Tel Aviv. Der rechtsextreme israelische Finanzminister Bezalel Smotrich präsentiert in Ma’ale Adumim die altbekannte Formel des Siedlerkolonialismus: mehr Landnahme, mehr Straßen, mehr „Fakten“, weniger Palästina. Geplant sind 3.401 Wohneinheiten im sogenannten Projekt E1 – genau dort, wo ein Siedlungsriegel das Westjordanland in einen nördlichen und einen südlichen Korridor aufspalten und Ostjerusalem vom Rest abtrennen würde. Das ist kein „Baudezernat-Fehler“, das ist strategische Zersplitterung eines Volkes. Internationale Akteurinnen und Akteure warnen seit Jahren, heute wieder: illegal nach Völkerrecht, tödlich für jede Zweistaatenlösung.
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas nennt die Entscheidung einen Bruch des Völkerrechts und fordert Israel auf, davon abzusehen – „sonst mit weitreichenden Folgen“. Das ist die diplomatische Umschreibung von: Wir sehen zu, wir sind dagegen, und dann passiert nichts.
Aus der UNO heißt es nüchtern, was jede Karte zeigt: E1 würde das Westjordanland de facto zweiteilen und die Mobilität der Palästinenserinnen und Palästinenser weiter einschränken – ein Schritt, der die territoriale Basis eines palästinensischen Staates zerschneidet.
Smotrich selbst liefert die ideologische Begleitmusik: Man werde die Idee eines palästinensischen Staates „begraben“ – mit Häusern, Vierteln, Straßen und „jüdischen Familien“, die „ihr Leben aufbauen“. Parallel fordert er die Annexion des Westjordanlands („Judäa und Samaria“). Wer wissen will, was hier geplant ist, bekommt es aus erster Hand gesagt.
E1 ist kein „Sicherheitsprojekt“, es ist politökonomische Territorialproduktion: Staatliche Gewalt, Infrastruktur und Subventionen organisieren die Verdrängung der Palästinenserinnen und Palästinenser – zugunsten einer Siedlermeute, die sich Boden, Wasser, Bewegungsfreiheit und Rechtsstatus aneignet. Das Muster ist alt: Fragmentiere die beherrschte Bevölkerung in isolierte Enklaven, schneide Verkehrsachsen, entziehe Planungshoheit – und nenne es „Fakten schaffen“.
Wer dazu „Friedensprozess“ sagt, verwechseln Absicht mit Propaganda. E1 institutionalisiert eine Karte, die keine gleichberechtigte Souveränität mehr zulässt. Genau deshalb steht E1 seit Jahrzehnten unter internationalem Protest – und genau deshalb wird es jetzt forciert.
Seit Oktober 2023 sehen sich die Palästinenserinnen und Palästinenser einem Vernichtungskrieg konfrontiert, den unzählige Organisationen als genozidal bezeichnen. Wer E1 vorantreibt, setzt in der Westbank die gleiche Logik fort, die in Gaza massenhaftes Sterben, Hunger und Vertreibung produziert – eine Politik der Zerstörung palästinensischer Lebensgrundlagen, eine Politik des Genozids und Völkermord.
Quelle: ORF