Wien. Die Verhandlungen zur Regierungsbildung zwischen der rechten Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) und der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) stehen, wie inzwischen auch international bekannt ist, offenbar auf der Kippe. Wie die Austria Presse Agentur (APA) unter Berufung auf informierte Kreise berichtet, seien die Forderungen der FPÖ bei der Ressortverteilung für die ÖVP nicht akzeptabel. Insbesondere die freiheitliche Forderung nach den Ministerien für Finanzen und Inneres sorgt für Spannungen.
Gespräche ausgesetzt, Verhandlungsprotokoll geleakt
Die Verhandlungen wurden bereits am Wochenende unterbrochen. Zusätzliche Unruhe entstand durch die Veröffentlichung eines 223-seitigen Verhandlungsprotokolls in mehreren österreichischen Medien. Wer das Protokoll an die Presse weitergab, ist unklar. Dabei hatten die Parteien Stillschweigen vereinbart. FPÖ-Chef Herbert Kickl hatte zu Beginn der Verhandlungen betont, dass eine Weitergabe von Informationen einem „Vertrauensbruch“ gleichkomme.
Das durchgesickerte Dokument enthält brisante Vorschläge, darunter ein Verbot des „politischen Islam“, eine drastische Einschränkung des Demonstrationsrechts sowie sogar ein mögliches Parteiverbot, genannt wird wohl die „Liste Gaza“, wie die Junge Welt berichtet, aber treffen könnte es natürlich auch andere unliebsame. Das läuft unter: „Verankerung zusätzlicher Untersagungsmöglichkeiten im österreichischen Parteiengesetz, um demokratiefeindliche Parteien im Sinne einer wehrhaften Demokratie noch effektiver entgegenwirken zu können.“ Was dies mit Demokratie zu tun hat, muss noch geklärt werden. Zudem ist von einer Aussetzung des Asylrechts und dem Bau eines Zauns um Österreich die Rede, während Asylsuchende mit Fußfesseln versehen werden sollen. Keine rosigen Aussichten für Andersdenkende – auch beispieslweise Kommunistinnenn und Kommunisten – oder Menschen, die nicht in Österreich geboren sind. Diese Pläne zeigen, was der Charakter beider Parteien ist und welche Wege die bürgerliche Demokratie offenbar nehmen kann.
Spannungen in der Außenpolitik und stockende Verhandlungen
Ein zentraler Streitpunkt zwischen den Parteien ist wenig überraschend die Außenpolitik. Die FPÖ fordert den Austritt aus der EU-Luftabwehrkoalition „Sky Shield“ sowie aus der NATO-„Partnerschaft für den Frieden“. Dies sorgt für frostige Stimmung in den Verhandlungen, nachdem die ÖVP die imperialistischen Bündnisse als zentral erachtet.
Berichten zufolge treffen sich die Parteichefs Kickl und Christian Stocker (ÖVP) nur unregelmäßig und sprechen kaum länger als 45 Minuten miteinander. Trotz dieser Schwierigkeiten wurden die Gespräche am Dienstagvormittag im Parlament fortgesetzt. Vor dem Treffen zeigten sich die Chefverhandler versöhnlich: „Die Verhandlungen gehen selbstverständlich weiter“, betonte Stocker, während Kickl von „fünf guten Jahren“ sprach, die man Österreich bescheren wolle. Gleichzeitig bekräftigte er die Forderung nach dem Innenministerium als zentrale freiheitliche Kernkompetenz.
Kritik aus der Wirtschaft und innerhalb der ÖVP
Doch nicht nur die internen Verhandlungen sind angespannt. Kritik an der FPÖ kam auch von der Wirtschaft und aus den eigenen Reihen der ÖVP. Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer warf der FPÖ vor, nicht konsensfähig zu sein: „Wer sich nur im Machtrausch befindet, ist möglicherweise nicht regierungsfit.“ Auch Karl Mahrer, Obmann der Wiener Volkspartei, äußerte sich skeptisch: „Kickl will offenbar keine stabile und handlungsfähige Regierung, sondern setzt auf totale Kontrolle und Macht.“
Johanna Mikl-Leitner, Landeshauptfrau von Niederösterreich, appellierte an Kickl, Verantwortung zu übernehmen und kompromissbereit zu sein: „Wer Bundeskanzler werden will, muss Brücken bauen.“ Somit sind selbst Fürsprecherinnen und Fürsprecher mittlerweile in Bedrängnis, denn es geht über die rassistische und arbeiterfeindliche Politik, im Dienste des Kapitals, die man sich mit einem bürgerlichen Anstrich gewünscht hat, hinaus und die Fassade der Macht der ÖVP und des „Anstandes“ bröckelt.
ÖVP legt „Grundlinien“ fest
Am Montagabend überreichte die ÖVP der FPÖ ein zweiseitiges Dokument mit „Grundlinien“, die für jede Bundesregierung unabdingbar seien. Dazu zählen eine klare europäische Positionierung, die Verurteilung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und eine verstärkte Zusammenarbeit mit internationalen Geheimdiensten. Zudem forderte die ÖVP ein klares Bekenntnis zu „Sky Shield“ und betonte die Wichtigkeit der Rechtsstaatlichkeit auf Basis der österreichischen Verfassung und der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Möglicher Ausgang: Expertenregierung oder Neuwahlen?
Angesichts der festgefahrenen Verhandlungen fordern verschiedene Kommentatorinnen und Kommentatoren eine „Expertenregierung“. Eine solche Lösung könnte der FPÖ in Neuwahlen weiteren Rückenwind geben, was sicherlich auch ihre aktuelle Positionierung begünstigt. In aktuellen Umfragen liegt die Partei bei bis zu 38 Prozent.
Ob die Verhandlungen noch zu einer Einigung führen oder eine Expertenregierung oder Neuwahlen notwendig werden, bleibt offen. Klar ist jedoch: Die Bildung einer stabilen Regierung in Österreich ist derzeit fraglicher denn je. Was klar ist, in beiden Fällen sieht es nicht gut aus für die Lohnabhängigen, diejenigen, die Sozialhilfe oder sonstige Leistungen empfangen, für Pensionistinnen und Pensionisten, Jugendliche, Migrantinnen und Migranten. Gut sieht es nur für das Kapital aus und deswegen ruft die Partei der Arbeit Österreichs und ihre Jugendfront die Menschen dazu auf, sich in ihrem eigenen Interesse zu organisieren und für dieses zu kämpfen.
Quelle: ORF/Junge Welt/epicenterworks