowjetunion, die Uniformen entsprachen jenen der jugoslawischen Volksarmee – ergänzt durch ein rot-weiß-rotes Wappenschild am linken Oberarm.

Am 24. November 1944 war es schließlich so weit: Das 1. Österreichische Freiheitsbataillon wurde formell gegründet und seine ersten Kämpfer wurden im Rahmen einer kurzen Zeremonie im slowenischen Dorf Tribuce angelobt. Die österreichischen Freiwilligen bekannten sich zum bewaffneten Kampf für die Befreiung Österreichs sowie zum gemeinsamen Kampf mit den slowenischen Kameraden gegen den deutschen Faschismus und seine Verbündeten. Das Bataillon verfügte durchaus über Schlagkraft und militärische Erfahrung: Zu ehemaligen Schutzbund-Mitgliedern, die im Februar 1934 in Österreich, und einigen Männern, die ab 1936 im Spanischen Bürgerkrieg bei den Internationalen Brigaden gekämpft hatten, stießen desertierte oder gefangengenommene Wehrmachtsangehörige, die sich nun gegen Faschismus und Fremdherrschaft stellen wollten. Auch Widerstandskämpfer und Partisanen aus Österreich, die sich durch die feindlichen Linien schlagen konnten, kamen hinzu. Anzumerken ist: Keineswegs handelte es sich durchwegs um Kommunisten, obgleich die Schaffung des Freiheitsbataillons natürlich eine Initiative der KPÖ war.

Als erster Kommandant des 1. Österreichischen Freiheitsbataillons – das Oberkommando lag freilich bei den jugoslawischen Ebenen – fungierte Max Baier, ein Bauer aus Tirol, der ebenfalls schon in Spanien gekämpft hatte. Er wurde jedoch bald bei einem Attentat durch einen Spion der SS schwer verwundet. Parallel zur Aufstellung des Bataillons kam es, ebenso in Slowenien, zur Etablierung der Österreichischen Freiheitsfront, deren Leitung v.a. propagandistische und agitatorische, d.h. auch mobilisierende Aufgaben zukamen: Dieser Leitung gehörten Kommunisten, Sozialisten und Katholiken an, u.a. Honner und Fürnberg, aber auch Erwin Scharf, später, in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre, als Zentralsekretär aus der SPÖ hinausgesäubert und in Folge NR-Abgeordneter der KPÖ bzw. Volksopposition. Der Aufruf der Freiheitsfront lautete: „Für Frieden! Für Freiheit! Für Österreich! Volkskrieg gegen die deutschen Okkupanten!“ Schlussendlich folgten immerhin so viele Freiwillige diesem Aufruf (und anderen), dass bis zum Kriegsende im Mai 1945 drei weitere Österreichische Freiheitsbataillone aufgestellt werden konnten, die jedoch nicht mehr zu regulären Kampfeinsätzen kamen.

Kämpfe und Einsätze

Das Zentrum des befreiten slowenischen Gebietes – und damit der erste Standort des 1. Österreichischen Freiheitsbataillons – lag in der Stadt Črnomelj, ganz im Süden Sloweniens. Anfang Jänner 1945 wurden die Österreicher in die Gegend von Jama verlegt, wo sie die Aufgabe hatten, den Flussübergang über die Krka/Krainer Gurk zu verteidigen. Diese Mission wurde mit 16. Jänner trotz überlegender Feuerkraft der deutschen Einheiten ohne eigene Verluste erfüllt.

Am 21. Jänner bezog das Österreichische Freiheitsbataillon in Ort Podturn Stellung und verteidigte es gegen einen Angriff mit Artillerie und Minenwerfern. Hierbei waren die ersten drei Gefallenen zu beklagen: Ihre Namen – Alfred Kinkela, Anton Jogl und Karl Kirkenweiz – sind am Partisanendenkmal in Žuženberk eingraviert. Nach dem ersten Angriff konnte Podturn ohne weitere Verluste gehalten werden.

Nach weiteren heftigen Gefechten im Februar und März – darunter die Kämpfe bei Stranska Vas – schlug das 1. Österreichische Freiheitsbataillon seine letzte Schlacht am 12. April bei Kočevje: Die Stellung konnte so lange gegen einen nächtlichen Überfall der Waffen-SS gehalten werden, bis ein jugoslawisches Bataillon zu Hilfe kam und die Faschisten gemeinsam zurückgeschlagen wurden. Die Liste der Gefallenen verlängerte sich jedoch im Frühjahr 1945: Leo Eder, Bruno Petru, Johann Winkler, Willi Högl, Willi Frank und Politkommissar Roman Füchsel konnten nicht mehr dabei sein, als die österreichischen Freiwilligen Schulter an Schulter mit den siegreichen jugoslawischen Partisanen am 9. Mai 1945 in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana einmarschierten.

Zu diesem Zeitpunkt war die erste Delegation der Österreichischen Freiheitsfront bereits in Wien, das schon am 13. April durch die Rote Armee der Sowjetunion befreit worden war: Auf beschwerlichem Wege – der Krieg war ja keineswegs vorbei –, reisten Honner, Fürnberg und Scharf von Slowenien über Belgrad und Ungarn in die österreichische Hauptstadt, wo sie am 21. April ankamen. Am 12. Mai marschierte das 2. Österreichische Freiheitsbataillon über die Wiener Ringstraße, am 7. Juni 1945 waren auch alle Angehörigen des 1. Bataillons in Wien. Manche rüsteten nun ab, viele verblieben jedoch auf Wunsch des Innenministers der Provisorischen Regierung – es war der Freiheitsbataillon-Begründer Franz Honner – für Aufgaben des Sicherheitsdienstes bereit, einige wurden später in die Polizei übernommen.

Bedeutung und Einordnung

Wie eingangs erwähnt blieb die militärische Bedeutung der Österreichischen Freiheitsbataillone limitiert – das Einsatzgebiet des 1. Bataillons war im Wesentlichen auf Slowenien beschränkt, wo allerdings mutige und wichtige Aktionen gesetzt wurden. Die Bataillone 2, 3 und 4 mussten überhaupt nicht mehr in das unmittelbare Kriegsgeschehen eingreifen. Doch das ist auch gut so, denn es bedeutet schlicht und ergreifend, dass der deutsche Faschismus bereits geschlagen war, als sie aufgestellt und kampfbereit waren, wodurch zweifellos weitere Opfer erspart blieben. Der ursprüngliche Plan, über Slowenien den antifaschistischen bewaffneten Kampf auf österreichisches Territorium auszudehnen, bedurfte keiner Umsetzung mehr. Insofern kam es in Österreich selbst freilich nicht (oder nicht mehr) zum organisierten antifaschistischen Volkskrieg gegen die deutschen Okkupanten, wie er nicht zuletzt am Balkan stattfand und leuchtendes Vorbild war.

Es blieb vor allem ein Verdienst der Roten Armee der Sowjetunion, den Großteil Österreichs befreit zu haben, im geringeren Ausmaß auch der Westalliierten. Doch die Kämpfe des 1. Österreichischen Freiheitsbataillons sowie das Aufstellen drei weiterer Einheiten markieren genau das, was in der „Moskauer Deklaration“ im Oktober 1943 von den Österreichern und Österreicherinnen verlangt wurde: Einen eigenen Beitrag zu ihrer Befreiung von faschistischer Diktatur und deutscher Fremdherrschaft zu leisten. Gemeinsam mit dem vornehmlich kommunistischen Widerstand im Untergrund, mit kommunistischen und österreichisch-slowenischen Partisanen sowie dem quantitativ oft überbewerteten christlichen Widerstand schufen sie mit die Voraussetzung für das Wiedererstehen einer freien, unabhängigen und demokratischen österreichischen Republik.

Freilich, von „offizieller“ staatlicher Seite, repräsentiert von ÖVP und SPÖ, wurde es den mutigen Freiwilligen der Österreichischen Freiheitsbataillone wenig gedankt – zu sehr war und ist man bemüht, den kommunistischen und Kommunismus-verdächtigen Hauptteil des antifaschistischen Kampfes in Österreich kleinzureden, umzuinterpretieren oder totzuschweigen. Doch es bleibt eine historische Tatsache, dass die Österreichischen Freiheitsbataillone in der jugoslawischen Volksbefreiungsarmee ihren ehrenvollen und unauslöschlichen Anteil hatten am Großen Antifaschistischen Sieg der Völker, der sich mit 8. und 9. Mai 2020 zum 75. Mal jährt.

Emmerich Übleis. Student der Universität Innsbruck – Kommunist – Antifaschist – Spanienkämpfer

Gastautor: Peter Goller, geb. 1961, Univ.-Doz. Dr. und Archivar an der Universität Innsbruck 

Vorbemerkung

1988 hat die Universität Innsbruck die Neubauten am Innrain nach bekannten Fachvertretern benannt (nach dem Pharmakologen Josef Möller und dem Mineralogen Bruno Sander). Die geisteswissenschaftliche Fakultät konnte sich auf keinen Namensgeber einigen. In der Folge haben fortschrittliche Studierende vorgeschlagen, den so genannten „Geiwi-Turm“ in Würdigung der Verdienste um die Befreiung Österreichs und damit auch der Universität Innsbruck nach einem Tiroler Arbeiterwiderständler, einer Tiroler Arbeiterwiderständlerin zu benennen. Stellvertretend für den ganzen Tiroler Widerstand wurden die Namen der 1943 hingerichteten Wörgler Arbeiterin Josefine Brunner und der 1944 hingerichteten Adele Stürzl, bekannt als „Rosa Luxemburg von Kufstein“, genannt. Die Innsbrucker Universität hat diesen Vorschlag ignoriert!

Im so genannten „Universitätsjubiläumsjahr 2019“ haben Studierende vorgeschlagen, den austrofaschistischen Studienausschlussbescheid gegen den Chemiestudenten Emmerich Übleis aufzuheben. Auch diesen Vorschlag hat der Rektor und der mit der Anfrage befasste Dekan der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Innsbruck ignoriert!

Emmerich Übleis (1912 – 1941/42)

Wien/Tirol. Zum Sommer-Semester 1933 kam der 21 Jahre alte Emmerich Übleis, Chemiestudent der Universität Wien, zur Fortsetzung des Studiums nach Innsbruck. Emmerich Übleis wuchs als Sohn eines Eisenbahnerpaars, der Vater Fahrdienstleiter eines Kleinbahnhofes in Leobersdorf an der Niederösterreichischen Südbahn auf. Er war mit dem Elend, aber auch den Kämpfen der österreichischen Arbeiterbewegung bereits vertraut. Das Lohnelend bekam er, arm wie eine „Kirchenmaus“ – wie es im späteren Innsbrucker Gerichtsakt heißen sollte – als Werkstudent von Jugend an zu spüren.

Die Angriffe auf die Rechte der Eisenbahner hatte Übleis im Frühjahr 1933 miterlebt, als ein Eisenbahner-Streik vom österreichischen Klerikalfaschismus zur Liquidierung der parlamentarisch demokratischen Republik von 1918 genützt wurde und die Sozialdemokratie jeden Arbeiterwiderstand sabotierte.

Übleis hatte als eines von vier Kindern eines mies bezahlten Eisenbahners keine Unterstützung zu erwarten, weshalb sein Vater später im 7. April 1936 in einem beim Bundespräsidenten eingereichten Gesuch schreiben sollte: „Mein, für meine Familie von 6 Köpfen nicht hinreichendes Gehalt brachte es mit sich, daß mein Sohn um das Fortsetzen seiner Studien zu ermöglichen, sich selbst mit schwerster Arbeit das Geld verdienen mußte.“ Der ÖBBler Übleis konnte seinen Sohn nur geringfügig unterstützen, besuchte doch ein jüngerer Sohn noch das Gymnasium, während eine Tochter an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien im Lehramtsstudium aus Deutsch, eine weitere Tochter am Pädagogium in Wiener Neustadt inskribiert war.

Drei enge Räume hatte die Familie Übleis in ihrem kleinen Arbeiterhäuschen zur Verfügung, im Winter konnte nur ein Raum beheizt werden. Von einer bürgerlichen Studierstube mit Bibliothek also keine Spur. An ein Studieren zu Hause war nicht zu denken!

Das arbeitersolidarische Netz hatte erst Übleis’ 1930 aufgenommenes Studium ermöglicht, konnte er, der „Vereinigung sozialistischer Hochschüler“ und dem Republikanischen Schutzbund angehörend, doch im SP-Studentenheim Säulengasse wohnen, aus dem er als „Linksabweichler“ Ende Dezember 1932 hinausgeworfen und fortan von der Sozialdemokratie in Stich gelassen wurde.[1]

Fraktionskämpfe in der Arbeiterbewegung

In den Fraktionskämpfen unter sozialistischen Studenten gehörte Übleis zur sogenannten „kompromisslosen linken Opposition“. Übleis wurde von rechten Sozialdemokraten eine den Übertritt zur KPÖ vorbereitende „Linksorientierung“ vorgeworfen: Übleis habe für den kommenden Verbandstag des „VSStÖ“ 1933 mit Kollegen geplant, möglichst viele Kandidaten der linken Opposition in den Vorstand zu bringen, die dann alsbald zur KPÖ übertreten sollten, was dann von der „Roten Fahne“ unter dem Motto: „Große Flucht der revolutionären Elemente der Sozialdemokratie vor den sozialfaschistischen Bonzen!“ begrüßt worden wäre.

Vom der Parteilinie verpflichteten Flügel der sozialistischen Studenten wurde der Gruppe um Übleis vorgeworfen, unter dem Titel der „Reformismus“-Klage „die Einheit der Arbeiterklasse und der sozialistischen Studentenbewegung“ spalten zu wollen. Übleis wurde als „Vollstrecker“ der Wünsche einer kommunistischen Zelle in den sozialdemokratischen Studentenheimen Wiens angesehen.[2]

Max Adler, Dozent an der Universität Wien, Rechtsanwalt und Theoretiker des so genannten linken Flügels der Sozialdemokratie, sagte Übleis im Februar 1933 ohne Erfolg Hilfe im Streit mit der Parteileitung zu.[3]

Die Gruppe um Übleis rügte die Politik des Vorstandes der Wiener Sozialistischen Studenten als derart „korrumpierten Reformismus“, dass die sozialistischen Studenten folglich „wehrlos den Angriffen der Faschisten ausgeliefert“ sind.[4]

Enttäuscht von der Kapitulationspolitik der Sozialdemokratie gegenüber dem Dollfuß-Faschismus kam Emmerich Übleis noch vor dem Wiener „Februar 1934“ nach Innsbruck.

Studium in Innsbruck

Gegenüber dem Innsbrucker Untersuchungsrichter erklärte Übleis dazu später am 14. Juni 1935: „Ich blieb aber innerlich (trotz des Ausschlusses aus der SDAP Anfang 1933 – Anm.) weiter Sozialist und habe mit Interesse den Kampf des Proletariats verfolgt. Betätigt habe ich mich nicht mehr, ich habe auch keine Verbindung aufrecht erhalten. Erst zu Beginn des heurigen Jahres (1935 – Anm.) wurde ich auf der Straße in Innsbruck mit einem mir nicht bekannten Herrn bekannt, der über meine Persönlichkeit sehr gut informiert war. Durch ihn wurde ich dann mit mehreren Kommunisten bekannt. Es begann eine Werbung um meine Person für die Kommunistische Partei, die sich dahin auswirkte, daß ich mich mit den Leuten über Sozialismus und Kommunismus unterhielt, ohne daß ich Mitglied der KP geworden wäre.“

Übleis, der bei den austrofaschistischen Behörden in Verdacht stand, als „Landesleiternachfolger“ der Tiroler KPÖ nach einer eventuellen Verhaftung der Gruppe um den Tiroler KP-Obmann Simon Kompein vorgesehen gewesen zu sein, gab gegenüber der Untersuchungsbehörde nicht mehr zu, als ihm bewiesen werden konnte. So bestritt er etwa das Faktum, wegen seiner Herkunft aus dem niederösterreichischen Leobersdorf geeigneter Verbindungsmann zu Wiener Kommunisten gewesen zu sein und die „Rote Volkszeitung“ nach Wien transportiert zu haben.

Wenn Übleis 1933 vom Roten Wien mit der bürgerlich-konservativ gebliebenen Universität nach Innsbruck kam, so hatte er sich natürlich nicht verbessert, kam er doch in eine Stadt rivalisierender klerikal- und nazifaschistischer Studentengarden, in die reaktionär-rückschrittliche Welt der Innsbrucker Universität, der teils Dollfuß/Schuschnigg anhimmelnden, teils früh nazijubelnden Professoren.[5]

Gab es im Umfeld der Wiener Chemie zahlreiche sozialistische und kommunistische Kommilitonen als politische Partner, unter diesen der spät nach Jahren des Exils in ein Wiener Chemieordinariat vorrückende Engelbert Broda (1910–1983), so war Übleis auf Innsbrucks akademischem Boden vollends isoliert.

Übleis’ Vorstand am Innsbrucker Chemischen Institut Ernst Philippi, der im März 1938 Dekan der Philosophischen Fakultät werden sollte, war früh als Exponent des nazistischen Flügels in der Innsbrucker Professorenschaft aufgefallen. Der größte Teil der Innsbrucker Chemiedozenten war früh nazi-faschistisch orientiert. So bemerkte Philippi in einem Bericht vom Sommer 1940 Tatsachen konform, dass das chemische Institut Innsbruck früh eine Bastion des Nazismus gewesen war, namentlich nannte er seinen Fachkollegen Guido Machek, ab 1940 Innsbrucker NS-Dozentenbundführer: „Als Kamerad hat er (Machek – Anm.) während der schweren Zeit der Illegalität stets seinen Mann gestellt und redlich dazu beigetragen, den bekannten nationalsozialistischen Geist des Institutes durchzuhalten.“[6]

Gegenüber seinem ehemaligen Wiener Neustädter Gymnasialdirektor, dem nun in Schwaz in Tirol lebenden „roten Hofrat“ Ludwig Erik Tesar (1879–1968), der die Wiener Neustädter „Reform“-Bundeserziehungsanstalt geleitet hatte, teilte Übleis – die Briefe an Tesar liegen heute im Innsbrucker „Brenner-Archiv“[7] – mit, dass er zwar vom Kolleggeld befreit war, dass ihn aber die verbliebenen 75 Schilling Studiengebühren für das Sommersemester 1934 sehr drücken. Tesar unterstützte den zeitweilig im Studentenheim „Schloss Mentlberg“ wohnenden Übleis, der in Innsbruck die Arbeiten an der Dissertation aufnahm.

Verhaftung und Ausschluss vom Studium

Im Sommersemester 1935 wurde Übleis verhaftet, nachdem seine illegale Tätigkeit im Zuge der im April 1935 erfolgten Zerschlagung der Kader der Tiroler KPÖ aufgeflogen war.

KPÖ-Aktivisten wie deren Obmann Simon Kompein, ein Tischlereigehilfe, der Bundesbahnelektriker Jaroslav Gaugutz, der Bundesbahnschaffner Josef Wuggenig, die Wien-Kurierin und Kassierin der Roten Hilfe Maria Humer, Mutter zweier Kinder, die beiden Verteiler der „Roten Volkszeitung“, der Zimmermann Hermann Schiestl oder die Arbeitslose Antonie Rudorfer – insgesamt 37 Arbeiter und Arbeiterinnen – wurden bei der Staatsanwaltschaft angezeigt, teilweise festgenommen und zu schweren Arreststrafen verurteilt.[8]

Emmerich Übleis selbst hatte während der Semesterferien 1935 in Kärnten beim Brückenbau gearbeitet und dann seine Eltern in Niederösterreich besucht. Am 10. Mai 1935 wurde aber auch Übleis wegen seiner Zugehörigkeit zur kommunistischen Arbeitergruppe Simon Kompeins im Innsbrucker Gefangenenhaus inhaftiert.

Der Chemieordinarius Philippi unterstützte Übleis zwar auch in der Haft etwa durch Übermittlung von Lehrbuchliteratur. Es war aber dem Universitätsprofessor Philippi nicht nachvollziehbar, dass sich einer seiner Studenten in der Welt der gegen Lohnelend, Arbeitslosigkeit und Aussperrung kämpfenden Arbeiter bewegte, dass Übleis seine akademischen Qualifikation u.a. als Lektor und Korrektor dem Kampf der Tiroler Kommunisten zur Verfügung stellte, dass die Polizei bei Übleis nebst der hektographierten Flugschrift „Der Rote Student“ (Jänner 1935, 12 Seiten) eine zufällige, wenn auch bezeichnende handschriftliche Probe aus Übleis’ Feder folgenden Inhalts beschlagnahmte: „Die Belegschaft richtete ein Ultimatum an den Unternehmer u. an die Behörden des Inhalts, die verhafteten Arbeiter sofort freizulassen u. die H(eim) W(ehr) aus dem Betrieb zu entfernen, widrigenfalls die anderen Schuhfabriken auch streikten. Am Montag den 18.II. waren die Verhafteten bereits frei u. kein Heimwehrmann im Betrieb.“

Für die Professorenwelt war es unvorstellbar, dass ein Student der so genannten „Alma Mater Oenipontana“ eine Einsicht vertrat, wie folgende von Übleis am 14. Juni 1935 im Verhör: „Ich habe als Werkstudent Gelegenheit gehabt mich über die trostlosen Zustände des Proletariats in den europäischen Staaten selbst überzeugen zu können.“

Am 2. Juli 1935 gab das Bundes-Polizeikommissariat Innsbruck dem Rektorat der Universität Innsbruck bekannt, dass Emmerich Übleis mit Polizeistraferkenntnis vom 26. Mai 1935 vorbehaltlich des Berufungsverfahrens zu acht Monaten Arrest verurteilt worden war: „Emmerich Übleis, Hochschüler, Sohn des Emmerich und der Philippine geb. Bucher, am 9.1.1912 in Gösseling Gemeinde St. Martin Bez. Klagenfurt geboren, nach Weißbriach Bez. Hermagor zuständig, ev., ledig, hat sich geständigermaßen bis zu seiner am 10.5.1935 erfolgten Verhaftung für die kommunistische Partei Österreichs betätigt und nahm an der Herstellung der illegalen ‚Roten Volkszeitung‘ hervorragenden Anteil. Genannter war engster Mitarbeiter des ebenfalls sich in Haft befindlichen Landesleiters der kommunistischen Partei von Tirol und Vorarlberg Simon Kompein. Emmerich Übleis wurde mit h.a. Erkenntnis vom 26.5.1935, Zl. 3458 auf Grund des § 3 des Gesetzes vom 31.1.1935, BGBl. 33 in Tateinheit mit der Verordnung vom 26.5.1933, BGBl. 200, zu einer Arreststrafe in der Dauer von 8 Monaten verurteilt, gegen welches Erkenntnis der Genannte Berufung einlegte. Das Bundespolizeikommissariat wird sich beehren, vom Ausgange des Berufungsverfahrens Mitteilung zu machen.“[9]

Nachdem die Berufungsverhandlung das Erkenntnis erster Instanz bestätigt hatte, traten im September 1935 die austrofaschistischen Unterrichts-Behörden in Aktion. Der beim Unterrichtsministerium angesiedelte Kommissär „für die Aufrechterhaltung der Disziplin unter den Studierenden an den Hochschulen“ Otto Baron von Skrbensky – eben jener Skrbensky, der auch nach 1945 wieder als Sektionschef das österreichische Universitätswesen maßgeblich bestimmte – erließ einen auf dauernden Hochschulausschluss lautenden Bescheid gegen Übleis: „Auf Grund der Bestimmungen des § 2, Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 6. September 1934, BGBl.II Nr.232 betreffend die Aufrechterhaltung der Disziplin unter den Studierenden an den Hochschulen werden Sie von der Zulassung zu allen mit dem Hochschulstudium im Zusammenhang stehenden Prüfungen und der Verleihung akademischer Grade sowie von jeder Benützung der Hochschuleinrichtungen auf IMMER ausgeschlossen. Begründung: Durch Ihr vom Bundespolizeikommissariate Innsbruck mit einer Arreststrafe in der Dauer von acht Monaten geahndetes Verhalten haben Sie Ziele einer mit Betätigungsverbot belegten Partei in einer die öffentliche Ordnung erheblich gefährdenden Weise gefördert.“ 

Polizeihaft und anstehendes Gerichtsverfahren nahm Übleis hin. Ein schwerer Schlag war der Studienausschluss „auf immer“, wie er Tesar am 31. Oktober 1935 berichtet. Übleis plante nunmehr an einer der beiden Hochschulen in Zürich weiter zu studieren: „Von der Hochschule bin ich nun endgültig und auf immer ausgeschlossen. (…) Das war ja zu erwarten, daß ich ausgeschlossen werde. Dennoch habe ich davon meinen Eltern noch keine Mitteilung gemacht, weil es für meine Mutter nur unnütze Aufregung wäre. Sie werden es nach meiner Freilassung früh genug erfahren. Ich will nach Zürich gehen.“ (Übleis an Tesar 31. Oktober 1935)

Die Universität Innsbruck hatte in der Bekämpfung sozialistischer und kommunistischer Tendenzen bereits Erfahrung. So zog sie aus den Elendsfolgen des imperialistischen Ersten Weltkriegs die Konsequenzen derart, dass sie den Anschlag eines kommunistischen Studentenflugblattes 1919 in ihren Hallen verweigerte, obwohl ansonsten jeder Kriegshetze unter deutschnationalen und katholisch-nationalen Vorzeichen breiter Raum gewährt wurde. Der 1938 von den Nazis mit allen Ehren aus dem Ruhestand zurückgeholte Staatsrechtsprofessor Karl Lamp, Rektor der Universität Innsbruck 1918/19, vermerkte auf dem vorgelegten Flugblatt einer zu gründenden „Kommunistischen Studentenpartei Innsbruck“ handschriftlich: „Die Vidierung dieses Anschlages verweigert.“

Folgender Text hatte das Missfallen von Magnifizenz Lamp erweckt: „Kommilitonen, Kommilitoninnen! Die blinde Habgier des siegreichen Ententeimperialismus, andrerseits der Beginn großer radikaler Arbeiterbewegungen in Frankreich, Italien usw. machen politische Umwälzungen mit der Tendenz zu durchgreifender soziale[r] Umgestaltung wahrscheinlich. Nicht länger dürfen wir Akademiker verständnislos und untätig ablehnend abseits stehen, vielmehr ist es unsre Pflicht, uns mit den Fragen der Neuordnung des Wirtschafts- und Gesellschaftslebens ernstlich und in gerechter Würdigung ihrer auseinanderzusetzen. Nur dann werden die revolutionären Massen bereit sein uns zu hören, falls wir sie vor übereilten oder verhängnisvollen Schritten zu warnen haben. Folgen wir dem Beispiel von Wien, Berlin, Madrid usw. und schließen wir uns auch hier zur Erörterung der jetzigen sozialen Probleme zusammen zur Kommunistischen Studentenpartei Innsbruck.“[10]

Übleis wurde zwar im Herbst 1935 nach Verbüßung von drei Viertel der politischen Verwaltungsstrafe aus dem Polizeiarrest entlassen, blieb aber weiterhin im Gefängnis, da er übergangslos in gerichtliche Untersuchungshaft genommen wurde.

An Übleis wurde nun auch mit den Mitteln der Klassenjustiz, also mit den Mitteln eines durch den Einsatz der Rechtsprofessoren verrohten Strafrechts, Gesinnung geahndet, dabei hatte der junge Student Übleis bloß in wenigen Sätzen das vom Mussolini-Faschismus abhängige korrupte Schuschnigg-Regime und die Verelendung in Österreich beschrieben.

In der am 7. November 1935 zugestellten Anklageschrift hieß es entsprechend: Übleis „habe im März 1935 für die im gleichen Monate erscheinende ‚Rote Volkszeitung No‑2, Organ der komm. Partei Österreichs’, einen Artikel mit der Überschrift ‚Antisowjetpropaganda‘ verfaßt und zur Drucklegung übermittelt, in welchem Artikel dem ganzen Inhalte und der Tendenz nach, insbesonders durch die im 5. und letzten Absatz enthaltenen Äußerungen: ‚In Österreich regiert eine Räuberbande, von deren Händen das Blut unserer Brüder trieft, der Werktätige hat kein anderes Recht mehr, als vor Hunger zu krepieren, oder in den faschistischen Kerkern zu verwesen. … Sie (die österr. Regierung) hat sich an Mussolini verkauft …’ versucht wird, zum Hasse und zur Verachtung gegen die Staatsverwaltung aufzurufen.“

Staatsanwalt Ernst Grünewald verlangte eine Bestrafung von Emmerich Übleis wegen des „Verbrechen[s] der Störung der öffentlichen Ruhe nach § 65a StG“. Ferner sei Übleis, „weil es sich um eine Druckschrift handelt, deren Herstellung und Verbreitung der Behörde geheimgehalten werden sollte, nach § 65 StG, mit Bedachtnahme auf das Gesetz vom 31.I.1935, BGBl. No. 33, zu bestrafen.“

In Haft stand Übleis weiterhin in Kontakt zu Simon Kompein, wie ein von der Polizei abgefangener Kassiber zeigt, in dem Kompein und Übleis ihre Aussagen vor Gericht abstimmten. Die Polizei übermittelte der Staatsanwaltschaft zwei Tage vor Übleis‘ Verhandlung am 3. Dezember 1935 folgenden Bericht: Der Kassiber Kompeins „enthält eine Anleitung für Übleis, wie er sich bei der Verhandlung zu verhalten habe. Die Chiffrierung zeitigte nachstehenden Inhalt: ‚Habe Dich ersucht, zwei Manuskripte stilistisch und ortografisch zu korrigieren. Du wußtest nicht, daß sie für die Zeitung sind. Auch sage, sie sind für mein Privatarchiv. Sie sind Dir von ‚Grün‘ zugestellt und von diesem abgeholt worden. In Innsbruck gibt es neue Zeitungen und zwar von KP und RS und SZ.’“

Haftstrafe und Begnadigung

Emmerich Übleis wurde am 5. Dezember 1935 zu fünfzehn Monaten schweren Kerker, „verschärft durch ein hartes Lager in jedem Vierteljahr“ verurteilt. Das Gericht hielt umfangreiche Redaktionsarbeiten von Übleis an der im April 1935 beschlagnahmten Nummer der „Roten Volkszeitung“ unter Einbeziehung von Vorlagen der „Roten Fahne“ für erwiesen an. Auch wenn einzelne Textvarianten nicht einwandfrei Übleis zugeordnet werden konnten, hielt das Gericht wenigstens den schuldhaften Vorsatz für erwiesen an: „Daß der Angeklagte vorsätzlich handelt, ergibt sich aus seiner Gesinnung, die er keineswegs zu verhehlen sucht.“[11]

Die Hoffnung auf schnelle Haftentlassung erfüllte sich für Übleis also nicht, noch am Tag der Gerichtsverhandlung schrieb er aber auf eine Studienfortsetzung in England hoffend an Tesar: „Jetzt, da ich Ihnen schreibe, bin ich noch sehr müde von der Verhandlung. Ich bin nicht in der Lage klare Gedanken zu schreiben. (…) Meine Schwester sagt mir, daß mir das Studium in England ermöglicht wird.“ (Übleis an Tesar am 5. Dezember 1935)

Am 16. Jänner 1936 wurde Übleis in die oberösterreichische Strafanstalt Garsten überstellt, von wo er am 2. Februar 1936 schreibt: „Hier bin ich im Einzelhafttrakt für Politische untergebracht. Die Zellen sind meist zu zweit belegt. Mein Zellengefährte ist ein ehemaliger öster. Legionär, deren über 30 noch hier sind. Die Außenwand der Zelle ist etwa 1,20m stark, auch scheint hier keine Sonne im Winter herein. (…) Als ‚Rein-Politischer’ (zum Unterschied von den ‚Kriminell-Politischen’ wie Sprengstoffdelikte u. dgl.) gehe ich am Tag zweimal je eine Stunde spazieren. Etwa 120 in Grau Gekleidete bewegen sich da in einer elliptischen Bahn in einem großen Hofe. Kastanienbäume stehen da u. im Sommer muß der Rasen zwischen den Wegen schön sein. Die meisten, die da ‚lustwandeln’, sind Nationalsozialisten, viele noch vom Juli 34. Schutzbündler ist keiner mehr da.“ (Übleis an Tesar am 2. Februar 1936) Gerade diese nazistische Häftlingsumgebung zeigt Übleis‘ politische Standfestigkeit!

Im Zuge der so genannten „Juli-Amnestie“ wurde Übleis „bedingt begnadigt“ und am 24. Juli 1936 aus der Strafanstalt Garsten entlassen.

Aus der Haft entlassen suchte Übleis im Sommer 1936 von Leobersdorf aus bei Otto Baron Skrbensky, dem zuständigen Ministerial-Kommissär, um Aufhebung des „auf immer“ lautenden Studienausschlusses an: „Dieser Ausschluß trifft mich besonders schwer, da ich schon an meiner Dissertation aus Chemie gearbeitet habe und ich nun überhaupt keine Möglichkeit habe den Doktorgrad zu erlangen.“ Natürlich versprach Übleis fortan politisch brav zu sein: „Mein künftiges politisches Verhalten wird weder den akademischen noch den politischen Behörden Ursache zur Klage geben.“ Ein Versprechen, dem die Übleis überwachenden niederösterreichischen Polizeibehörden zu Recht nicht glaubten, setzte Übleis doch die politische Arbeit für die illegale KPÖ fort.

Im September 1936 hielt „Disziplinarkommissär“ Skrbensky aber am Ausschluss Übleis’ vom österreichischen Hochschulstudium zumindest für das Wintersemester 1936/37 fest: „Im Hinblick auf die Schwere der Verfehlung (15 Monate schwerer Kerker laut Urteil v. 15.XII.1935) halte ich die Zulassung des Übleis zur Fortsetzung seiner Studien dermalen noch als verfrüht.“[12]

Übleis selbst hatte sich gleich nach seiner Entlassung keine große Hoffnung auf eine Studien-Zukunft in Österreich gemacht, die abgelehnte Zulassung zur Fortsetzung der Studien im September 1936 muss ihm das endgültig klargemacht haben.

Flucht in die Tschechoslowakische Republik

Aber bereits unmittelbar nach der Rückkehr nach Leobersdorf wurde Übleis von den Sicherheitsbehörden observiert und bei geringster Auffälligkeit mit neuerlicher Verhaftung bedroht, weshalb Übleis sofort in die Sowjetunion übersiedeln wollte. Im August 1936 berichtete er Tesar, es sei ihm klar, „dass sie mir (…) keine Ruhe lassen werden. Mein Vater, der gegenwärtig in Wöllersdorf Dienst macht, sieht wie sie immer wieder nach der Amnestie Kommunisten ins Anhaltelager bringen (…) So ist es für mich zur Notwendigkeit geworden ins Ausland zu gehen; mein Studium will ich auf jeden Fall beenden. Ich bemühe mich, nach der UdSSR zu kommen. Sollte es mir nicht gelingen, werde ich in der CSR studieren, außer es wird mir in England möglich.“ (Übleis an Tesar 15. August 1936)

Vor seiner Emigration in die CSR im Herbst 1936 reiste Emmerich Übleis mit klassenbewusstem Blick über ein Monat Ende August durch Jugoslawien, wo er seine in einem Ferienlager arbeitende Schwester nahe Predovar („10 km nördlich von Krainburg“) besuchte, ehe er im Karst die dalmatinische Küste hinunterwanderte „bis Split, dann über Zagreb, Maribor nach Klagenfurt zurück“: „Die meisten Leute sind unten so arm, ich habe noch nie so arme Menschen in solcher Masse gesehen.“ Übleis schilderte Tesar nicht nur Naturschönheiten, er berichtete seinem Gymnasiallehrer über einen landesweiten jugoslawischen Textilarbeiterstreik: „Als ich zwei Tage in Jugoslawien war, begannen die Textilarbeiter zu streiken, gerade in dem Gebiet, wo ich war. Die Bürger sprechen unter sich (die Eltern der Kinder dieses Kinderheimes [in dem Übleis‘ Schwester arbeitete – Anm.] gehören natürlich alle der besitzenden Klasse an), es seien aus dem Ausland einige Kommunisten gekommen, die das Volk ‚aufhetzen‘. Einige unter ihnen geben aber den Arbeitern Recht. 2 Din. Stundenlohn eines Fabrikarbeiters, od. 60 Din. Wochenverdienst bei Akkordarbeit für eine Frau ist wirklich wenig. Der Streik dehnte sich auf ganz Jugoslawien aus, die Arbeiter hielten Tag u. Nacht die Fabriken besetzt. Meine Schwester war besorgt, ich würde wieder verdächtigt (Ich habe ein besonderes Talent in solche Gebiete zu geraten!).“ (Übleis an Tesar am 26. September 1936)

Studium in Prag

Mit in mehrtägiger schwerer Gartenarbeit in Klagenfurt erworbenem Geld wollte sich Übleis den Studieneinstieg in Prag sichern. Nach kurzer Rückkehr in seine Heimatgemeinde Leobersdorf sollte Übleis Mitte Oktober 1936 Österreich für immer verlassen. Auf dem Weg nach Prag traf er in Wien noch mit dem Chemie-Dozenten Fritz Feigl (1891–1971), der entgegen seiner Spitzenleistung mit 45 Jahren aus antisemitischen und antisozialistischen Gründen immer noch in einer niederen Stellung als Assistent am II. Chemischen Institut der Universität Wien gehalten war. Feigls „Dissertantenkammerl“ an der Universität Wien galt zwischen 1934 und 1938 als wichtiger konspirativer Treffpunkt der Roten Studenten. Fritz Feigl – soeben 1936 trotz sozialistischer Haltung, wie im Akt eigens vermerkt wurde, gerade einmal zum „Titularprofessor“ ernannt, dann 1938 aus Österreich vertrieben – schrieb für Übleis an die Prager Chemieordinarien. – Heute verleiht die Österreichische Akademie der Wissenschaften mit der „Feigl-Medaille“ eine ihrer höchsten Anerkennungen im chemischen Fachbereich![13]

Ende Oktober 1936 berichtete Übleis schon in Prag angekommen an Tesar, dass ihm zwei Prager Professoren bei der Inskription behilflich waren, dass einer davon, der Leiter des Hygienischen Instituts, Professor Hans John, „ein Liberaler“, so Übleis, eine Dissertationsmöglichkeit und Stelle als Laborhelfer angeboten hat. In diesem Zusammenhang bat Übleis seine vormaligen Wiener Chemieprofessoren um ein Empfehlungsschreiben an das Prager Professorenkollegium, da die österreichischen Strafvermerke im Meldebuch und Abgangszeugnis der Innsbrucker Universität (ausgestellt am 11. Dezember 1935 Zahl 42, mit Strafvermerk und demonstrativer Durchstreichung des Satzes: „Das Benehmen war den akademischen Gesetzen vollkommen entsprechend.“) hinderlich waren, wobei Übleis die selbst im liberalen Prag massiven antikommunistischen Ressentiments und Polizeiaktionen nicht unterschätzte: „Ich stelle meinen Ausschluß von den Hochschulen als die Folge einer Betätigung an einer roten Zeitung dar, ich habe nur den Beweis zu erbringen, daß ich mir nichts Kriminelles od. sonst Unehrenhaftes zu schulden kommen ließ. Daß es eine linke Sache war, so sagt man mir, macht nichts, aber etwas Kommunistisches wäre schlecht.“ (Übleis an Tesar am 31. Oktober 1936)

Zu den internationalen Brigaden nach Spanien

Die Stellung in Prag entwickelte sich nicht so, wie Übleis erhofft hatte, zumal es ihm auch nicht gelang, einen ordentlichen, sondern bloß provisorischen, im Jänner 1937 für ungültig erklärten Hörerstatus zu erlangen. Aus Kollegenkreisen wurde berichtet, dass Übleis in Prag gegen wenig Geld fast nur an Laborarbeiten für John und fremde Dissertationen beteiligt war, dass er weiters fürchtete, für den Fall genehmigter Immatrikulation die Studiengebühren nicht aufzubringen.[14]

Am 29. April 1937 berichtete Übleis’ ältere Schwester bereits, dass „die tschechischen Behörden ihm in Prag das Studieren verboten haben“, und dass sich ihr Bruder bereits aus Paris gemeldet habe: „Ob es auch politische Gründe waren, weshalb er Prag verließ, schrieb er nicht.“ (Übleis’ Schwester an Tesar am 29. April 1937)

Im Frühjahr 1937 schrieb Übleis letztmalig aus Paris an Hofrat Tesar in Schwaz: „Ich werde mich jetzt längere Zeit in Paris aufhalten u. Ihnen bald Näheres berichten.“

Unter dem Decknamen „Kurt Seifert“ trat Emmerich Übleis im Sommer 1937 in Spanien in den Kampf gegen den von Hitler und Mussolini unterstützten Franco-Faschismus. Nach der Niederlage des republikanisch-demokratischen Spanien floh Übleis im Frühjahr 1939 nach Südfrankreich, wo er nach Internierung in Argelés sur mer am 14. April 1939 mit einem zweiten Transport in die UdSSR emigrieren konnte.[15]

Emigration in die Sowjetunion und Tod

Die Rückkehr in das mittlerweile Nazideutschland angeschlossene Österreich war 1939 für alle Spanienkämpfer unmöglich. Peter Weiss schildert in seinem literarischen Denkmal für den antifaschistischen Kampf „Ästhetik des Widerstands“ die niedergeschlagene, nichtsdestotrotz kämpferische Stimmung unter den in Südfrankreich Internierten: „Bis zuletzt versuchten sie, die Auflösung der Brigaden zu leugnen. Höchstens eine Ausweitung des Kriegs hätte sie von der Notwendigkeit ihres Abzugs überzeugt. So wurde die verschärfte Lage an der tschechoslowakischen Grenze zu einer Hoffnung. Ein gesamteuropäischer Krieg gegen den Faschismus schien uns besser, als das ständige Ausweichen und Suchen nach Kompromissen.“ Die meisten Spanien-Kämpfer aus den Staaten der bürgerlichen Demokratie konnten in ihre Heimatländer zurückkehren: „Ein paar Belgier hatten, wegen ihrer Teilnahme am spanischen Krieg, ihre Staatsangehörigkeit verloren, den Deutschen, Österreichern, Tschechoslowaken war ihr Land verschlossen, sie würden betteln müssen um ein Visum irgendwohin, ständig der Gefahr gewärtig, über die Grenze an den Feind abgeschoben zu werden. So ist wieder ein Vorstoß des Klassenkampfs zurückgeschlagen worden, sagte Lindbaek, und die versprengten Kräfte werden sich neu formieren müssen.“[16]

Nicht zuletzt war die Rückkehr Übleis’ auch deshalb nicht möglich, da doch im Innsbrucker Gestapo-Archiv und im Landesgericht der von den Austrofaschisten detailliert aufbereitete politische „Akt Übleis“ ruhte.

Wohl 1942 kam Emmerich Übleis laut einigermaßen gesicherten mündlichen Nachrichten bei einer Partisanenausbildung im Kampf gegen die deutschen Faschisten ums Leben. Laut einer Anmerkung in Marie Tidls Buch über die „Roten Studenten“ lag 1976 noch keine Todeserklärung vor. Weitere – auch vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes unterstützte – Recherchen zu Emmerich Übleis‘ Schicksal in russischen Archiven verliefen bisher ergebnislos.[17]

Die Universität Innsbruck und Emmerich Überleis

Emmerich Übleis’ Kampf um Österreichs Freiheit wurde an seiner ehemaligen Innsbrucker Universität nie gewürdigt, der faschistisch motivierte Studienausschluss aus dem Jahr 1935 wurde von der Universität Innsbruck nicht aufgehoben, obwohl der Ausschlussbescheid spätestens seit Vorliegen der DÖW-Dokumentation „Widerstand und Verfolgung in Tirol 1934–1945“ im Jahr 1984 öffentlich bekannt ist.

Vielmehr blieben an der Universität Innsbruck nach 1945 die Naziprofessoren und ihre austrofaschistischen Rivalen über und gaben maßgeblich den Ton an. Ein Student wie Emmerich Übleis, der für einen wirklichen antifaschistischen Neuanfang benötigt worden wäre, hatte wie ein großer Teil der gezielt liquidierten Sozialisten und Kommunisten den Kampf gegen den Faschismus nicht überlebt.

Es ist es kein Zufall, sondern Ausdruck akademischer Realität, dass an Innsbrucks Universität der ranghohe NS-Funktionär Hanns-Martin Schleyer, der nach 1938 an der NS-Gleichschaltung von Innsbrucks Studenten maßgeblichen Anteil hatte, 1970 als gewerkschaftsfeindlich „aussperrungsfreudiger“ BRD-Industriekapitän die akademische Ehrensenator-Würde erlangte.

Nunmehr kann aber ein Eintrag auf der „Website“ des Universitätsarchivs an Emmerich Übleis erinnern!


[1] Vgl. Marie Tidl: Die Roten Studenten. Dokumente und Erinnerungen 1938–1945 (=Materialen zur Arbeiterbewegung 3), Wien 1976, 186–191.

[2] Vgl. Helge Zoitl: „Student kommt von studieren!“ Zur Geschichte der sozialdemokratischen Studentenbewegung in Wien, Wien 1994 und Wolfgang Speiser: Die sozialistischen Studenten in Wien 1927–1938, Wien 1986.

[3] Vgl. Alfred Pfabigan: Max Adler. Eine politische Biographie, Frankfurt 1982 und Arnold Reisberg: Februar 1934. Hintergründe und Folgen, Wien 1974, sowie u.a. Peter Kulemann: Am Beispiel des Austromarxismus. Sozialdemokratische Arbeiterbewegung in Österreich von Hainfeld bis zur Dollfuß-Diktatur, Hamburg 1982.

[4] Diese Flügelkämpfe sind etwa in Jura Soyfer „So starb eine Partei. Romanfragment“ [jetzt in: Jura Soyfer, Das Gesamtwerk, hrg. von Horst Jarka, Wien-München-Zürich 1980, 324–451] literarisch gestaltet. Ähnliche Erzähl- und Gestaltungsmomente u.a. in Anna Seghers „Der Weg durch den Februar“, in Friedrich Wolf „Floridsdorf“ oder in Oskar Maria Graf „Der Abgrund“, jetzt auszugsweise auch abgedruckt in: Im Kältefieber. Februargeschichten 1934, hrg. von Erich Hackl und Evelyne Polt-Heinzl, Wien 2014.

[5] Dazu im Detail Michael Gehler: Studenten und Politik. Zum Kampf um die Vorherrschaft an der Universität Innsbruck 1918–1938, Innsbruck-Wien 1990.

[6] Vgl. Peter Goller: Der Dozentenkader der Naturwissenschaftlichen Fakultät Innsbruck und die Befreiung vom Nazifaschismus 1945–1951, Innsbruck 2000.

[7] Dank an Prof. Eberhard Sauermann, der diese Briefe freundlicherweise aus dem im Forschungsinstitut Brenner-Archiv verwahrten Nachlass von Ludwig Erik Tesar kopiert hat. Vgl. Eberhard Sauermann: Ludwig Erik Tesar. Studien zu einer Monographie, phil. Diss., Innsbruck 1975.

[8] Vgl. Gerhard Oberkofler: Die Tiroler Arbeiterbewegung. Von den Anfängen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges (=Materialen zur Arbeiterbewegung 43), 2. erweiterte Auflage, Wien 1986, 255–259. – Widerstand und Verfolgung in Tirol 1934–1945, 2 Bände, hrg. vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, Wien 1984 (Band I: Abschnitt „Sozialisten und Kommunisten“, bearbeitet von Gerhard Oberkofler).

[9] Universitätsarchiv Innsbruck, Akten des Rektorats Nr. 1859 aus 1934/35.

[10] Universitätsarchiv Innsbruck, Akten des Rektorats Nr. 628 aus 1918/19. – Vgl. Hans Hautmann: Geschichte der Rätebewegung in Österreich 1918–1924, Wien 1987.

[11] Tiroler Landesarchiv, Landesgericht Innsbruck 5 Vr 927/35.

[12] Österreichisches Staatsarchiv Wien (=ÖStA), Allgemeines Verwaltungsarchiv (=AVA), Unterricht GZl. 30782 aus 1936. Zur Rolle von Otto Skrbensky als austrofaschistischer Hochschulkommissar und als zentral wirksamer Hochschulsektionschef nach 1945 vgl. Hans Pfefferle – Roman Pfefferle: Glimpflich entnazifiziert. Die Professorenschaft der Universität Wien von 1944 in den Nachkriegsjahren, Wien-Göttingen 2014.

[13] Vgl. Gerhard Oberkofler und Peter Goller: Fritz Feigl 1891–1971. Notizen und Dokumente zu einer wissenschaftlichen Biographie, hrg. von der Zentralbibliothek für Physik in Wien, Wien 1993.

[14] Universitätsarchiv Prag, Philosophisches Inskriptionsblatt für Emmerich Übleis Wintersemester 1936/37.

[15] Vgl. Hans Landauer in Zusammenarbeit mit Erich Hackl: Lexikon der österreichischen Spanienkämpfer 1936–1939, Wien 2003, zu Übleis Seite 231, sowie: Für Spaniens Freiheit. Österreicher an der Seite der Spanischen Republik 1936–1939, hrg. vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, Wien 1986 und Lisl Rizy – Willi Weinert: Bin ich ein guter Soldat und Genosse gewesen? Österreichische Kommunisten im Spanischen Bürgerkrieg und danach. Ein Lesebuch, Wien 2008.

[16] Vgl. Peter Weiss: Die Ästhetik des Widerstands. Roman. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt 1983, Band I, 321.

[17] So zuletzt Gisela Hormayr: Verfolgung, Entrechtung, Tod. Studierende der Universität Innsbruck als Opfer des Nationalsozialismus, Innsbruck-Wien 2019.

Türkei: Tausende könnten Job in Textilindustrie verlieren

Die Mode- und Textilindustrie ist trotz abnehmender Bedeutung einer der grundlegendsten Sektoren in der türkischen Industrie. Tausende drohen nun ihren Job zu verlieren aufgrund von globalen Einbrüchen in der Schuh- und Bekleidungsbranche in Folge der CoVID19-Pandemie.

Türkei. Die weltweit agierende Kapitalberatungsfirma McKinsey schätzte im April ein, dass die Umsätze der globalen Modeindustrie (Schuh- und Bekleidungsbranche) im Vergleich zum Vorjahr um 27% bis 30% einbrechen werden. Für das Jahr 2021 wird dann wieder ein Wachstum von 2% bis 4% prophezeit im Vergleich zu 2019. Verantwortlich dafür sind vor allem Unterbrechungen der Lieferketten, da viele Länder, in denen diese produziert werden, besonders hart von der Pandemie getroffen wurden.

Während in Teilen Europas, der USA und anderen Ländern im Zuge der Pandemie geschlossen wurde, wurde die Ausbeutung in Ländern wie Kambodscha oder Bangladesch, die in der Textilproduktion dominieren, weiter verschärft.

Die Textilindustrie hat einen Anteil von 8–10% an der türkischen Wirtschaft. Ihr Anteil an der verarbeitenden Industrie beträgt 15% und am Export ebenfalls 15%. 26% der Beschäftigten in der verarbeitenden Industrie arbeiten in der Textilindustrie und 8% aller türkischen Beschäftigten. Im Vergleich zu Anfang der 2000er ist ihr Anteil am Export und die Anzahl der Beschäftigten zwar gesunken, für die Türkei ist es allerdings immer noch ein wichtiger Teil des Arbeitsmarktes und Devisenquelle.

Die Geschichte der Textilindustrie der Türkei in den letzten 40 Jahren ist die Geschichte der zunehmenden Abhängigkeit der Türkei von ausländischem Kapital. So befindet sich bspw. rund Hälfte der türkischen Exporte von Konfektionskleidung in den Händen von zwölf Monopolen. Mit dem Voranschreiten der Türkei in der globalen Wertschöpfungskette hat sich die Ausbeutung der Arbeiterklasse weiter verschärft und die Krisenanfälligkeit zugenommen.

Verschärfung der Ausbeutung während Pandemie

Rund 88.000 Unternehmen sind im Textilsektor in der Türkei tätig. Ungefähr 90% der Unternehmen beschäftigen weniger als 100 Menschen, deren Anteil am Markt beträgt aber nur rund 50%. Die restlichen Anteile am Markt machen Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten aus. Bei der Top-500-Rangliste in der Produktion der Istanbuler Industriekammer machen 38% Textilhersteller aus. Die 1000 größten Exportunternehmungen für Konfektionskleidung machen allerdings nur rund 15% der Exporte aus. Die Ursache dafür liegt in der höheren Kapitaldichte in der Produktion.

Dieses komplexe System an Hierarchien und Verflechtungen von Monopolen, größeren und kleineren Unternehmen, hat eine Verschärfung der Ausbeutung zur Folge. Von der Komplexität profitieren sowohl die türkischen Kapitalisten als auch die Monopole.

Bereits im März hatte die türkische Wirtschaft mit einem Exportrückgang von 30% zu kämpfen, für April gehen Schätzungen von bis zu 50% aus. Die Regierung hat zwar Zahlen für April angekündigt, diese liegen allerdings noch immer nicht vor. Für Mai und Juni wird geschätzt, dass der Export ebenfalls um 30–50% einbricht. Ein Rückgang, der selbst mit einer Normalisierung im nächsten bzw. übernächsten Quartal kaum zu kompensieren sein wird.

Es ist schwierig vorauszusagen, wie das türkische Kapital auf mittlere Sicht mit den mit der Pandemie einhergehenden Umgestaltungen der Weltwirtschaft umgehen wird. Sicher ist, dass sie auf sogenannte Innovationen setzen wird, die das Risiko erhöhen und die Ausbeutung weiter verschärfen werden. Dennoch sagen Ökonomen voraus, dass es zu einer großen Zahl an Konkursen in Folge der Pandemie kommen wird, trotz Abwertung der türkischen Lira, um mit dem Verfall der Stückpreise in ausländischen Währungen konkurrieren zu können.

Darüber hinaus werden zwar einige mittlere und größere Unternehmen, die von staatlichen Subventionierung und der „Bevorzugung“ von Monopolen profitieren, überleben, die Marktbereinigung wird allerdings im selben Maße zunehmen, wie der Spielraum geringer wird, und jedes Unternehmen wird versuchen, die Verantwortung einem anderen zu übertragen.

Die Situation der Textilarbeiterinnen und ‑arbeiter

Das türkische Kapital in der Textilproduktion ist aufgrund ihrer willkürlichen und arbeiterfeindlichen Politik in einem hohen Maße von 15–20 internationalen Monopolen abhängig. Das hat zur Folge, dass ein Sektor, in dem rund 1,1 Millionen türkische Arbeiterinnen und Arbeiter beschäftigt sind, von Produktions- und Handelsschwankungen zwischen 40% und 50% betroffen ist.

Aufgrund dieser Tatsache drohen im Zuge der CoVID19-Pandemie bis zu 500.000 Beschäftigte in der Textilindustrie ihren Arbeitsplatz verlieren. Aus Sicht der Arbeiterklasse ist klar, dass der Bekleidungssektor von der Herrschaft des internationalen Kapitals und den willkürlichen und arbeiterfeindlichen Maßnahmen des einheimischen Kapitals befreit werden müssen. Experten schlagen vor, dass den Arbeiterinnen und Arbeitern Arbeit im Rahmen gewisser Formen von sozialen Rechten garantiert werden muss; es wird vorgeschlagen, einen Plan zur Verstaatlichung des gesamten Sektors zu erarbeiten um die Beschäftigten und nicht das Kapital zu retten.

Quelle: Sol International

Neue Ausgabe des RotFuchs ist erschienen

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Deutschland/Berlin. Seit 1998 erscheint die Zeitschrift RotFuchs als Monatszeitschrift. Die Zeitschrift versteht sich als den Klassikern des wissenschaftlichen Sozialismus und dem Sozialismus verpflichtet. Der RotFuchs wird von Journalistinnen und Journalisten und Fachleuten aus verschiedenen Bereichen herausgegeben und hat rund 26.000 Leserinnen und Leser in 37 Ländern. Seit April 2019 ist Arnold Schölzl Chefredakteur.

Die aktuelle Ausgabe ist Anfang Mai erschienen. Aufgrund der Corona-Pandemie wird die aktuelle Ausgabe vorerst nicht an die Leserinnen und Leser versandt und steht nur online zur Verfügung.

RotFuchs​.net

Zweite Liga alles offen

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In der zweiten Fussballbundesliga ist noch immer keine Klarheit wie es weitergeht und der finanzielle Druck wird nicht geringer. Geisterspiele ja oder nein?

Auch die zweite Liga erarbeitet ein Plan, um die Saison abzuschließen, als Neustart wird der 26.06.2020 angestrebt. Wie das aussehen soll und ob es für alle Vereine finanzierbar sein wird ist unklar. Bei den Planungen stand auch die kommende Saison zur Debatte. Diese soll möglichst spät starten, aktuelle Pläne gehen von Ende August Anfang September aus.

Die Zweitligisten befinden sich in der merkwürdigen Situation, dass sie im Gegensatz zur ersten Liga nicht auf dem Platz trainieren dürfen, aber ihre Meisterschaft nicht beendet ist. Der Antrag auf Abbruch fand wie bereits berichtet nicht die notwendige 2/3 Mehrheit. Erneut zur Abstimmung kann dies am 12. Mai gestellt werden. Der finanzielle Druck soll von den Vereinen genommen werden, indem die Kriterien der UEFA aufgeweicht werden und Vereine, die während der Saison in Insolvenz gehen, nicht automatisch absteigen. Dies schützt jedoch nicht vor dem Schaden auf langfristige Sicht.

Quelle: Standard

Die Jagdsaison beginnt – trotz Corona-Virus

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Ausländische Jagdpächterinnen und Jagdpächter dürfen ohne ärztliches Attest einreisen. Grenzüberschreitender Familienbesuch bleibt hingegen weiterhin schwierig.

Tirol. Während es für Menschen aus Nachbarländern durch die Covid19-Krise sehr schwierig geworden ist, ihre Familienangehörigen in Österreich zu besuchen, gibt es eine gesonderte Jagdpächterregelung für die Besserverdienenden. Diese ist vom Bundesland Vorarlberg ausgearbeitet und dann vom Gesundheitsministerium an alle Landesregierungen ausgeschickt worden. Dieser Regelung zufolge braucht es kein ärztliches Attest der Jägerinnen und Jäger, auch ist keine sonst übliche vierzehntägige Quarantänezeit vonnöten. Das Vorlegen eines Jagdpachtvertrages oder eines Wildabschussvertrages genügt.

Von rund 1300 Jagdgebieten in Tirol stehen 300 Gebiete den ausländischen Pächterinnen und Pächtern zur Verfügung – für sie bestehen keine strengen Einreisebestimmungen. Umgekehrt ist es Tirolerinnen und Tiroler nicht gestattet, ihre Verwandten beispielsweise im Deutschen Eck zu besuchen.

Es steht außer Frage, dass hierbei mit zweierlei Maß gemessen wird – wer genug Geld auf dem Konto vorzuweisen hat, braucht sich nicht um die Gesundheit der Mitmenschen zu scheren. Schließlich beginnt am 15. Mai die Jagdsaison und der Bekämpfung des Virus steht ein penibel ausgearbeiteter Abschussplan des Landesjägerverbandes im Weg. Dem Spaß am Töten von wehrlosen Tieren darf eben keine Grenze gesetzt werden – es offenbart sich damit ein durchaus übliches Leitmotiv kapitalistischer Krisenmomente: Armut und Chaos für die werktätige Bevölkerung, Brot und Spiele für die Reichen.

Quelle: ORF / ORF

Pflege: Chaos und kein Sonderzug in Sicht

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Wien. In der 24-Stundenpflege herrscht Chaos. Der für gestern, von Ministerin Karoline Edtstadler angekündigte Sonderzug aus Rumänien kam nicht, natürlich nicht, könnte man schon fast sagen.

Nach den Aussagen der Ministerin vor mehr als einer Woche hatten Angehörige bereits damit geplant, dass die derzeit hier befindlichen 24h-Pflegerinnen abgelöst werden würden. Diese sind zum Teil schon seit Beginn der Quarantäne vor mehr als sechs Wochen und davor ununterbrochen tätig! 

Aber nicht nur Betreuerinnen, sondern auch Erntehelfer hätten mit dem Sonderzug kommen sollen. Nachdem die Tausenden Freiwilligen, die sich als Erntehelfer gemeldet haben, größtenteils nicht einmal kontaktiert, sondern mit einem schmierigen Werbebrief abgespeist wurden, verlangen die Gutsherren nach „ihren“ Helfern. Und nachdem sich die ÖVP als Lobby der Gutsherren versteht, sollten im Sonderzug mit den Pflegerinnen auch Erntehelfer sitzen. Auch diese kamen jetzt aber nicht.

Nächster Termin 9. Mai?

Streit zwischen den Bundesländern gibt es darüber, wie die Einreisenden denn auf den Corona-Virus hin überprüft werden, wie die Wiener Zeitung berichtet. Das betraf etwa die Tests, um sicherzustellen, dass die Pflegerinnen mit Corona-Schnelltests rasch zu den Menschen, die in Österreich 24h-Betreuung brauchen, kommen. Es gab unterschiedliche Vorstellungen, wie die Sicherstellung der Gesundheit bei der Einreise gewährleistet werden soll. Ohne Einigkeit der Bundesländer taucht das nächste Problem auf, weil dann auch die bereits seit Wochen in Österreich ausharrenden Pflegerinnen unterschiedlich abgelöst werden und heimreisen können. Teils würden diese den Sonderzug nach Hause verpassen.

Während wir also ständig Pressekonferenzen erleben, in denen die Regierung sich selbst lobt, sind Tausende Pflegebedürftige, ihre Angehörigen und die vollkommen überlasteten 24h-Pflegerinnen, die derzeit hier sind, verzweifelt. Der nächste Termin, der nun von Seiten der Regierung für den Sonderzug genannt wird, ist der 9. Mai.

Quelle: Wiener Zeitung

Erneute Aggression gegen Venezuela

Venezuela. Bereits am vergangenen Sonntag meldeten die venezolanischen Behörden, dass mehrere bewaffnete Söldner, die über den Seeweg in Venezuela eindringen wollten, aufgegriffen und verhaftet wurden. Am 4. Mai wurden erneut acht bewaffnete Söldner in Chuao im Bundesstaat Aragua sowie später zwei weitere in Puerto Cruz festgenommen. Unter den Verhafteten befinden sich nach Behördenangaben auch zwei US-Amerikaner, die Mitarbeiterausweise der US Sicherheitsfirma Silvercorp USA mit sich führten.

US-Präsident Donald Trump teilte auf twitter mit, dass die USA mit der wiederholten Aggression gegen Venezuela durch bewaffnete Söldner nichts zu tun hätte. Er kündigte außerdem an, dass die USA die Vorfälle aufklären wollen würden. Der Chef von Silvercorp USA, Jordan Goudreau, hingegen brüstete sich mit der Involvierung seines Unternehmens in die Aggression und gab an, diese organisiert zu haben. Berichten zufolge wird der gescheiterte Putschist Guaido beschuldigt einen Vertrag mit Silvercorp zum Kampf gegen die Regierung Venezuelas geschlossen haben.

Quelle: redglobe / telesur