Wien. Die aktuellen Arbeitsmarktdaten für Mai 2025 zeichnen ein düsteres Bild: Die Arbeitslosigkeit in Österreich steigt weiter – und das nicht trotz, sondern gerade wegen der kapitalistischen Logik, die Wachstum über Menschen stellt. 375.347 Personen waren Ende Mai beim Arbeitsmarktservice (AMS) ohne Arbeitsplatz gemeldet, davon 296.140 arbeitslos und weitere 79.207 in Schulungsmaßnahmen. Die offizielle Arbeitslosenrate liegt nun bei 6,9 Prozent – ein Anstieg um 0,5 Prozentpunkte gegenüber dem Vormonat.
Diese Entwicklung ist keine Überraschung, sondern die Fortsetzung eines Trends, der bereits seit April 2023 anhält. Auch das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) und das Institut für Höhere Studien (IHS) erwarten für heuer das dritte Rezessionsjahr in Folge. In einem System, das Arbeitsplätze nur dann schafft, wenn sie „rentabel“ sind, bedeutet wirtschaftliche Stagnation zwangsläufig steigende Erwerbslosigkeit – und zwar nicht, weil die Arbeit fehlt, sondern weil sie sich für Kapitalinteressen nicht mehr „rechnet“.
Besonders betroffen ist erneut die Industrie. In der Warenerzeugung stieg die Zahl der Arbeitslosen und Schulungsteilnehmenden um 13,8 Prozent. Auch im Gesundheits- und Sozialwesen, also jenen Bereichen, in denen reale gesellschaftliche Bedürfnisse bearbeitet werden, stieg die Arbeitslosigkeit deutlich – um zwölf Prozent. Dass gerade dort, wo Pflege, Betreuung und Versorgung stattfinden, Menschen in die Arbeitslosigkeit gedrängt werden, ist Ausdruck des kapitalistischen Systems: Menschliche Notwendigkeiten spielen dort keine Rolle, wo kein Profit zu holen ist.
Auch der Handel verzeichnet einen Anstieg von 9,3 Prozent. Und obwohl sich die Zahlen im Bauwesen und in der Arbeitskräfteüberlassung nur minimal verändert haben, bleibt auch hier der Druck bestehen – nicht zuletzt durch prekäre Arbeitsverhältnisse, Befristungen und Lohndumping.
Regional betrachtet ist Oberösterreich trauriger Spitzenreiter mit einem Zuwachs von 13,8 Prozent an Arbeitslosen und Schulungsteilnehmenden. Salzburg (+12,3 %), Vorarlberg (+9,9 %) und Tirol (+9,8 %) folgen. Selbst Bundesländer mit traditionell hoher Beschäftigung, wie die Steiermark (+7,2 %) oder Kärnten (+5,5 %), können sich dem Negativtrend nicht entziehen. Wien weist mit einem Plus von 4,8 Prozent sogar eine unterdurchschnittliche Steigerung auf.
Besonders dramatisch ist die Situation bei älteren Menschen: Über 100.000 Personen über 50 Jahre sind aktuell ohne Job – ein Plus von 7,2 Prozent. Diese Zahl ist nicht nur sozialpolitisch brisant, sondern offenbart ein strukturelles Versagen. Ein System, das Menschen mit jahrzehntelanger Berufserfahrung ab 50 de facto abschreibt, zeigt, wie eng die kapitalistische Verwertungslogik geworden ist. Wer nicht mehr als flexibel, leistungsfähig und billig gilt, wird aussortiert.
Auch die Zahlen zur Herkunft der Arbeitslosen legen ein weiteres Mal die soziale Spaltung offen: Rund 210.834 arbeitslose inländische und 164.513 arbeitslose ausländische Personen sind beim AMS gemeldet. Der Unterschied im Anstieg – 6,2 Prozent bei Inländerinnen und Inländer, 7,7 Prozent bei migrantischen Personen – verweist auf eine strukturelle Diskriminierung am Arbeitsmarkt.
AMS-Vorstand Johannes Kopf bringt es unfreiwillig auf den Punkt: „Solange wir kein substanzielles Wachstum haben, wird die Arbeitslosigkeit bei steigendem Arbeitskräfteangebot nicht sinken.“ Mit anderen Worten: Ohne Wachstum keine Jobs. Ohne Nachfrage keine Beschäftigung. Ohne Profit kein Mensch im System. Das ist der Kern kapitalistischer Arbeitsmarktpolitik – der Mensch ist Mittel, nicht Zweck.
Quelle: ORF