HomePolitikEU-Kommission: Offene Tür für Lobbyisten

EU-Kommission: Offene Tür für Lobbyisten

Große Konzerne gaben heuer offiziell bereits 120 Millionen Euro zur Beeinflussung der Brüsseler Bürokratie und Politik aus – tatsächlich dürfte die Zahl deutlich höher liegen. Gerade die Technologiebranche ist verstärkt um ihre Milliardenprofite besorgt.

Brüssel. Das EU-Transparenzregister soll eigentlich Lobbyismus aufdecken – tatsächlich ist die Datenbank ein typisches Beispiel für den „Erfolg“ von Lobbyarbeit. Aus der ursprünglichen Idee, Öffentlichkeit für bisher undurchsichtige Prozesse zu schaffen, wurde ein freiwilliges Register ohne unabhängige Überprüfung der Zahlen, dem angeblich „nichtkommerzielle“ Handelsverbände überhaupt keine Lobbybudgets melden.

Dennoch lassen sich über die Jahre gewisse Trends ausmachen, wie nun die Datenwebsite „LobbyFacts“ aufzeigt. Die 50 größten Konzerne und Interessensvertreter wendeten nach eigenen Angaben heuer bereits 120 Millionen Euro für EU-Lobbyismus auf. So viel Geld öffnet eine Menge Türen: Seit Ende 2014 hatten diese 50 Unternehmen bzw. deren Vertreter 3.266 Treffen mit den oberen Ebenen der EU-Kommission. Zum Vergleich: NGOs wurden nur etwa halb so oft zu offiziellen Gesprächen empfangen.

Zu den früheren Platzhirschen am Brüsseler Parkett – Energie- und Pharmakonzerne – gesellen sich zunehmend Technologiegrößen wie Apple, Google, Meta (USA) und Huawei (China). Sie gaben heuer ein Vielfaches der Lobbyaufwendungen von 2015 aus. Dabei sind Lobbybudgets von offiziell 6 Millionen Euro im Jahr wie etwa bei Meta (früher Facebook) in Relation zu den Gesetzgebungsmaterien, die beeinflusst werden sollen, geradezu lächerlich gering. Es geht um Datenschutz, grenzüberschreitende Dienstleistungen, mögliche Haftungsfragen und letztlich Milliarden an Steuerersparnissen. Mögliche Diskussionen über eine Vergesellschaftung von Monopolisten sollen überhaupt erst gar nicht aufkommen.

Kapitulation oder Klage

Die Lobbyisten, die im Solde der großen Tech-Konzerne politische Prozesse beeinflussen, sind zu 75 % selbst ehemalige Mitarbeiter der EU-Kommission, des EU-Parlaments oder von nationalen Gesetzgebern. Auch dieses Brüsseler Drehtürprinzip – vom Erfüllungsgehilfen zum Sprachrohr der Monopole – lässt Angehörige des politischen Apparats schon früh das große Geld in der Privatwirtschaft wittern.

Freilich sind die zumeist US-amerikanischen Technologiekonzerne nicht die einzigen Einflussnehmer in Brüssel; dementsprechend gibt es weiterhin politische Initiativen, die zu ihren Lasten gehen könnten. Gerade Microsoft musste in den letzten Jahren einige teure juristische Niederlagen wegen Ausnutzung der Monopolstellung einstecken – wohl auch das ist ein Grund dafür, warum die Lobbybudgets dermaßen angestiegen sind. Für den Fall, dass sich Brüssel zum Gesetz über digitale Dienste durchringen sollte – dieses würde etwa Apples „App Store“ hart treffen – haben die Anwälte der große Tech-Konzerne bereits umfassende Klagen in der Schublade. Die großen Monopolisten haben eben eigene Wege, mit Gesetzen umzugehen.

Und wie reagiert die EU-Kommission auf solche offen vorgetragenen, mithin demokratiefeindlichen Drohungen gegen politische Vorstöße, die zur Ausnahme einmal gegen die Interessen internationaler Konzerne gerichtet sind? Sie eröffnete diesen Monat eine offizielle Vertretung in San Francisco, „um die digitale Diplomatie zu stärken“.

Viel offener kann nicht mehr gezeigt werden, wen die demokratisch nicht legitimierte EU-Kommission als wichtigen Ansprechpartner in Sachen Gesetzgebung sieht: die demokratisch nicht legitimierten Tech-Milliardäre Kaliforniens.

Quellen: corporateeurope, Handelsblatt

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