Otto Bruckner, stv. Vorsitzender der Partei der Arbeit (PdA)
Mit großem Trara verkündete Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger zu Beginn der Corona-Krise, es werde eine Plattform (dielebensmittelhelfer.at) eingerichtet, auf der arbeitswillige Erntehelfer und Betriebe, die solche suchen, zusammenkommen sollen. Inzwischen wurde es leise um diese Plattform. Es haben sich zwar mittlerweile 20.000 Menschen gemeldet, die Bauern haben allerdings kaum welche eingestellt. Hauptproblem sind die Niedriglöhne und schlechten Arbeitsbedingungen. Auch der Lebensmittelindustrie sollte diese Plattform dienen. Jedoch gibt es auch in diesem Bereich kaum Anstellungen, wie zu erfahren ist. In Tirol gibt es indessen schwere Vorwürfe gegen eine Leiharbeitsfirma, die Erntehelferinnen und ‑helfer vermittelt.
Es wird argumentiert, dass es zu langwierig wäre, neue Kräfte anzulernen, sei es für das Spargelernten oder das Fleischzerlegen. Außerdem, so klagen vor allem die Großbauern, hätten die Bewerberinnen und Bewerber unrealistische Wunschvorstellungen, was die Bezahlung und die Arbeitszeiten betrifft. Manche wollten nur Teilzeit arbeiten, wieder andere auf keinen Fall am Wochenende, und die wenigsten sind bereit, für den angebotenen Lohn tätig zu werden. Kasernieren wollen sich überhaupt die Wenigsten lassen. Als Drehscheibe der Vermittlung wurde der Maschinenring, eine Organisation der Raiffeisen-Lagerhausgruppe, die unter anderem auch in der Vermittlung von Leiharbeitskräften aktiv ist, beauftragt. Wie es im Reich des Bauernbundes, dessen Vizepräsidentin Ministerin Köstinger ist, üblich ist. Aber auch der Maschinenring hatte in der Vermittlung bisher nur mäßigen Erfolg.
Studentische Fachkräfte auch nicht gefragt
Selbst die Studentinnen und Studenten der Universität für Bodenkultur in Wien haben keine Chance, von den Bauern eingestellt zu werden. Ihre Universität würde ihnen den Ernteeinsatz als Praktikum anrechnen, ebenso wie die Medizinische Universität Wien den künftigen Medizinerinnen und Medizinern. Im Ö1-Mittagsjorunal vom 10.04. beklagten sich Studierende, dass sie bisher überhaupt keine Angebote erhalten haben, obwohl ja gerade die Boku-Studierende Fachkräfte wären, die in ihrem Studium in Theorie und Praxis mit der Landwirtschaft vertraut gemacht werden.
Normalerweise sind etwa 5.000 Saisonarbeiterinnen und –arbeiter auf Österreichs Feldern im Einsatz. Sie kommen vor allem aus Polen, Bulgarien, Rumänien, der Ukraine, aber auch aus unmittelbaren Nachbarländern wie Ungarn, der Slowakei, Slowenien und Tschechien. Während die Arbeiterinnen und Arbeiter aus den grenznahen Bereichen meist Tagespendler sind, werden die Kolleginnen und Kollegen, die von weiter her kommen, kaserniert. Das heißt, sie arbeiten und schlafen auf den Höfen der Bauern. Wie von gewerkschaftlicher Seite immer wieder aufgedeckt wird, werden nicht einmal die ohnehin niedrigen Kollektivvertragslöhne, die noch dazu von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich hoch sind, bezahlt, sondern diese noch weit unterschritten. Vom kärglichen Lohn von gerade einmal 1.000–1.200 Euro, und das meist für wesentlich mehr Stunden als 40, kassieren profitgierige Bauern dann auch oft noch Geld für die engen Quartiere, nicht selten 200 Euro und mehr pro Monat. Hauptsache ist, dass die Saisonarbeiterinnen und ‑arbeiter billig und willig sind.
Schwere Vorwürfe in Tirol
In Tirol werden von Arbeiterkammer und Gewerkschaft ProGe schwere Vorwürfe gegenüber einer Firma erhoben, die normalerweise in der Arbeitsvermittlung für Tourismusbetriebe tätig ist, und sich nun auch in das Erntehelfergeschäft gedrängt hat, wie eine lokale Bezirkszeitung und die Tageszeitung „Der Standard“ berichten. Das Geschäftsmodell funktioniert so: Die Firma Immoservice24 vermittelt Erntehelfer an Tiroler Bauern. Diese bezahlen pro Person und Arbeitstag, der 7,5 Stunden dauert, pauschal 120 Euro netto an Immoservice24 – auf Werkvertragsbasis. Die Leiharbeitsfirma wiederum stellt die Erntehelferinnen und ‑helfer nach dem Kollektivvertrag für Angestellte im Gewerbe an, was billiger ist, als wenn sie korrekt als Leiharbeitskräfte und damit als Arbeiterinnen und Arbeiter angemeldet wären. Dazu sagt der ProGe-Landessekretär Bernard Höfler: „Das ist klares Lohn- und Sozialdumping. Es ist ein Skandal, wenn man aus dieser Krise und der Not auch noch Geld machen will.“ Höfler sieht in dem Konstrukt zudem eine gesetzlich verbotene Leiharbeit auf Werkvertragsbasis. Dieses Modell widerspreche klar dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz.
Drei Personen, die bei Immoservice24 als Teilzeit-Erntehelferinnen und ‑helfer angeheuert haben, sagten gegenüber der Zeitung „Der Standard“, man habe ihnen nur eine geringfügige Beschäftigung angeboten. Für Leistung über die Geringfügigkeitsgrenze hinaus habe ihnen der Geschäftsführer und Eigentümer von Immoservice24, Patrick Steffens zugesagt, „schwarz zu zahlen“. Diese Darstellung weist Steffens entschieden zurück. Man habe mittlerweile die Dienstverträge abgeändert, wer über die Geringfügigkeitsgrenze arbeite, erhalte eine dementsprechende Anstellung. Warum dennoch wöchentlich bezahlt werde, begründet er damit, dass es im Sinne der Dienstnehmerinnen und ‑nehmer sei, dass „schnell Geld fließt“.
„Team Österreich“ auf den Feldern?
In einer patriotischen Aufwallung sprechen die Agrarfunktionäre und Minister nun von „unserer Ernte“, die es zu retten gilt. Der Präsident der Landwirtschaftskammer, Josef Moosbrugger etwa, sieht uns alle in der nationalen Pflicht: „Jetzt gilt es, als Team Österreich zusammenzuhalten und gemeinsam die Ernte von unseren Feldern zu holen!“
Als die Agrarfunktionäre merkten, dass die Plattform nicht funktioniert, schrien sie danach, die Erntehelfer und ‑helferinnen aus ihren Herkunftsländern einzufliegen, wie das Deutschland bereits begonnen hat.
Diese Leute kennen keine Scham: Sie werden sowieso staatlich subventioniert. Das Geld, das die große Masse der Werktätigen in Form ihrer Steuern bezahlt, wird zu einem Teil als Österreichs EU-Beitrag nach Brüssel geschickt. Der größte Brocken, der von dort wieder zurückkommt, ist die Agrarförderung, und das natürlich vor allem an die Großbauern und Großgrundbesitzer. Die Werktätigen müssen also sowieso schon für diese Branche bezahlen. Und jetzt sollen wir ihnen auch noch Flüge bezahlen, mit denen sie ihre Billigarbeitskräfte ins Land holen wollen?
Seit einigen Jahren gibt es die Kampagne sezonieri.at, die von der Gewerkschaft ProGe gemeinsam mit Initiativen von und für Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeiter geschaffen wurde. In Bezugnahme auf die aktuelle Corona-bedingte Krise fordert die ProGe (proge.at) ordentliche Lohnerhöhungen und bestmöglichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten.